Rümmer 6.
Internationale Sammler-Zeitung.
Seite 91.
(Auffindung ungedruckter Tänze uon Josef Haydn.)
Der Arctiiuar der Gesellschaft der ITlusikfreunde in Wien, Professor
Dr. Eusebius UTandyszeroski hat im Kloster Seitenstetten in
tliederösterreich 12, bisher ungedruckte und unaufgefiihrte Tänze
oon Josef Haydn aufgefunden. Huf dem Titclblatte der Original
handschrift stehen, tuie bei allen Werken Haydns, die Worte: „In
ITomine Domini.“ ITlandyszeroski uerzeichnel auf der Kopie des
Originals folgende Bemerkungen: „Diese Abschrift ist nach dem
Autograph gemacht. Autograph im Stifte Seifensteften, mir durch
Pater Jsidor ITlayrhofer im Dezember 1908 bekannt geworden.
Den Schriffzügen nach aus sehr früher Zeit, etwa 1760, eher früher
aisspäter. Sechs Blätter, zroölfzeiliges Querformatpapier ohne Wasser
zeichen, etwas wurmstichig. Beim achten Stück (Seite 7) notiert
sich Haydn schon im Vorhinein auf dem obersten Rande des
Papieres die Tonarten der nächsten Stücke: A, F, b, g, c. (Groß
buchstaben bezeichnen Dur, Kleinbuchstaben ITloll.) Das bestärkt
den allgemeinen Eindruck, daß die Stücke ahne weitere Vor
bereitung in die Partitur geschrieben wurden. Die Vorschlagsnofe
ist immer deutlich also ein Achtel, gleichend ob sie oor einer
halben oder uor einer Viertelnote steht; p und for sind sorgfältig
eingezeichnet. Blasse Tinte wie auf allen Handschriften Haydns.
Zum Schlüsse kein Taus Deo.“ Die Tonarten der ersten sieben
Tänze sind: C, c, G, D, E und c.
mit diesen Tänzen ist übrigens die Zahl der noch unoer-
öffenflichten Kompositionen Haydns nicht erschöpft, nicht oeröffent-
licht sind noch eine „Zingorese per il GlaDi Cembalo del Signore
Giuseppe Haydn“ und „Contredanze per il Claui Cembalo del
Signore Giuseppe Haydn“ im 2 / 4 -Takt in C-dur, 2 / ä -Takt in Es-dur
und 3 / s -Takt in C-dur. „Six Allemandes ä plusieurs Instrumens“
(das t fehlt). Composees par Joseph Haydn ä Vienne chez
Artaria, llr. 76, 40 Kreuzer, sind zwar bei Artaria erschienen,
erlebten aber keine zweite Auflage und sind heute nur in einigen
wenigen Exemplaren oorhanden, die Seltenheitswert besißen. Haydn
schrieb ferner in den Jahren 1763 1765 die Oper „Philemon und
Baucis,“ deren Partitur, wie so uiele andere seiner Kompositionen
der Feuersbrunst auf Schloß Eszferhdzy bei Eisenstadt in Ungarn
zum Opfer fiel und non der nur die Sinfonia, zubenannt „Ouoer-
ture“ und eine Kanzonefta erholten sind, die aber uollständig in
Vergessenheit gerieten und seit Jahrzehnten nicht mehr aufgeführf
wurden. E. F.
Bibliophilie.
(Bücher in Stratford zu Shakespeares Zeiten.) Bei
dem Dunkel, das über der Person des großen britischen Dichters
schwebt, ist jede Kleinheit Eicht, die oon den eifrigen Shakespeare-
Forschern auf sein Teben, namentlich aber auch auf seine Erziehung
fällt, oon Wichtigkeit. So hot sich oor zwei Jahren die bekannte
Shakespeare-Forscherin Charlotte Carmichael Stopes die mühe ge
geben, alles das zusammen zu tragen, was die falsche meinung
oon „Stratfords buchloser ITachbarschaft“ zerstören kann. Sie hat
im Athenaeum uam 23. Februar 1907 darauf aufmerksam gemacht,
daß um die mitte des 16. Jahrhunderts Warwickshire als eine der
intelligentesten englischen Grafschaften bekannt war, daß der Schul
meister uon Stratford das Doppelte oon Gehalt empfing wie der
oon Eton, daß zweifellos die Geistlichen oon Stratford Bibliotheken
gehabt haben müssen, wie es denn auch sicher ist, daß Shake
speares Schwiegersohn eine bedeutende Bibliothek besessen hat,
zu der sogar Teufe oon fernher kamen. Richard Field, ein be
kannter londoner Drucker, war aus Stratford; und es ist doch
kaum zu bezweifeln, daß uon ihm gedruckte Bücher auch ihren
Weg nach seiner Heimat gefunden haben. Und ebenso hatte die
englische Shakespeare-Forscherin darauf hingewiesen, daß schon
die Analogie darauf schließen läßt, daß die Edelleute in der Um
gebung oon Stratford bedeutende Bibliotheken besessen haben
müssen. Dann konnte sie aber auch aus Rechfsurkunden einzelne
Bücher nennen, die zu Shakespeares Zeiten in Stratford und Um
gebung im Gebrauch gewesen sind. Unter andern konnte sie ein
Jnoentar aus den Jahren 1607 aus Bislopton oorbringen, in dem
eine Anzahl uon Büchern aufgefürt sind, unter denen manche sind,
oon denen man annehmen könnte, daß Shakespeare sie - wenn
auch nicht in diesen Exemplaren — gelesen haben dürfte. Und
nunmehr bringt die gleiche Forscherin im „Athenaeum“ eine llotiz,
in der sie einen neuen Vorstoß gegen den oerbreiteten Glauben
an die Bücherlosigkeit oon Stratford unternimmt. Jn einer Rechts
urkunde, die oon dem Fall einer gewissen ITlargaret üounge gegen
Jone Perat am 20. Juli des 37. Jahres der Elisabeth (1596) handelt,
heißt es unter anderm: „IRr. Shaxspere one book; ITlr. Barber a
cooerlett, foo daggers, the three boakes usw. Bake debts due fa
the partie defendent“. Es ist anzunehmen, daß es sich hier bei
dem Shaxspere um John und nicht um William Shakespeare handelt,
Auch ist natürlich nicht herauszufinden, was für ein Buch dieses
sowie die drei anderen Bücher, die erwähnt sind, gewesen sein
können; aber aus der juristischen blote geht doch heroor, daß
ITlr. Shaxspere — Jahn oder William — ein Buch aus dem Besiß
der Jone Perat geaiünschf, daß er sich es oerschafft hat, aber daß
er es nicht bezahlt hat. So ist Stratford „ßookles neighbourhood“,
die seit der Biographie oon Halliwell Philipps oielfach als ITlarime
galt, durch oier weitere Stratforder wenn auch ungenannte Bücher
ganz offiziell widerlegt.
Bilder.
(Ein Ulakart aus dem ßesiße Johann Orths) Herr
W. Prückel in Wien teilt uns mit, daß ein wenig bekannter ffia-
kart in seinen Besiß übergegangen ist. Das Bild, das der besten
Zeit des ITleisters entstammt, stellt die Enthauptung des Holofernes
durch Judith dar. Die Figuren zeigen Holofernes, Judith und eine
ITlohrin, die den Sack für den Kopf des Holofernes bereit hält. Das
Gemälde ist 220 cm hoch und 150 cm breit. Es gehörte ehedem
der Sammlung Johann Orths, des früheren Erzherzogs Johann uon
Österreich an, der 1891 mit dem Kauffahrer „ITlargerita“ an der
Südküsfe Südamerikas zugrunde ging.
(Die Fresken uon Alantes) die der Künstler für die
deutsche zoologische Station in tleapel ausgeführt hat, sollen,
wie man uns mitteilt, nach Deutschland überführt werden. Ber
liner Blätter treten dafür ein, daß in Berlin etwa auf der ITluseunis-
insel ein Plaß für sie geschaffen würde.
(Raffael oder Schule Raffaels?) Die Hofschouspielerin
Frau Kathi Schratt erwarb kürzlich, wie wir der „11. Fr. Pr.“
entnehmen, eine alte Holztafel oon einem tlleter Höhe und drei
Viertelmetern Breite, die eine sehr interessante Darstellung aus
dem ITladonnenkreise zeigt. Jn einer gebirgigen Tandschaft, im
Schatten oon Bäumen, sißen die llladonna rechts und die heilige
Elisabeth links nebeneinander. Die llladonna hat ihren Kopf stark
nach iinks geneigt und umschließt mit ihren Händen das Christus
kind, welches ebenfalls nach links blickt. Der kleine Johannes, auf
dessen Schulter die heilige Elisabeth die rechte Hand legt, zerrt
ein Tamm herbei, offenbar als Spielzeug für den Kameraden.
Tinks oon dieser idyllischen mittelgruppe steht der heilige Rochus,
dessen Kopf sich oom blauen Himmel abhebt, oor ihm, fast un
bekleidet, der heilige Sebastian mit Pfeilen im rechten Oberarm und
im rechten Oberschenkel. Rechts oor der Baumgruppe erhebt sich
die ernste Gestalt des heiligen Franz oon Assisi, uor ihm sißt der
heilige Josef; der schöne, charakteristische Greisenkopf ist im
Profil nach links gewendet und auf den linken Handrücken gestüßt.
Ulan hat dieses sehr interessante Werk, welches oon der JTleister-
hand des Regierungsrates Ge risch restauriert werden soll, mit
der Schule Raffaels in Zusammenhang gebracht. Tatsächlich gibt
es oerwandte Bilder, welche unzweifelhaft oon Raffael gemalt
wurden. Die ITladonna aus dem Hause Canigiani in ITlünchon zeigt
einen ähnlichen Typus, doch ist die Gruppierung der Frauen und
der Kinder eine andere. Auch die Wiener ITladonna im Grünen und
die ITladonna Esterhazy in Budapest zeigen die Gruppierung der
ATadanna und der zwei Spielkameraden in ähnlicher Weise. Die
ITladonna dell Jmpaunata aus dem Jahre 1514 in Florenz kann
zur Stilkritik des Bildes ebenfalls herangezogen werden; ebenso
die heilige Familie, „die Perle“ genannt, oom Jahre 1515 in ITladrid.
Das Bild oom Jahre 1518 und die he lige Familie Franz I. aus der
selben Zeit im Touore zeigen ähnliche JTlotioe. Troß dieser Remi
niszenzen an unzweifelhafte Originalwerke Raffaels hat sich die
Besißerin des Bildes im Einoernehmen mit Wiener Kunstkennern
entschlossen, die Tafel nicht als Raffael zu bezeichnen. Auch unter
dem Titel „Schule Raffaels“ oder „Römische Schule“ wird das
Bild, das heroorragende Qualitäten besißt, eine interessante Be
reicherung des Wiener Kunstbesißes darstellen.
(Ein echter Rembrandf?) Aus Konstantinopel wird
uns berichtet: Der Kunstschriftsteller meißner aus Dresden hat
gelegentlich eines Besuches bei einer hiesigen deutschen Familie in