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von Geiatreichigkeit und derPuder, die Schnünlte, ein immenser Reifrock und die Contouclie,
denen zu Liebe dann manche Veränderungen in dem übrigen Costüme nothwendig
wurden, nicht ohne eine gewi_sse Originalität und Talent, die verblassten Farben in Blau,
Rosa, Lila und Silbergrau zu verwenden. Dem entsprechend wurde auch die männliche
Tracht mcnuettgerecht umgestaltet im Sinne der Verkleinerung und das bedeutsamste
Symbol der grüßeren Hälfte des XVlll. Jahrhunderts bildet nunmehr der Zopf und der
Haarbeutel.
Die costümlichen Veränderungen während der politisch so denkwürdigen Periode
von t75o-t8t5 bildeten den Gegenstand der dritten Vorlesung am t8. November. Das
Absterben der alten Zeit und ihrer Gesellschaft, das Vordrangen der neuen mit der
Losun nach Natur und Wahrheit, und die begleitende Aufregung der ganzen geistigen
Welt uropa's wurde vorn Vortragenden in kurzen scharfen Zugen geschildert. Auch im
Costum mischt sich in den Jahrzehnten unmittelbar vor der französischen Revolution
Altes und Neues; der Coilfeur wird Academicien und schafft Frisuren a la Flore, Po-
mone, ä la victoire, caprice de Voltaire etc., während die Manner in Frankreich vorerst
nur die Rococo übertreiben. Inzwischen kamen von anderwarts bereits die Vorboten der
neuen Zeit: das Werthercostüm aus Deutschland, der runde Hut und der Frack über
England aus Amerika besonders durch den Vortritt der Literaten als Zeichen des Libe-
ralismus angenommen von allen jenen, die sich von dem bisherigen Zwang: der Sitte,
des Denkens. der politischen Bevormundung losmachen wollten. ln Frankreich selbst kam
diese Mode ä l'anglaise nicht ganz zur Geltung, schon beginnt das Sansfaqon um sich zu
greifen, bei den Frauen fast mehr als bei den Mannern. Theatercostüme ä la Susanne,
andere mit dem hochaufragenden Fichu auf der einen Seite, schwarzer Frack und Cylinder
auf der anderen sind die hervnrragendsten Erscheinungen zu Beginn der französischen
Revolution, die zunächst allerdings mit Puder, Zopf und Perrucke aufraumte, dafür aber
in ihren costümlichen Ausgeburten: Sansculotismus, den lncroyables, Merveilleusen und
der Statuenkleidung ä la grecque und ä la sauvage in der That das Unglaublichste leistete.
In gemilderter Weise ging dieses Costnm durch das Kaiserreich in's XIX. Jahrhundert
über, im Ganzen und Großen die Grundform unserer modernen Kleidung bietend. Frack,
Pantalons, Cylinder und Tunica gingen auch im übrigen Europa siegreich ihren Weg,
nur dass die Reaction in die früher etwas verwilderten oder übertriebenen Formen nicht
Verschönerung, sondern die in solchen Perioden übliche Versteifung brachte.
Bei diesem Stadium beschloss Regierungsrath von Falke seine Ausführungen über
die Costumgeschichte, als Resultat nur noch zusammenfassend, dass auch das Costom aus
bestimmten vorhandenen Ursachen mit Nothwendigkeit entsteht, kein Spiel des 'Zufalls
und kein wirres Durcheinander von Launen und Einfällen ist. Alle drei Vortrage wurden
mit größtem Beifalle aufgenommen und hatten sich unter den zahlreichen Zuhorern auch
hohe Persönlichkeiten, wie Se". kais. Hoheit Erzherzog Rainer, die Exoellenzen Minister
Conrad und Chlumetzky und der Curator des Museums Graf Zichy eingefunden.
Der lnhalt jenes Vortrages, welchen Regierungsrath Bucher am 25. November
-Ueber Gegenwart und Zukunft des Ausstellungswesens- hielt, ist um der zeitgemäßen
Wichtigkeit dieser Frage willen weiter oben in einem besonderen Artikel hervorgehoben.
t
Donnerstag den z. December hielt Dr. Linke eine Vorlesung über Faience. Da
dieselbe vollinhaltlich als Beila e zu den nächsten Nummern unserer Mittheilungen er-
scheinen wird, so soll hier bloä eine kurze Besprechung derselben Platz finden.
Der Vortragende behandelte sein Thema vorwiegend vom technischen Standpunkte.
Nach allgemein einleitenden Worten über die Bedeutung der heutigen Keramik, die ein
hervorragendes Beispiel des modernen, segensreichen Bundes von Kunst und Technik
biete und in der gleichmäßigen Ausnutzung der Kunstprincipien sowohl als der technischen '
Errungenschaften unserer Zeit groß geworden sei, wurden an detn Faden der historischen
Entwicklung der Keramik all jene technischen Momente zusammengetragen, die eine
flüchtige Skizzirung der Fabricationsweise. eine Charakterisirung der einzelnen Faience-
arten ermöglichten. Es wurden die Emailfaiencen besprochen: die alte Majolika sowie
die modernen Imitationen resp. veredelten Fabricate von Ginori in Doccia, die Palissy
Faience, die sogenannte englische Majolika und das Päteemail, sodann die durchsichtig
glasirten Poterien, die den Namen Faience tragen, von der sogenannten Schweizer Majolika
aufwarts bis zur echten Faience, die an einigen alten, wie modernen Repräsentanten
charakterisirt wurde: den Wedgewood-Fabricaten, an diversen osterreichischen, beziehungs-
weise Wiener Producten, der Kunstfaience von Deck in Paris, der sogenannten Barbotine-
Faience und endlich an der Faience von Zsolnay in Fünfkirchen. Demonstrationen der
besprochenen Producte unterstützten den sehr beifallig aufgenommenen Vortrag.