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Internationale Sammler-Zeitung. 
riummer lo 
Verbindung mit dem Professor D i e 1 i I3 in Berlin der Sache nach 
und fand denn auch gleich die richtige Spur, die ihn auf den in 
Weimar lebenden Architekten und Geometer oon Gerstenbergk 
führte. 
Gerstenbergk wurde, roie in dem neuesten Hefte der Zeit 
schrift „Der Zwiebclfisch“ (Hypcrion-Verlag, Hans non Weber in 
münchen) dargelegt wird, als der ermittelt, non dem die meisten 
Angebote ursprünglich ausgegangen waren. Cr selbst und zwei 
seiner Hauptabnehmer legten zahlreiche Autographen oor, gegen 
die Künzel sogleich seine Bedenken äußerte. SelbstDerständlich 
wurde die Echtheit non den Bessern eitrigst nerteidigf. Auf den 
ersten Blick aber konnte die Fälschung, so grob sie im ganzen 
angelegt war, nicht nachgemiesen werden. Die Zunft der Gelehrten 
stand, wie gewöhnlich in solch ruhesförenden fällen auf Seite der 
gekränkten Besitzer; hatte sie doch selbst an der Verteilung des 
reichen Segens bona fide mit teilgenommen. Gerstenbergk erklärte, 
er habe die Handschriften für echt bekommen, gebe sie also für 
echt wieder aus. 
Zwei Jahre oergingen, bis Künzel und Dieliß imstande waren, 
ihre Zweifel glaubhaft zu erhärten. Ihre Gründe waren kurz 
folgende: „Das Papier ist gleichförmig graugelblich, masserfleckig, 
scheint durch Kaffeewasser gezogen zu sein, um ihm das Aussehen 
größeren Alters zu oerschaffen. — Der Schrift mangelt die Rundung 
und der großartige Schwung Schillers; sie hat statt dessen etwas 
eckiges und gekniffenes. — Ein großer Teil dieser weimarischen 
Handschriften besteht aus Xenien, oon denen Goethe und Schiller 
bekannlich erklärt haben, daß man nicht erfahren solle, wer oon 
ihnen der Verfasser dieser einzelnen Gedichte sei. Dennoch steht 
unter jeder aus Oerstenbergks Hand hergekommenen Xenie der 
Flame Schillers ooll ausgeschrieben. Das Gleiche ist bei Briefen 
dieses Ursprungs der fall, obwohl Schiller sich da nur mit S. zu 
unterzeichnen pflegte. endlich ist die außerordentliche menge 
der bis dahin sehr seltenen Autographen und ihr Ursprung aus 
einer und derselben Quelle ein Haupteinwand gegen die Echtheit.“ 
Gerstenbergk, der sich übrigens stets in mißlichen Vermögens- 
oerhältnissen befand, bezog sich, als er nach dem Ursprung seiner 
Handschriften direkt gefragt wurde, notgedrungen auf den „großen 
Unbekannten“, indem er gcheimnisooll andeutete, daß er in Weimar 
und Jena oon mancherlei Personen, die nicht genannt sein möchten, 
seine Schäße erworben hätte. Da diese nun aber durch ihre Käufer 
längst in alle Weltgegenden getragen morden waren, so ließ sich 
in Weimar allein ein Überblick über den Umfang des Handels nicht 
gut ermöglichen. Erst als ein Buchhändler, Anfon Bär aus frank- 
furt, sich durch den Kauf einer Suite Schilleraufographen für be 
trogen erklärte und 1854 Anzeige an die Staatsanwaltschaft in 
Weimar erstattete, kam der Stein endlich ins Rollen. Da es sich 
strafgeseßlich um einen „Betrug bei Eingehung oon Verträgen“ 
handelte, so war zur Strafoerfolgung der Antrag mindestens eines 
Geschädigten erforderlich, und eine oon Anfang an beteiligte 
Käuferin, die Hofrätin Riemer, stellte denn auch Antrag. 
Jn der gerichtlichen Voruntersuchung ward bekannt, daß 
allein oon den leßten Erwerbern der angeblichen Schillerschen 
Handschriften mehrere Tausende bezahlt worden waren. Die ge 
nannte frau Riemer legte oon sich aus dem Gericht 89 Stück oor: 
Distichen und andere Gedichte, Briefe, fragmente aus den Trauer 
spielen usw. usw. Von ihr wieder hatte die kgl. Bibliothek in 
Berlin 179 Seiten solcher Handschriften für den Preis oon 60 
friedrichsdor gekauft, enthaltend Schillers berühmteste Balladen. 
Im Besiße eines Weimarschen Bibliothekdieners Große fanden 
sich 161 Flummern, andere hatte auch dieser wieder weiter Der- 
äußert, so u. a. an Schillers Tochter, frau oon Gleichen, der er 
die JTlanuskripte gleich seitenweise ä 5 Taler berechnete, mouon 
856 Taler bereits ausgezahlt waren. Kurz, ein über alle Begriffe 
schwunghafter Handel. Sammler, Händler, Ciebhaber hatten zudem 
oon Gerstenbergk direkt die größten Posten zu den oerschiedensten 
Preisen erworben. Schließlich mies das Verzeichnis der im Caufe 
der Untersuchung herbeigezogenen oerdächtigen Autographen 415, 
zum Teil aus oielfachen Stücken kombinierte Flummern auf. 
Die 00m Gericht angeordnete Prüfung durch Sachoerständige 
wurde sehr gründlich in die Wege geleitet. Drei Sektionen Sach- 
oerständiger wurden gebildet: 1. Sektion zur Prüfung der inneren 
Gründe, oom literarhistorischen und ästhetischen Standpunkt aus. 
2. Sektion zur Prüfung des Alters oon Papier und Schrift, insofern 
sich dies nach Grundsäßen der Ehemie oder nach langjährigen, 
aus der Aufsicht über alte und neue Werke der nachbildenden 
Kunst und aus derartigem Kunsthandel gewonnenen Erfahrungen 
bestimmen läßt, 5. Sektion zur Prüfung der Schreibweise und der 
Schriftzüge. 
Dem eifrigen Zusammenwirken dieser oerschiedenen Schrift- 
gelehrten hatte man die feststellung des ganzen Schwindels durch 
unanfechtbare Beweise zu danken. Ein unglaublicher Ceichtsinn, 
eine fast friool zu nennende Ungeschicklichkeit des fälschers trat 
zutage. So zeigten sich z. B. ein paarmal in ein und demselben 
Schriftstück oerschiedene Handschriften, einmal sogar oerschiedene 
Tinte. Jn dem nämlichen Schriftstücken fanden sich oerschiedene 
Schwankungen der Orthographie. Bei einer Hummer wurden zwei, 
aus derselben fabrik herrührende, oerschiedene halbe Bogen zu 
einem neuen Bogen künstlich oerbunden. Ein andermal fand sich 
das in der mitte befindlich gewesene Wasserzeichen heraus 
geschnitten. Eine beträchtliche Anzahl oon Schriften stand aut 
Blättern, die deutlich oerrieten, daß sie früher in alten Büchern 
Vorsaßblätfer gewesen waren. ITlehr als der oierte Teil sämtlicher 
Handschriften stand auf einem Papier oon so hohem Alter, daß es 
schon längst oor Schillers Geburt nicht mehr in Gebrauch war. 
Die Tinte widersprach mehrfach dem oeralteten und oergilbten 
Papier durch ihr neues und frisches, ins Bläuliche spielende Aus 
sehen. Den Inhalt anlangend, fanden sich grobe stilistische, 
terminologische, grammatikalische fehler dem Dichter Schiller an- 
angedichtet; Druckfehler waren mit abgeschrieben morden usw. usw 
Die ganzJ Art und Weise dieser fabrikation aber hatte ein so 
gemeinsames Gepräge, daß man sofort auch auf den gemein 
samen Ursprung aus einer und derselben fälschungsfabrik schließen 
mußte. 
Da Gerstenbergk seine Vordermänner im Geschäft nirgends 
glaubhaft nachmeisen konnte, oiele erwiesene Tatumstände ab 
leugnete und schließlich auch die zu seinen fälschungen erforder 
lichen Bücher, Chemikalien und alten Papiere bei ihm oorgefunden 
wurden, so wurde er in der Hauptoerhandlung am 27. und 28. 
februar 1856 oon Gottes und Rechtswegen zu einer immer noch 
maßoallen Gefängnisstrafe oon zwei Jahren oerurteilt. All seine 
Praktiken und die zahlreichen „Kunstfehler“, die er beging, können 
auch heute noch beim Verdachte einer fälschung oon ITtanuskripten, 
zum Teil auch oon Drucktexten mit Außen zum Vergleiche heran- 
gezagen werden. 
Die galante Zeit. 
So reich jedes Zeitalter an Dokumentarischem und 
eigenartigem hinsichtlich des allgemeinen sittlichen Gebarens 
ist, — keine Gpoche hat das sinnliche Grieben so sehr in 
den Hlittelpunkt des Daseins gerückt und oor allem so 
sehr zum Selbstzweck gestempelt, roie das achtzehnte Jahr 
hundert, die Zeit des unbeschränkten fürstlichen Abso 
lutismus. 
Die Gntroicklung zum Absolutismus roar an einem 
bestimmten Punkte der geschichtlichen Gntroicklung das 
unoermeidliche Grgebnis aus den einst die Renaissance
	        
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