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Internationale Sammler-Zeitung. 
Rümmer ] 1 
5tammbüctier. 
Zu unserem Artikel „Stammbücher“ in Ar. 9 des laufenden 
Jahrgangs wird uns geschrieben: 
Vielleicht die größte aller Stammbüchersammlungen besitzt 
die tueimarische Bibliothek. Den Grundstock dieser Samm 
lung bilden die non der Ulmer Familie Wagner gesammelten 
Stammbücher. Herzog Karl August hat die Sammlung im Jahre 
1805 angekauft, und seine tlachfalger haben sie durch Vermehrung 
bis zu ihrem heutigen Umfange entwickelt. 
Das neubelebte Interesse für die alten Stammbücher gibt 
einem ITlifarbeiter des Buchhändler-Börsenblattes Veranlassung, 
hauptsächlich auf ürund des Keilschen Spezialmerkes einige inter 
essante Angaben über diese kulturgeschichtlich sehr anziehenden 
und oft roertuollen Re'iquien zu machen. Die Sitte, ein Stamm 
buch zu führen, kam gegen finde des 15. Jahrhunderts auf und 
entstand wahrscheinlich aus dem Brauche des Adels, Stammbäume 
und Familienurkunden aller Art zu einem Geschlechtsbuche zu oer 
einigen. Aus den Kreisen der fürsten und Ritter und ihrer Frauen 
ging die Sitte dann in die der Gelehrten über, in deren Stamm 
büchern mahl zuerst Denk- und Sinnsprüche an die Stelle der 
Wahlsprüche traten, wie sie in den Adelsgeschlechtsbüchern am 
Platje roaren. Und oon den Gelehrten und Professoren wieder 
übernahmen die Studenten das Stammbuch, und gerade sie sind 
ihm dann länger freu geblieben, als irgend ein anderer Stand. Die 
ITlehrzahl der erhaltenen Stammbücher sind Studentenstammbücher. 
Die Studenten pflegten ja in alten Tagen noch mehr oon Hoch 
schule zu Hochschule zu wandern, und das Stammbuch diente 
ihnen da oft als eine Art Eegitimation, für später aber als ein £r- 
innerungsbuch. Zur Zeit der Reformation mar die Sitte der Stamm 
bücher schon weit oerbreitet, und die bekannte Szene im „Faust“, 
wo der Schüler lAephisto um eine Eintragung in sein Stammbuch 
ersucht, spiegelt nur getreulich die Gepflogenheiten des akademischen 
Hebens der älteren Zeit wieder. 
Stammbücher der Reformationszeit zeigen Eintragungen oon 
Huftier und oon ITlelanrhthon, auch sollen diese beiden, ßugen- 
hagen und andere Größen der Zeit selbst Stammbücher geführt 
haben. Erhalten ist das Stammbuch oon Hukas Cranach, das 
mit Bildnissen der sächsischen Herzoge und der Reformatoren und 
zum Teil mit eigenhändigen Sprüchen der letzteren geschmückt ist. 
Das Alaferial der Stammbücher mar ursprünglich Pergament, später 
Papier; für Bilder und Wappen wurden Pergament- oder seidene 
Blätter eingeschaltet. Das Format mar dadurch gegeben, daß man 
das Stammbuch bequem bei sich mußte führen können; es kommen 
auch runde Stammbücher uor. 
Was den Inhalt der Eintragungen betrifft, so pflegte man ge 
wisse Wahlsprüche nur durch Anfangsbuchstaben zu bezeichnen, eine 
Sitte, die Veranlassung gab, daß im 17. Jahrhundert Sammlungen 
und Schlüssel solcher , Denk- und Heibsprüche“ erschienen. Spater 
wurden ja, roie bereits berührt, diese Wahlsprüche durch sinnoolle 
Bemerkungen und Sentenzen allerlei Art erseßt. Es gab auch 
Bücher, die man gern als Stammbücher benutze, obgleich sie ur 
sprünglich einem anderen Zwecke dienten. Dahin gehörten be 
sonders die sogenannten Emblembücher, die dann mit Papier 
durchschossen als Stammbücher oerroandt wurden. Aber auch 
Illustrationswerke z. B. mit Holzschnitten oon Jobst Ammann 
fanden als Stammbücher Benußung, und Graupe erwähnt eines 
illustrierten lateinischen „Heben Jesu“, das eine schlesische adelige 
Dame oon 1600—1650 als Stammbuch benutzt hat. Die Sprache 
der Stammbücher war ursprünglich lateinisch, erst im 18. Jahr 
hundert eroberte sich die deutsche Sprache die Blätter des Stamm 
buches. Der bildliche Schmuck, der sehr mannigfaltigen Inhaltes 
ist, ist fiir uns heut oft besonders wertooll, weil er frische Szenen 
aus dem Heben z. B. der Studenten uor Augen führt. Silhouetten 
finden sich in deutschen Stammbüchern schon 1769 und haben 
dann fast alle anderen Arten bildlichen Schmuckes oerdrängt. Der 
1618 uerstorbene Herzog Philipp II. oon Pommern hat sich ein 
mal ein einziges Blatt für sein Stammbuch, das das Erscheinen 
des Engels oor Zacharias darstellte, 100 ungarische Dukaten kosten 
lassen, oder oielmehr die Herzogin zu Stolpe, die ihm dies Blatt 
widmete, bezahlte diese stattliche Summe. 
Verdrängt ist das Stammbuch durch das Photagraphiealbum 
morden. Das Phofographiealbum wurde sein oiel geringerer llach- 
folger; es ist heut selbst schon wieder auf den Aussterbeetat ge 
setzt und nicht unmöglich, dafj wir die hübsche freundliche Sitte 
des alten Stammbuches in unserer sogenannten biedermeierisch 
schwärmenden Zeit bald wieder aufleben sehen. 
Chronik. 
Ansichtskarten. 
(Der Halley’sche Komet.) Das Erscheinen des Halley’schen 
Kometen gab der Bromura, G. m. b. H. in Berlin, W. 9, Hink- 
straße 11 Anlaß zur Herausgabe einer Ansichtskartenserie in Brom 
silber. Die Karten sind hübsch ausgeführt und mit wohl gemeinten 
Versen oersehen. 
(Grazer Frühjahrsmesse.) Anläßlich der Frühjahrsmesse 
in Graz hat ITlaler R. Hoch eine Ansichtskarte entworfen, die in 
Farben ausgeführt und zur offiziellen Karte erhoben wurde. 
Autographen. 
(Die zweite Henrici-Aukfion.) Die zweite Versteigerung 
oon seltenen Briefen und Dokumenten im Antiquariat oon Karl Ernst 
Henrici in Berlin brachte als große Seltenheiten ein Offiziers- 
patenf auf Pergament mit der Unterschrift oon Olioer Cromwell 
(350 JTlk.) und oom Admiral llelson einen Geheimbefehl über die 
Bewegung der Kriegsschiffe oor der Schlacht bei Trafalgar, über 
schrieben „most secret memory“, datiert: Victory March llth 1805; 
sowie einen Brief oom Flaggschiff Vanguard Septr. 7th 1798. 
595 ITlk. Von Hlapoleon I. brachte ein „Lettre de noblesse“, 
Paris, 16. XII. 1810. 125 Ulk. Vom Herzog Alba war ein inte 
ressantes Schriftstück „Brüssel in Brabant“ 6. 1. 1570. Er oertröstet 
darin den deutschen Söldnerführer Hilmar oon ITlünchhausen und 
seine Hauptleute wegen des ausstehenden Soldes. Gabriel Bethlen 
König oon Ungarn lateinisches Empfehlungsschreiben für seinen 
Hleffen Peter, 27. VIII. 1627. 120 JTlk. Vom Grafen Jsolani war 
ein interessanter Brief an Ottauio Piccolomini, (datiert Mimingera 
di 24 Decbro 1634), er will ihm einen Führer mit Dragonern und 
Kroaten senden. (100 Ulk.) Briefe oon Kleist oon Ilollendorf, 
preußischen General der Befreiungskriege (aus ITlerseburg 1816 
datiert), oon James Keith, Freund Friedrich des Großen, datiert 
Pultava ce lOme Avril 1738 und oon Rohan de Soubise, ITtar- 
schall oon Frankreich: Au camp de Hohenkirchen ce 29 8 bre 1758 
an General Duc de Fißjames, 120 Ulk. zus. Briefe oon Wilhelm
	        
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