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Internationale Sammler-Zeitung.
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Bilöer- und Bühnenrahmen.
Eine oergleichende Betrachtung oon Dr. Alexander Elster (Jena).*
'n^0gy)\.instier missen, mie schmer es ist, für ein Kunst-
' merk den richtigen Rahmen zu schaffen. Und
das ist mehr als blofje Geschmackssache; es ist
der Ausdruck eines tief innerlich im Kunstroerk
liegenden Gesekes, und deshalb ist das Problem
kein isoliertes für Bilderrahmen, sondern in
gleichem JTlaf^e roirksam für jede Kunstform,
in der ein Rahmen für eine Idee gesucht
roird, — also für Bühnenbilder, ja sogar
\ schon für die dichterisch-bildnerische Ginfassung
einer dramatischen Idee. Gs ist in allen diesen
fällen das gleiche Grundlegende: unter der Decke der Gr-
scheinung des gemalten oder des Bühnenbildes ist die
Idee roirksam geroorden; zu dieser Idee soll der Rahmen
stimmen, aber auch zu der äußeren bildlichen formgebung
soll der Rahmen stimmen. Diese Doppelforderung hat zu
rounderlichen Auswüchsen im Bilderrahmengeschäft geführt.
Ich habe da einen Katalog uor mir für künstlerischen
Wandschmuck, auf dem wahre Orgien geschmacklosen Gin
rahmens gefeiert roerden. fast jedes einzelne Bild hat
seinen Originalrahmen, der reich oerziert ist und dessen
Verzierungen die Idee des Bildes fortzuse^en bestimmt sind,
für Candschaftsbilder hat man da Rahmen geroählt, die
selber mit Bäumen, Blumen, Sträuchern oerziert sind, und
sogar mit blühenden, obschon der Rahmen auch für eine
Winterlandschaft bestimmt ist. Dieser Sonderfall sollte
schon das Widersinnige solcher ITlanier zeigen, aber roeit
gefehlt, scheint er nur zu noch größeren Gxkursen ins
Reich des Bizarr-formlosen uerführt zu haben. Wenn oon
musikalischem auf dem Bilde die Rede ist, nähert der
Rahmen sich der form einer llyra, roenn das Bild uam
frieden handelt, ziert den Rahmen ein Palmenzroeig usro.
Das handgreiflichste des Bildes, das jeder auch ohnedies
oersteht, roird auf dem Rahmen noch einmal betont. Auf
dringlich ist das. Aber noch mehr: es ist auch töricht,
es nimmt eine Idee des Bildes und unterstreicht sie zum
Schaden der übrigen Ideen, die in dem Bilde außerdem
lebendig sind. Und noch mehr: es ist geschmacklos; es
zeigt die ganze Unfähigkeit, das Bildhafte durch den
Rahmen heroorzukehren, es erniedrigt die darstellende
Kunst, indem es einen Punkt des Bildes zum Programm
punkt oergeroaltigt und die Harmonie der ganzen Kon
zeption zerstört und tätet. Das Problem, einen harmonisch
gestimmten Bildrahmen zu finden, ist mit solchen firle-
fanzereien nur umgangen. Und deshalb sind sie eben
geschmacklos. Weil sie dem Problem nicht offen ins Gesicht
sehen und mit Unroahrheiten zu oerdecken suchen, roas
geradeaus zu läsen oiel schmieriger ist.
Gs handelt sich darum, die tiefste psychologische
Bedeutung eines Bildwerkes zu erfassen, roenn es richtig
gerahmt roerden soll, und dann den dieser inneren Bedeu
tung entsprechenden Rahmen zu finden. Die liegt manch
mal ganz roo anders, als man oon oornherein annimmt.
Ich habe das z. B. mit einer Reproduktion oon Thomas
Gralsburg ausprobiert. Gs roar ein Kohledruck in Blau,
und ich nahm zunächst einen einfachen, nicht sehr breiten
Gichenrahmen, der in dem dunkelsten blauen Ton des
* Wir entnehmen diesen interessanten flufsafj dem 6. Hefte
des „Kunstgeroerbeblattes“,
Bildes gebeizt roar, um so den Ton, roie ich meinte, am
besten fortzuseljen. Gs sah nicht schlecht aus und roar
dennoch ein Irrtum; ein breiterer schwarzer Rahmen wirkte
oiel besser. Warum? Vielleicht roeil das Blau der Repro
duktion selber nur Rotbehelf und nicht ein Ausdruck der
bildnerischen Idee selber roar. Deshalb durfte diese färbe
nicht betont, sondern mufjte gedämpft roerden, um das
geheimnisoolle, das sie an sich gut roiedergibt, rein heroor-
treten zu lassen. Solche Grfahrungen kann man zu hun
derten machen und jedesmal kann die Cösung des Problems
im gegebenen fall eine andere sein, immer aber eine mit
den feinsten Reaktionen künstlerischen Schaffens und Ge-
nieijens zusammenhängende. Die Idee eines Bildes durch
den Rahmen fortzusefjen, ist also unter allen Umständen
ein Unding. Gs kann sich nur darum handeln, den bild
nerischen Gindruck durch den Rahmen zu heben, impressio
nistisch das fortzuset3en, roas das Bild an 5chauwerten
der form und färbe — nicht der Idee gibt.
Gleiche künstlerische Sätje gelten für das Problem
des Bühnenrahmens — und deshalb seien ein paar Betrach
tungen darüber hier angefügt. Das Objekt oerlangt natür
lich ein paar ITlodifikationen, aber im wesentlichen gelten
keine anderen Gesetje. Schon roenn der dramatische Dichter
einen geeigneten Rahmen für seine dramatische Idee sucht,
so braucht er oftmals nicht einen solchen, der gerade dieser
Idee adäquat ist, oielmehr einen, der in gewissem Kontrast
zu ihr steht, damit die Idee sich umso reiner und kräftiger
abheben könne. Insbesondere aber, roenn er form und
färbe, das schauspielhafte Gewand der Idee gefunden hat,
mufj der Bühnenrahmen ganz diesem Geroande des Kunst
werkes, dieser form und färbe, diesem Stil angepafjt
roerden, ohne irgendeine unmittelbare Beziehung zur
Idee des Dramas. Das ist auch der tiefere Grund des
Problems einer Shakespearebühne, der frage nämlich, wie
weit für gewisse Werke eine dekorationsarme Bühne, eine
nur andeutende Reliefbühne am Platte ist. Diese an zwei
so oerschiedenartigen Punkten künstlerischer Technik zutage
tretende Grkenntnis ist für kunstgeroerbliches Schaffen nicht
ohne Bedeutung. Den inneren Stil eines Kunstwerkes, sei
es Dichtung, sei es Bild, zu betonen, ist geraifj nicht leicht,
aber es ist ein wesentliches Glied künstlerischer, das heiljt
harmonischer Wirkung. Warum Shakespeares Dramen,
die für eine einfachere Bühne oerfafjt sind, eine solche
immer wieder oerlangen, das liegt in ihrem Stil, ihrer
dramatischen Technik begründet, während die Idee oft
genug — etroa im Hamlet, ITlacbeth — die denkbar
modernste ist und ebensowohl oon glänzendstem szenischem
Prunk eingerahmt roerden könnte, ohne unharmonisch
zu wirken.
Diese Grkenntnis, dafj es auf den oerschiedensten
künstlerischen Gebieten einheitliche Gesetje selbst dort gibt,
roo man sie nie oermutete, ist nicht uninteressant. Dafj
man einen Garten einrahmt nicht nach seiner „Idee“,
sondern nach seinem Stil, seiner form und Gestaltung, ist
nichts neues; aber bemerkensroert ist es, dafj diese gleichen
Gesetje auch dort gelten, roo die Idee scheinbar das über
mächtig Herrschende ist. IRan ersieht daraus wieder, wie
in bildnerischen Dingen eben die Schauroerte über die fein
sinnigsten ideellen Beziehungen triumphieren.