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Inf er nationale Sammler-Zeitung. 
schuh“ eine chalkographische Uleisterleistung ersten Ranges 
geliefert hat. Der' Dresdener Friedrich PRiiller brachte mit 
seinem Stiche der Sixtinischen ITladonna, den er leider 
nur nach der ungenügenden Zeichnung einer mittelmäßigen 
]Tlalerin ausführen konnte, sein halbes leben zu. ebenso 
haben Josef oan Keller dem prächtigen Stiche nach Raffaels 
„Dispufä“, Professor louis Jacaby, lllandels Schüler, dem 
schönen Stiche nach Raffaels „Schule non Athen“, Professor 
Güstau Cilers dem uorzüglichen Stiche nach Tizians „Zins 
groschen“ und Johann Burger den trefflichen Stichen nach 
Guido Renis „Aurora“, dem berühmten Deckengemälde im 
Palazzo Rospigliosi zu Rom, und nach Raffaels „Uladanna 
della Sedia“ Diele Jahre geopfert. Dieser kolossale Auf 
wand non Zeit erklärt zur Genüge, warum Kupferstiche 
so teuer sind und nur in zahlungskräftigen Kreisen des 
Volkes Verbreitung finden, 
Von der llJühsamkeit der Technik oermögen Worte 
kaum ein anschauliches Bild zu geben. Des Kupferstechers 
Arbeitsfeld ist die Kupferplatte, früher wurden solche 
Platten in gleichmäßiger Struktur durch Walzen und Häm 
mern hergestellt, seit einigen Jahrzehnten noch besser durch 
galoanischen Riederschlag. Sorglich überträgt da der Stecher 
die oon dem Gemälde genommene Zeichnung auf die glatt 
geschliffene fläche der Kupferplatte, um alsdann diese Über 
tragung mit der kalten Radel leicht einzurißen oder mittels 
eines Aßwassers zu fixieren. Rach Vollendung dieser Vor 
arbeit greift er zum stählernen Grabstichel, Und nun gräbt 
er mit freier Hand in das Kupfer seine Taillen, parallele 
Pinien, Punkte und Kreuzschattierungen, wobei sich «or 
der Schneide des Stichels die ausgehobene Kupfermasse 
aufrollt. Die nun als Grat oder Bart bezeichnete Rauhigkeit 
an den Rändern der Taille entfernt er uorsichtig mit einem 
Schabeisen. So seßt selber Pinie für Pinie, gerade und 
gebogene, tiefe und flache, breite und schmale, zarte und 
kräftige, gleichmäßig «erlaufende und allmählich anschwel 
lende in engeren oder auch in weiteren Abständen hin, 
wie es ihm eben zur genauen Charakterisierung des Stoff 
lichen und der färbe notwendig erscheint. Verzichtet er 
auf Kreuzschraffierung, so begnügt er sich, um die Rundung 
der Gestalten heroorzubringen, mit dem Anschwellen der 
Cinien. Immer hält er bei seinem mühseligen Vorgehen 
daran fest, daß auf der Reßhaut des Beschauers eine 
Rlischung non Schwarz und Weiß stattfinden muß, jedoch 
nicht in dem RJaße, um zu uöllig gleichmäßigem Tone zu 
oerschmimmen und die figenart des Cinienstiches, die 
Cinien und Punkte, zu «erwischen. 
So erfordert die Arbeit des Stechers eine erstaun 
liche Sicherheit der Hand, zumal fehler aus der Platte 
schwer zu entfernen sind. Rur durch langjährige Übung 
läßt sich diese Sicherheit g.-winnen. Aber noch notwen 
diger ist, daß die Hand geleitet wird «an einem feinen 
künstlerischen Geiste. Cs muß der Stecher, falls etwas 
Großes entstehen soll, dem IRaler des Bildes nach 
empfinden können. Ist die Kupferplafte gestochen, so ge 
langt sie zur Druckerei, Hier wird sie mit schwarzer färbe, 
die durch zähes Öl eine gewisse Konsistenz erhalten hat, 
sorgfältig eingefärbt, alsdann sauber abgewischt, so daß 
die färbe nur in den «ertieften Cinien und Punkten stehen 
bleibt, ferner bis zu einem gewissen Grade erwärmt und 
nun mit dem angefeuchteten, stark gebürsteten weißen 
Kupferdruckbogen oder dem gelblich-braunen, sehr wider 
standsfähigen Chinabogen belegt, um sofort durch die 
Walzen der Handpresse geschickt zu werden. Rach dem 
Gange durch die Walzen wird der Bogen «orsichtig abge 
hoben, zwischen Pappen in der Trockenkammer getrocknet, 
zum Schluß geglättet, genau durchgesehen und, sofern er 
tadellos ist, für «erlagsmäßig erklärt. Was die Arbeit 
des Druckers ungemein erschwert, ist die Rotwendigkeit, 
die Platte für jeden Abzug neu einzufärben. 
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Cs leuchtet ein, daß die Platte um so mehr abnüßt, 
je häufiger sie durch die Walzen gesandt wird, also je 
mehr Abzüge «on ihr genommen werden. Daher die Kupfer- 
platte, um sie zu schonen, auf galoanischem Wege mit 
einer sehr dünnen Stahlschicht überzogen, mithin „oer 
stählt“ wird. Aber mehr noch: «on der Originalkupfer 
platte werden auf galoanischem Wege kupferne Platten 
kopien hergestellt, so daß sich mit ihnen an Stehle der 
Originalplatte «iele tausende Blätter abdrucken und in den 
Handel bringen lassen. 
natürlich erweisen sich die frühdrucke «on der noch 
im besten Zustande befindlichen Originalplatte als die 
besten, mögen auch die ersten Abzüge noch etwas rauh 
sein. Sammler seßen in den Besiß «on friihdrucken ihren 
Stolz, wie sie denn auch den Stich materiell für um so 
mertooller halten, je weniger Abdrücke oon ihm existieren. 
Die Zahl der frühdrucke ist nach einem oom Deutschen 
Kunstoerleger-Verein schon «or anderthalb Jahrzehnten 
festgeseßten Übereinkommen auf fünfhundert bemessen. 
Zu diesen friihdrucken gehören fünfundzwanzig con der 
unuerstählten Originalplatte genommene Remarquedrucke 
und dann die sogenannten künstlerdrucke oder e'preuoes 
d’artiste und die als „Aoant la lettre“ bezeichneten Drucke 
oor der Schrift, für die Remarquedrucke pflegt der Kupfer 
stecher auf dem Rande der Kupferplatte eine hübsch 
ersonnene Rtarke zu stechen, die nach dem Abzüge der 
fünfundzwanzig Drucke abgeschliffen wird. Künstlerdrucke 
sind ebenfalls in irgend einer Weise gekennzeichnet, oft 
dadurch, daß ein Knopf, ein Ring, eine Perle oder über 
haupt ein kleiner, wenig auffälliger Gegenstand im Sujet 
weiß gelassen oder nur leicht schattiert ist. Dieses ITlerk- 
zeichen weisen Drucke «or der Schrift nicht mehr auf, 
weil es der Stecher beseitigt hat; sie sind einfach dadurch 
legitimiert, daß sie noch keine Unterschrift besißen. Cine 
weitere Pegitimation für alle fünfhundert frühdrucke besteht 
noch darin, daß sie nach ihrer Reihenfolge durch den 
Deutschen Kunstuerleger-Verein abgestempelt werden. Sind 
die drei Gattungen der frühdrucke abgezogen, so sticht 
der Stecher in den Plattenrand die Unterschrift. Cs lassen 
sich dann in beliebiger Zahl die Drucke mit Schrift ab- 
ziehen. Da diese naturgemäß erheblich billiger als die 
frühdrucke sind, so wenden sie sich weniger an die begü 
terten Piebhaber, als an jene breite lllasse des Publikums, 
die ihrer Kunstfreudigkeit nur beschränktere Opfer darzu 
bringen oermag. 
Der Pinienstich trägt, sofern ein bewährter Kleister 
den Grabstichel geführt hat, ein edles, großes, monumen 
tales Gepräge. Seit Dürers Zeit bis auf unsere Tage ist 
Großes in ihm geleistet morden, für Werke klassischer 
Kunst, deren Bedeutung nicht ausschließlich in einem nuancen 
reichen Kolorit, sondern ebensosehr in der Zeichnung liegt, 
ist er ein adäquates künstlerisches Überseßungsmittel, wie 
es schöner nicht gedacht werden kann. Cs ist jammer 
schade, daß sich die Teilnahme des Publikums «on ihm 
abwendet und hiemit seine Pflege unter den Vertretern 
der graphischen Kunst nachläßt. 
Die allgemeine Gunst hat sich der Radierung zuge 
wandt. Die Radierung entspricht dem modernen kolo 
ristischen empfinden. Sie oermag sich freier, ungezwungener 
und malerischer zu ergehen, den mystischen Kampf zwischen 
Picht und Dunkel trefflich zu schildern, den strahlenden 
Glanz des Sonnenlichtes und das Gewoge der Schatten 
massen mit «ollem bestrickenden Reiz unserem empfinden 
zu übermitteln, die unzähligen feinheiten des Kolorits, die 
Cigenart der Pinselführung, das Intime des Gemäldes wieder 
zugeben und dabei die subjektioe Auffassung und künst 
lerische fähigkeif des Rleisters, welcher die Radiernadel 
führt, zum Ausdruck kommen zu lassen, lind noch mehr: 
in der form der Original- oder RJalerradierung gestatte
	        
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