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Internationale Sammler-Zeitung. 
Rümmer 18 
rieht erschien uon seinem Schüler Viktor Grofj und ein neunter 
non Jakob Heierli, uielche neben dem zuerst Genannten sich einen 
berühmten Flamen in der Pfahlbauforschung ereuorben haben. 
Als eigentümliche Erscheinung konnte festgestellf inerden, dalj die 
Pfahlbauten der Westschweiz die jüngere Steinzeit, in tnelcher die 
Siedelungsart, auf schimmernden Seeflächen, umgeben uon dichtem, 
schattigem Uiiuald und sumpfigen Fliederungen, seine Behausung 
aufzuschlagen, zuerst auftritt, überdauern und noch bis in die 
späte Eisenzeit hinein besiedelt sind, so dafj selbst die jüngere 
Eisenzeit noch nach einer ausgedehnten Pfahlbaute den Hamen 
La Tem Periode erhielt. Anders dagegen ist es in der Ostschweiz 
und in den österreichischen Seen, eno man aus dem JTlangel an 
Bronzefunden schließen mufj, daf; diese Besiedlungsart mit dem 
Ende der Steinzeit uerschruindet. Wenn auch oereinzelte Bronze 
funde gemacht courden, so z. B. hat der Schiffmeister Theodor 
Wang aus Seerualchen am Httersee an der Stelle der daselbst 
einstmals gegen die Ager zu gelegene Pfühlbaute Dar einigen 
fahren zmei bronzene Geroandnadeln gefunden, roelche ihr Be- 
siljer Herr Ferdinande uon Peratoner dem ITluseum des Vereines 
„Deutsche Heimat“ in Kammer geschenkt hat, so sind diese als 
aus dem Süden importiert anzusehen, ln Österreich hat Graf 
Gundakar Wurmbrandf zuerst 1864 mit seinem Freunde, dem 
um Kunst und Wissenschaft hochuerdienten Grafen Hans Wilczek 
senior gemeinsame Flachfcrschungen in den Alpenseen, haupt 
sächlich im Attersee, uorgenommen. Er tuies zu Seerualchen beim 
Agerausflusse, zu Attersee, Aufham, sowie zu Weyregg, und 
Puschacher Pfahlbauten nach. Eine grofje menge uon Steinarte 
fakten, durchbohrter und undurchbohrter Hämmer, Äxte und Beile, 
Geräte aus Hirschhorn und zahlreiche Gefäijreste, roaren das Er 
gebnis seiner mit der Baggerschaufel uorgenominenen Unter 
suchungen. 1872 hat Regierungsrat Dr. 111. llluch zu Sec am 
Alondsee eine ausgedehnte Pfahlbauansiedlung nachgeruiesen und 
noch heute sieht man am Seegrunde Gruben dicht aneinander 
gereiht, die Spuren der Forschungsarbeit des uerdienstuollen, im 
Vorjahre oerschiedenen Forschers. 
Wir finden die Pfahlbauten in ganz Europa, mit Ausnahme 
des hohen llordens und Ostens oerbreitet; auf der Balkanhalb 
insel findet sich diese Siedelungsweise noch zu tebzeiten Hero- 
dots im 5. Jahrhundert uor Christi Geburt uor, welcher uns in 
anschaulicher Weise uon dem Pfahlbau der Päonier am See Prasias 
in Thrakien berichtet. Die Pfahlbauberoahner mären Jäger, Hirten 
und Fischer und betrieben neben der Viehzucht in bescheidenem 
ITlafje Ackerbau. Ihre wichtigsten Haustieie sind Rind, Schaf, 
Ziege, das Schwein und der Hund; der Ackerbau lieferte Weizen, 
Gerste und Flachs, llach ethnographischen Analogien zu schliefjen 
ist es wahrscheinlich, dafj die Frauen sich mit dem Ackerbau be 
schäftigten, mährend die fflänner wohl uormiegend der Viehzucht, 
Jagd und Fischerei oblagen, ln der Hahrung waren sie nicht sehr 
wählerisch; neben dem Fleische des erlegten Wildes, der Haus 
tiere und Fische afjen sie alle Arten uon Baumfrüchten und Beeren, 
deren sie habhaft werden konnten. Den Pfahlbauten der Steinzeit 
hat man ein Alter uon 5000—7000 Jahren zugesprochen. Sooiel 
ist sicher, dafj sie lange Zeit bewohnt waren und ein wichtiges 
Glied in der Kette der Entwicklung menschlicher Kultur in unseren 
Alpenländern bilden. Aus diesem Grunde hat sich der Verein 
„Deutsche Heimat“ über Anregung seines rührigen Obmannes 
Herrn Dr. E. Stepan entschlossen, aus uolkserzieherischen Gründen 
als auch um den Fremdenoerkehr zu heben, ein steinzeitliches Pfahl 
baudorf zu rekonstruieren, dessen Eröffnung am 14. August zu 
Kammer am Attersee stattfand. 
Die Rekonstruktion wurde im sogenannten Sturmwinkcl in 
Kammerl unweit der Bahnstation und Dampferlandungsstelle er 
richtet. 5ie besteht aus 5 Hütten, welche auf 190 Piloten aus 
Cärchenholz ruhen, darüber ist der Rost aus Querbalken gelegt. 
Besonderes Gewicht wurde darauf gelegt, dal] nur ungeschältes 
Holz zur Verwendung gelangt. Die Hütten zeigen genau die Form 
der beiden wissenschaftlich fesfgestellten Typen des Blockbaues 
und Flechtbaues. Der Grundrifj der Hütten ist rechteckig, die 
Dimensionen der größten 5'8:5'1 m, die der kleinsten 47:575 m, 
der Flächenraum des Rostes beträgt 357'16 m*. Die Innenwände 
der Hütten wurden mit Cehm uerputjt, nachdem die Zwischen 
räume der Balken und des Flechtmerkes mit llloos ausgestopft 
waren. Zwischen den Hütten befindet sich, ein kleines Jdyll inmitten 
der traulichen, llloos uerkleideten und Schilf gedeckten Hütten, 
umrahmt uon dem bläulich wogenden See mit lachenden llfer- 
landschoffen, ein kleiner Hafraum mit einem Vorrat an Holz, das 
sich die Bewohner hiehergeschleppt, und einem Steinbohrapparat 
nach einer Rekonstruktion des Grafen Wurmbrandt 1875 gearbeitet, 
womit die Pfahlbaubemohner ihre Beile und Äxte zu durchbohren 
pflegten, ln ein Stück gespaltenen Baumstammes sind uertikal 
zwei Balken eingelassen, oerbunden durch ein Querstück, welches in 
der lllitte durchbohrt ist. Durch diese Öffnung ist ein an seinem 
Ende gespaltener Stab gesteckt und in diesen Spalt ein zylindrisch 
ausgehählter Endsprolj uon Hirschgeweih eingelassen, welcher die 
Durchbohrung erzeugt, wobei befeuchteter Quarzsand als Agens 
oerwendet wird. Das Pfahldorf ist durch einen 40 in langen Steg 
aus Knüppelholz mit dem Festlande oerbunden. 
ln Verbindung mit dieser Rekonstruktion hat der Verein 
„Deutsche Heimat“ ein üluseum im Schlosse Kammer errichtet, 
worin prähistorische Funde hauptsächlich aus der Pfahlbauära 
der jüngeren Steinzeit zu sehen sind. Flachbeile in nerschiedensten 
Größen und aus oerschiedenartigem material, durchbohrte Stein 
äxte und Hämmer in schöner und feiner Ausführung bieten sich 
dem erstaunten Beschauer dar, als Beweis großer, manueller Ge 
schicklichkeit oergangener Zeiten. Zahlreiche Überreste der Keramik 
aus Ton, welcher durch Beimischung oon Quarzkörnern gefestigt 
ist, sowie namentlich eine Reihe oon Getäfjbruchstücken mit Or 
namenten, die in das Gefäfj eingegraben und durch weilje Kalk 
füllmasse heroorgehoben wurden, machen den Besuch des ITlu- 
seuins zu einem lohnenden. Durch das Entgegenkommen der In 
tendanz des k. k. naturhistorischen Hofmuseums in Wien ist der 
Verein in der tage, dem Besucher des AJuseums auch eine Reihe 
oon Gypsabgiissen oon Werkzeugformen der Bronzezeit und Eisen 
zeit oorzuführen. Sehenswert sind ferner Flachbildungen oon Flecht 
werken der steinzeitlichen Pfahlbaute Robenhausen am Pfäffiker- 
see, welche Herr Direktor Gustao Funke der k. k. £ehr- und 
Versuchsanstalt für Korbflechterei und oerwandte Techniken dem 
museum geschenkt hat. Endlich sind noch Funde der La Tene- 
Periode zu nennen, welche aus einem oom ITluseumsleiter F. 
Sch en da aufgedeckten Tumulus zu Ober-Egg bei Pichlmang her 
rühren, 2 Gefäfje mit Graphit geschwärzt, welche Ceichenbrand 
enthielten, 2 Armspangen aus lapis lazuli, sowie eine Gewand 
fibel und ein eisernes Gürtelblech. 
ln rastloser Tätigkeit strebt der Verein darnach, das llluseuin 
zu einer Sehenswürdigkeit ersten Ranges auszugestalten und hat 
bereits die Genugtuung, darauf hinmeisen zu können, dafj sich 
das Ausland, selbst England und Amerika, für seine Unternehmungen 
am Attersee interessieren und telegraphisch Abbildungen der ge 
lungenen Rekonstruktion und eingehende Berichte oerlangen. Er 
gibt sich der frohen Hoffnung hin, dafj sowohl das Pfahlbaudorf 
als auch das ITluseum, welche den ganzen Tag über gegen geringes 
Entgelt der Besichtigung offen stehen, sich reichen Zuspruches er 
freuen werden.
	        
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