Rümmer 18.
Internationale Sammler- Zeitung,
Seite 281.
Chronik.
Flutographen.
(Balzacs flutographen.) Die französische Rkademie ist
in den Besiß einer wertuollen Sammlung uon Briefen Balzacs
gelangt, die ihr der Graf oon Coroenioul in seinem Testament
oermachf hat. Dieser war auf seltsame Weise in den Besiß der
kostbaren Rutographen gelangt. Br sah eines Tages einen Schuh
flicker, der sich seine Pfeife mit einem zusammengefalteten Brief
anzündefe. Die Tinte, mit der der Brief geschrieben mar, roar
bereits alt und oerblaßt, und die Schriftzüge hatten ein charak
teristisches Gepräge, sodaß der Graf den mann bat, sich das Papier
ansehen zu dürfen. Zu seiner Überraschung erkannte er Balzacs
Handschrift und Unterschrift, und er gab dem Hlann 20 Francs für
seinen Brief. Jct^t erzählte ihm der Schuhflicker, daß er noch eine
ganze Rnzahl uon diesen Briefen hafte und brachte dann auch einen
ganzen Haufen in einem Korbe angeschleppt, die er natürlich gern
dem Grafen um einen geringen Preis überließ.
(flutographen-Versfeigerung bei Henrici.) Der Ver
steigerung der lllusikerautographen aus dem Besiß oon Otto flugust
Schulz in Heipzig läßt das Antiquariat Karl ernst Hcnrici in Berlin W.
schon am 29. und 30. d. IR. eine fluktion oon flutographen bedeu
tender Personen des Weimarer Kreises, saroie heruorragender
Zeitgenossen, die persönliche oder literarische Beziehungen zu
Goethe und Schiller unterhielten, folgen. Der Katalog meist
nicht meniger als 1048 nummern auf, uon denen mir einige Pracht
stücke oon Goethe und Schiller selbst heruorheben möchten. Da
ist u. a. ein Jugendbrief Goethes an Boie. Der flltmeister spricht
erst oon geschäftlichen Dingen, dann schreibt er: „morgen ermart
ich Haoatern, den das Glück auch zu mir geführt.“ „Was ich drucken
lasse, ist: Die Heiden des jungen Werthers Geschichte und
Claoigo ein Trauerspiel. Das sind zmar nur Titels, ist unterdeß
zur Rachfrage. Wenn Sie die Cxempl. oon Gößen nicht los roerden
können, bringen Sie mir sie mit, oder schicken Sie mit Gelegenheit
auch oon den Biblischen fragen ein paar Duzzend, freylich möcht
ich nicht uiel Porto zahlen.“ Interessant ist auch ein Brief Goethes
anJacobi. Gs heifjt da u. a.: „möge Deutschlands Horizont sich
immer mehr aufhellen und der gereinigte Äther, besonders auch
Bemohnern nachbarlicher Städte, die Hust erregen sie mieder, mie
oormals, persönlich und schriftlich, das Gute mitzuteilen, mas Sie
bcniißon und heroorbringen. Gern murd ich die trüben isolierenden
Zeiten oergessen, menn in unseren Gegenden mieder ein Aufblühen
gemeinsamen Wirkens erlebte, mie ich es fand, als ich oor oierzig
Jahren hieher (Weimar) zum Besuche kam, ohne Ahndung, dal) ich
in diesem Bezirke so oiel genießen und leiden sollte.“ Schiller ist
mit Briefen an Crusius und Zelter oertreten, denen gegenüber er
sich über die ihn beschäftigenden Aufgaben ausspricht. Von Her der ge
langen sechs Briefe und einige lJofizblätfer mit Aufzeichnungen sprach
wissenschaftlichen Inhaltes, oon Theodor Körner Briefe anseinen
Vater, soroie IRanuskripte, darunter die erste Riederschriff des
Versspiels „Die Blumen“ zur Versteigerung, das der Dichter für die
Töchter Wilhelm oon Humboldts geschrieben hatte. Wir finden in
der Sammlung Briefe uon fichte, Jean Paul, IRusäus, Ricolai, Ro-
oalis, Rückert, Schelling, Chr. fr. Schubert, Schwab, der Stael,
Charlotte oon Stein, der beiden Stolbergs, dem IRusiker Streicher,
dem fluchtgenossen Schillers, H. P. Sturz, Thorroaldsen, Tieck,
Tiedge, Uhland, Varnhagen oon Cnse und seiner Gattin, der geisf-
oollen Rahel, Joh. Heinrich Voß, dessen Gattin Grnestine, geborene
Boie, und deren Sohne Heinrich, oon Goethes Schwager Vulpius,
Christian felix Weisse, Wieland, marianne oon Willemer, geb. Jung,
mit der Unterschrift ihres niädchennames, Pius Alex. Wolff, Caro
line oon Wolzogen, Zachariä, Zelter u. o. a.
Bibliophilie.
(Die Bibliothek des Ceibapafhekers Kaiser IRaxi-
milians.) Aus Berlin wird uns berichtet: Roch oor Ablauf des
Jahres gelangt im Antiquariat J. fl. Stargard die reichhaltige
Bibliothek des Dr. Kafka, des Heibapothekers Kaiser maxirnilians
oon IRexiko, zur Versteigerung. Unter ihren Seltenheiten seien
zwei nach nicht publizierte mexikanische Bilderhandschriften
ermähnt, die aus dem Anfang des 16. Jahrhunderts stammen.
Des weiteren enthält diese Bibliothek interessante Urkunden, die
sich u. a. auf Kolumbus beziehen, fluch Schriften oon und über
rflaximilian oon IRexiko, die mit dem Wappen des unglücklichen
Kaisers geziert sind, finden sich in dieser Sammlung.
(Reuerwerbungen der könig liehen Bibliothek in
Berlin.) Die königliche Bibliothek in Berlin hat, wie wir dem
soeben erschienenen Verwalfungsbericht für 1909 10 entnehmen,
in leßfer Zeit wieder sehr mertoolle Bereicherungen ihrer Bestände
zu uerzeichnen gehabt. So erfuhr die Druckschriftenabfeilung
(Direktor Professor Dr. Paalzow) einen wichtigen Zuwachs durch
eine grof3e Zahl älterer und ältester Drucke des 16. und 15. Jahr
hunderts, die zumeist aus der ehemaligen königlichen Bibliothek in
Crfurt stammen. Cs sind darunter: ein 27zeiliger Donat in der
„Kalenderfype“, ein 31 zeiliger flb'aßbrief oon 1454 (Crfurt), der
pollständige und oorztiglich erhaltene Druck der Bulle des Papstes
Calixt 11J. o. J. 1456 gegen die Türken (deutsch), einige oerwandte
Stücke überließ die Stadtbibliothek in Trier, die außerdem aus
ihren Dubletten mehr als 100 Inkunabeldrucke zur Verfügung stellte,
wodurch die an sich schon stattliche Sammlung der königlichen
Bibliothek an Kölner Wiegendrucken außerordentlich bereichert
wurde, Außerdem wurde eine Anzahl Inkunabeldrucke in Cinzel-
käufen erworben, darunter Johannes Chrysostamus: Snpor psalmo
quinquagesimo oon 1466, der älteste datierte Kölner Druck, ein
Missalo Misnense. JRainz: P. Schaffer 1485, eine Biblia latina.
Venedig 1478 u. a. m Aus der oon Otto Harrassoooiß auf den
IRarkt gebrachten Sammlung des französischen Geistlichen W.
Jackson wurde eine Reihe meist ausgezeichnet erhaltener Ausgaben
Huf tierischer Schriften und andere mertoolle und seltene Drucke
aus der Reformationszeit erworben. Von der bekannten Schrift
„Deutschland in seiner tiefen Crniedrigung“, die dem Buchhändler
Palm das leben kostete, wurde eins der wenigen erhaltenen Gxem-
plare der zweiten uermehrfen Auflage, die der Drucker bei der
Rachricht oon der Grschießung Palms in einen Brunnen oersenkt
hatte, in einer fluktion ersteigert. Ginen merfoollen Zuwachs brachte
ferner das Vermächtnis des 1909 in Gries bei Bozen oersforbenen
Rousseauforschers Prof. Albert Jansen, der der Bibliothek nicht
nur seine ausgemählte Büchersammlung (mehr als 1800 Bände), son
dern auch seinen handschriftlichen Rachlaß, darunter zahlreiche Briefe
oon bekannten literarischen Persönlichkeiten, hinterließ. Gin ähnliches
Vermächtnis (2000 Bände und zahlreiche flutographen) fiel der
Bibliothek oon einem frühoersforbenen jungen Philologen und Buch
händler Dr. Richard Böttcher zu. Unter den Ginzelspenden, die
der Druckschriftenabteilung ebenfalls eine Reihe z. T. mertuoller
und seltener Werke zuführten, sind zu nennen: die Geschichte der
familie Hessing oon flrend Buchholß, die Geh. Justizrat Hessing
überwies und das Werk oon A. Gerste „Notes sur la medecine et
la botaniqne des anciens Mexicains“, das der Duc de Houbat der
Bibliothekzugehen ließ. Herr Dr. IRax Ginsberg in Berlin schenkte
arabische Werke aus dem Rachlaß des in Arabien ums Heben
gekommenen forschungsreisenden Burchardt. Die Zahl der buch
händlerischen Pflichtlieferungen hat wiederum bedeutend zuge
nommen; sie ist oon 14.743 Bänden im Vorjahre auf 16.583 Bände
gestiegen. Die Vermehrung der Han dschriftenabfeilung (Direk
tor Prof. Dr. Stern) betrug im Berichtsjahre 325 Buchhandschrittem