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Hummer 3 
Inter nationale Sammler-Zeitung. 
fausts Gedanken, lachte wie .Siegfried, facht wie lTlacbeth und litt i 
mie Oedipus an der zweifelhaften Weisheit der Götter. Das mar 
seine Wirklichkeit, und es ist anzunehmen, daß die unsere ihn 
herzlich wenig anging. Handel und Wandel, Politik, Gesellschaft, 
Zeitung, jedes Interesse des Tages blieb ihm uermutlich fern und 
unuerständlich. Der Künstler hat uns immer nur gegeben, ohne zu 
empfangen, und er lebte für sich, in sich wie ein lllensch, der 
seinesgleichen nicht findet, wie der Überlebende eines Dynasten 
geschlechtes, der nur mit der Vergangenheit oerkehren kann. Sein 
schwer zugängliches Heim hatte er mitten im Getriebe der großen 
Stadt, aber ihre laute flöhe beunruhigte ihn nicht, eben weil sie 
ihm gleichgültig blieb. Von außen gesehen war es eine Kliets- 
wohnung, mie tausend andere, die das moderne Bedürfnis gleich 
mäßig heroorbringt, ober innen war es ein Palast, eine Kapelle, 
eine Trinkstube, eine Rüstkammer, bei allem Reichtum des Ein 
zelnen, Seltenen und Kostbaren etwas durchaus Einheitliches, ge 
prägt durch das Verlangen einer bis zur Wildheit großartigen 
Persönlichkeit nach prunkender Kraft. 
Es war ganz natürlich, daß JTiatkowsky sammelte, und wer 
den Künstler kennt, wird sofort wissen, was er seiner Ilatur nach 
sammeln mußte. Er liebte das Volle, Schwere, Prächtige, und selbst 
eine Renaissancenatur, siedelte er sich in der Zeit an, die uns be 
sonders männlich und kroftuoll scheint, in der Zeit seines Shakes 
peare, die die mächtigsten Künstlernaturen, die unbedenklichsten 
Helden und Eroberer heroorgebracht hat, beoor die europäische 
Gesellschaft höfisch und dann bürgerlich wurde. Seine mit sicherem 
Geschmack gepflegte lleigung ging auf gotische Skulpturen der 
reifen Spätzeit des ausgehenden ITliftelalters, oor allem aber auf 
die Heroorbringungen der Renaissance, ob es nun niederrheinische 
Truhen, Danzinger Silbergeräte, italienische ITiajoliken oder fland 
rische Gobelins waren. Die Eitelkeit hat bei diesem Sammler gar 
keine Rolle gespielt; er pflegte seine Schöße nicht zu zeigen und 
auszustellen. Sie mußten ihm dienen als seiner Persönlichkeit an 
gemessen, sie schufen ihm die charakteroolle Umgebung, die selbst- 
genügsame Abgeschlossenheit, in der die Gebilde seiner Phantasie, 
die Wandlungen seines Genius durch die Seelen oon so uielen 
Helden und Königen sich gestalteten. Jn dieser Rüstung dachte er 
sich seinen Percy, mit jener Armbrust bewaffnete er seinen Teil, 
dei schwere Humpen war für Göß geräumig genug, und das 
würdige Pergament hätte faust entrollen können. Es war keine 
Sammlung im gewöhnlichen Sinn, womit immer der Begriff des 
konkurrierenden Wetteifers oder der Schaustellung oerbunden 
bleibt, es war die höchst persönliche und natürliche Vergegen- 
ständlichung eines ITtenschen und Künstlers, der sein Geseß nicht 
com Tage nahm, der sein ITtaß zeitlos oon allem Großen empfing. 
Der Kleister ist tot, und die geheimnisoolle Werkstatt, die schon 
bei seinen febzeiten die fegende umwisperte, hat sich geöffnet. 
Alles, woran sein Königsauge hing, worüber seine Hand zärtlich 
zu streifen pflegte, oerstreuf sich nun in die Welt, und es ist, ols 
ob er zum zweiten ITtale uon uns ginge. 
Wir reproduzieren hier aus dem uon der firma fepke in 
Berlin ausgegebenen Auktionskatalog drei Objekte. 
figur 6 zeigt eine kleine llußholztruhe in rechteckiger farm 
mit reichem, durchbrochenem Eisenbeschlag, mit Rot unterlegt. Die 
Innenseite des Deckels eingelegt mit hellem und dunklem Holz, 
geometrisches Illuster, mit Elfenbeinknöpfchen belebt und ebenfalls 
reich durchbrochener Eisenbeschlag. Die Innenwände haben auf 
drei Seiten etagerenförmig übereinanderstehende, kleine Schub 
kästen und oerschließbaren Behälter; jede Kastenfüllung mit hellem 
und dunklem Holz eingelegt. 
Die Truhe stammt aus Oberitalien. Entstehungszeit, um 1500. 
(H. 50 cm, Br. Qo cm, T. 55 cm.) 
figur 7 und 8 sind zwei gotische findenholzgruppen, mit 
alter Vergoldung, die den Tod und das Begräbnis der JTlaria dar- 
, stellen. Die sehr guten fränkischen Arbeiten gehören dem Anfang 
des 16. Jahrh. an. (H. 52 cm, Br. 86 cm.) 
r 
Die Heueru/erbungen der königlichen fTluseen in Berlin. 
Die königlichen Kluseen haben, wie wir dem Januarheft 
der „Amtlichen Berichte aus den königlichen Kunstsammlungen“ 
entnehmen, in leßter Zeit wieder eine Reihe bedeutender Erwer 
bungen gemacht. 
Auf dem Gebiete der deutschen Plastik ist ein Relief mit 
der heiligen Familie aus der Werkstatt des Ulmer Hochaltars be 
sonders heoorzuheben, das in das Kaiser Friedrich-ITluseum 
gelangte Huf einem großen Throne sißen links JTlaria, das nackte 
Kind auf dem Schoße, das in der finken einen Apfel hält, den es 
betrachtet und die Rechte gleichsam segnend erhebt. Rechts sißt 
die heilige Anna, die Arme nach dem Kinde ausstreckend, um es 
zu sich herüber zu nehmen. Hinter dem Throne stehen links 
Joseph, rechts die drei ITlänner der Anna. Das oorziiglich er 
haltene Relief gewinnt dadurch an kunsthistorischer Bedeutung, 
daß sich noch zwei weitere Darstellungen desselben Themas nach- 
weisen lassen, eins im Bayerischen nationalmuseum zu ITUinchen, 
das andere, nur zur Hälfte erhalten, in der forenzkapelle zu 
Rottweil Diese Exemplare sind einander nahe uermandt, doch 
stimmen nur je zwei Exemplare in einigen Zügen überein, während 
sie im dritten fehlen, was sich nur dadurch erklären läßt, daß 
alle drei Reliefs ein gemeinsames Vorbild haben, oon dem sie sich 
im einzelnen mehr oder weniger entfernen. Daß dies Urbild auch 
ein Relief gewesen sei, ist sehr zweifelhaft. Auch ein niodell ist 
als gemeinsame Grundlage nicht anzunehmen, da die ßenußung 
oon ITtodellen in den deutschen Bildhauerwerkstätten nicht Sitte 
gewesen zu sein scheint. Dagegen sind mehrfach Zeichnungen 
oon plastischen Arbeiten erhalten, die als Entwürfe angesprochen 
werden, und nach einer solchen Zeichnung, die immer in der 
Werkstatt blieb, und bei neuen Bestellungen wieder benußt wurde, 
scheinen die drei oerwandten Reliefs gearbeitet zu sein. Das 
älteste und zugleich am sorgfältigsten ausgeführte Exemplar ist 
das lllünchener Relief; das aus Rottweil ist bereits etwas schema 
tischer, und das Berliner Stück ist zugleich grober und derber, 
auch in den Proportionen nicht so fein abgewogen. Als Ent 
stehungsort der Gruppen ist Ulm anzunehmen, wo sie mit einer 
Reihe anderer o. rzüglicher Schnißarbeiten der Werkstatt des Hoch 
altars im Ulmer JlTünster entstammen, 
für das Kunstgewerbemuseum konnte ein Emailbild 
aus der Schule des llikolaus oon Verdun, der stärksten Künstler 
persönlichkeit unter den Goldschmieden romanischer Zeit, erworben 
werden. Es ist eine oben abgeschrägte Kupferplatte mit dem Bild 
des Eoangelisten Johannes, die in den linken flügel eines Trip 
tychons eingefügt zu denken ist. Solche Triptychen wurden in der 
zweiten Hälfte des XIII. Jahrhunderts uon den Emailkünstlern des 
IJlaasgebietes in größerer Anzahl geschaffen. Die Technik des 
Stückes ist durchaus die gleiche, die die Emailbilder des Kloster 
neuburger Altars aufweisen, den llikolaus oon Verdun laut In 
schrift 1181 oollendet hat. Wie dort, steht die figur in Vergoldung 
ausgespart auf blauem Grund, die rotweißen, um die figur oer 
streuten Rosetten sind in Zellentechnik eingeseßt. Auch die Innen 
zeichnung ist durchaus die gleiche, so ist z. B. in den ITTantelfalten 
des Johannes die farbenwirkung durch ein rot, blau und grün 
gesprenkeltes Email gesteigert, das am Klosterneuburger Altar 
auch sehr häufig ist, außerhalb der Werkstatt des llikolaus oon 
Verdun aber nicht nachweisbar ist. Eine eigenhändige Arbeit 
dieses Kleisters ist diese Johannesplatte allerdings nicht; Rikolaus 
hat seinen Stil oon 1181 bis zu den Bildern und figuren am 
Klarienschrein in Tournai oon 1205 nur wenig oerändert, der
	        
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