Zentralblatt für Sammler, Oebhaber und Kunstfreunde.
2. Jahrgang.
Herausgeber: Horbert Ehrlich und 3. Hans Prosl.
Wien, 1. ffiai 1910.
Hummer 9.
als Sammler.
Der Pechuogel
Von Alfred Deuts
'er da der Ansicht ist, dal} man zum Sammeln nichts
anderes braucht, als Geld und Verständnis, der
irrt geroaltig. Das Wichtigste für den Sammler
ist eine tüchtige Portion Glück. Ohne die mit
hilfe dieser freundlichen Göttin kann er ebenso-
roenig einen Erfolg erzielen, roie ein berühmter
Heerführer efroa oder roie ein Erfinder. Es gibt
nur roenige Sammler, die roirklich nom Glück
begünstigt sind, aber die ITlehrzahl der Pech-
oögel gesteht die ITlißgunst des Schicksals nicht
ein und denkt sich, es ist klüger beneidet, als
bemitleidet zu roerden. Diese Ansicht hat frei
lich etroas für sich. Pechuogel ist im Ceben
immer eine lustige figur, man bedauert ihn
und man lacht über ihn mit Thronen in den
Augen. Und nur dann, roenn Pechoogel selbst
sein Schicksal eingesteht, roenn er überlegen lächelnd das
Schicksal ruhig auffordert, roeiter zuzuhauen, dann roird
er sympathisch und kann auf das allgemeine ITlifgefühl
rechnen.
Ich stelle mich hiermit den Cesern der „Internationalen
Sammler-Zeitung“ als solch ein Pechoogel, der sympathisch
roirken möchte, oor. Seit Jahren befasse ich mich mit dem
Sammeln oon Kostbarkeiten aus aller Herren Fänder und
seit Jahren roerde ich in dieser Beschäftigung oom unoer-
schämtesten Pech oerfolgt. Schließlich habe ich mich an
diese ITlißgunst des Schicksals geroöhnt und roie andere
die Schöße ihrer Sammlungen zur Schau stellen, freue ich
mich, jedem Besucher die Dinge, die mich zu dem be
deutendsten Pechoogel unter den Sammlern stempeln, zu
zeigen.
tch beginne. Ich habe ein Dußend englischer Stiche,
die Sie an den Wänden sehen können. Vor acht Jahren
habe ich sie in einem Coden in Ventimiglia erstanden.
Ein freund roar mit mir und roir kauften gemeinschaftlich
eine Kollektion. Die feinheit der Zeichnung roar ganz un-
oergleichlich. Als ich die Stiche rahmen ließ, beglück-
roünschte mich der Vergolder, roas mir aber keine Über
raschung bereitete, denn er tut das jedesmal. Flach etroa
oierzehn Tagen bemerkte ich, daß meine Bilder „krank“
wurden, d. h. die färbe des Papieres oeränderte sich, es
rourde ganz gelb und später braun, die Ränder zerfielen
und der Restaurator erklärte mir, sie müßten beim Ein
rahmen oerdorben morden sein, jedenfalls sei nichts mehr
zu retten. Tatsache ist, daß die anderen Stiche, die mein
ch-German (Wien).
freund gleichfalls in dem Coden oon Ventimiglia erstanden
hat, oorziiglich er, alten sind und die Zierde seiner
Sammlung bilden.
Unter meinen Autogrammen befindet sich ein be
sonders interessantes Stück: ein Originalmanuskript Beet-
hooens. Ich erstand es oor oielen Jahren oon einem
Börsenbesucher, für den es infolge seiner oeränderten Ver-
mögensoerhältnisse keinen Sammlerroert mehr haben durfte.
Der Preis roar spottbillig und ganz Wien beneidete mich um
diese Kostbarkeit. Der IJJann hatte auch ein Schubert-
ITlanuskript, das ihm oom englischen JTluseum abgekauft
rourde, ich selbst roar Zeuge der Unterhandlungen und
kannte auch den Preis, den der mann erzielt hatte. Olein
HJanuskript roar sehr gut erhalten, ich roar zroeifellos der
Besißer eines Bruchstückes des Ceonoren-Konzeptes. Ich
zeigte damals dem besten Wiener Beethooen-Kenner das
manuskript und nach eifrigen Studien und Schriftoergleichen
kam er zu der Überzeugung, daß das Stück tatsächlich
echt roar. Vor oier Jahren traf ich den Herrn roieder.
Der mann, oon dem ich den Schaß gekauft hatte, roar
unterdeß gestorben und nun sagte mir der oon mir er
mähnte Kenner: „Wissen Sie schon, daß der lüann —
er nannte den Verstorbenen — lauter fälschungen hatte?
Sie sind ja auch einer der Hereingefallenen 1“ Es stimmte,
ich roar hereingefallen, der Arme (er selbst glaubte ja
echte Schöße zu haben) besaß durchroegs Kopien, die ein
Schreiber damals für ein Wiener Orchester angefertigt
hafte. Dieser Schreiber bemühte sich nun stets, die Schrift
züge seines Komponisten haarscharf nebst seiner Unter
schrift nachzuahmen. Dadurch kam es zu der falschen
Ansicht, als seien die UJanuskripte echt. Was damals
meinen Schmerz ein roenig linderte, roar, daß das englische
JTluseum mit seinem Schuberfkauf auch aufgesessen roar.
Einmal kaufte ich aus dritter Hand in Berlin einen
Van de Velde. Spottbillig natürlich. Ich mußte gar nicht,
roie ich zu diesem Glück kam. Ein freund führte mich
in das Heim eines seiner Bekannten und dort sah ich das
Bild. Herrliches Wasser, rounderbare £uft und zroeifellos
echt. Die Flachroeise ließen sich kinderleicht erbringen. Ich
bezahlte und dann ging ich ins Hotel. Det Jeschäft roar
richtig.
Am nächsten Tag in aller frühe kam mein freund
zu mir ins Hotel. Er roar atemlos. „Du, roir sind einem
schrecklichen Gauner in die Hände gefallen, unser Geld ist
pfutsch.“ Ich lächelte: „Du kannst ruhig sein, diesmal