nummer 6
Internationale Sammler-Zeitung.
Seite 91
Bilder.
(Gemälde chinesischer meister.) Aus Condon wird
uns geschrieben: Das Britische Uluseum hat die überaus roertoolle
Sammlung oon Gemälden chinesischer ITleister, die eine Deutsche,
frau Olga Julie Wegen er mährend ihres Aufenthaltes in China
zusammengebracht hat, um 184.000 Alk. erruorben. ln der
Sammlung, die ca. 150 Bilder umfafjt, ist die chinesische Kunst
uam 8. bis 15. Jahrhundert uertreten. mehrere deutsche Aluseen,
denen frau Wegener die Sammlung anbot, hatten sie abgelehnt.
(Die fresken im Campo Santa zu Pisa.) Die berühm
ten fresken Benozzo Gazzalis aus dem Alten Testament, die die
Wände des Campo Santo in Pisa schmücken, befinden sich, rnie
R Papini im Bollettina d’Arte mitfeilt, im Zustande dauernden
Verfalles; nur eine radikale Kanseruierung könne den uälligen
Untergang der heroarragendcn Kunstroerke noch oerhindern
(Waffeaus „firmenschild“.) Aus Paris mird gemeldet,
dag der französische Generalinspektor der schönen Künste, Armand
Dayot, die Echtheit uan Watteaus berühmten „firmenschild des
Kunsthändlers Gersaint“, das Kaiser Wilhelm gehört und jef3t
auf der französischen Ausstellung zu sehen ist, angezrocifelt hat.
Diese Behauptung ist durchaus nicht neu; so ist sie z B. auch
oor einiger Zeit uan Gustaoe Babin ausgesprochen morden, der
in einem Aufsatz der „Illustration“ ausführlich die Geschichte des
Werkes erzählte und dabei die Bedenken gegen Watteaus Autorschaft
heroorhab. Im Jahre 1721 kam Watteau, der schon schmer krank
nach Condon gereist mar, in höchst bedenklichem Gesundheitszustand
nach frankreich zurück, uöllig gebrochen uon dem bösen englischen
Klima, aber uon einer glühenderen Ceidenschaft für seine Kunst durch-
zittert denn je zuuor. Damals machte er seinem freunde Gersaint, dem
Kunst- und Antiquitätenhändler an der flotre Dame-Brücke, den Vor
schlag, er trolle ihm, um sich „die finger gelenkig zu erhalten“, ein
prächtiges firmenschild für seinen Coden malen, oder noch besser
eine Art „plat font“ zum Schmuck der lllauern. Gersaint roollte
zunächst nicht darauf eingehen, roeil er eine solche Arbeit des
hochuerehrten Kleisters nicht für rnürdig hielt. Aber Watteau blieb
bei seinem Entschlüsse und machte sich sogleich ans Werk. Der
Kunsthändler erzählt selbst mit roelch fabelhafter Geschroindigkeit
der grofje Kleister an diesem seinem letjten Werke arbeitete: „es
mar eine Arbeit oon acht Tagen und dabei arbeitete er nur am Vor
mittag“. Watteau sel3te sein ganzes reifes Können ein und mar
uon dem Werke höchlich befriedigt. „Cs ist diejenige seiner Arbeiten“,
schreibt Gersaint, „die am meisten seine Eigenliebe reizte.“ Das Bild,
das das allgemeine Entzücken des Publikums erregte, enthielt zmei
symmetrische Kompositionen, zmei Szenen, aus dem alltäglichen
Ceben in dem Kunstladen kühn herausgegriffen, die die Zukunft
uon einander trennen sollte, nicht lange blieb das firmenschild
am Platte, für den es gemalt mar. Es entzückte einen Kunstlieb
haber, den Rat de Saint-Port so sehr, dafj er es kaufte. Aus
seinem Besitj ging es in den des Herrn de Julienne über, der einer
der begeistertsten Verehrer Watteaus gemesen mar. Julienne lief)
uon dem Gemälde eine Radierung uon Aueline anfertigen und
ueranlafjte den besten Schüler Watteaus, Pater, uielleicht um dem
Radierer sein Amt zu erleichtern, eine Kopie zu machen, die sich
heute im Besif; uon Edgar Stern befindet. Wir dürfen annehmen,
dafj in diesen beiden erhaltenen Clachbildungen eine genaue Wieder
holung des firmenschildes oor uns liegt, mie es aus den Händen
des Kleisters heroorging. So mar das Bild menigstens in einem
schwachen Abglanz der nachroelt erhalten, denn das Gemälde uer-
schroand plötzlich und schien lange uerloren. Bei dem Verkauf der
Sammlung Julienne im Jahre 1767 murde es nicht aufgeführf.
Jedoch bestand die Vermutung, dafj es sich in Berlin befinde, und
diese Vermutung geroann hohe Wahrscheinlichkeit durch einen
fund, den der grofje Erforscher des Rokoko, Edmond de
Goncourt, 1875 machte. Er entdeckte den Verkaufskatalog einer
bedeutenden Sammlung, die der bekannte Kunstliebhaber Abbe
Guillaume 1769 oeräufjert hatte. Darin mar die linke Seite des
firmenschildes aufgeführt. Durch einen Cesefehler glaubte er auch
festzustellen, dafj sie nach Berlin uerkauft sei und hielt so für er
wiesen, daf; das ganze firmenschild im Besitz des Kaisers, „in
zmei Rahmen im alten Palais zu Berlin, im roten Saal, Zimmer
Elisabeth, befindlich“, das echte Werk Watteaus sei. Diese ganze
Beweisführung mird dadurch hinfällig, dafj sich die beiden Teile
des firmenschildes schon 1760, 9 Jahre uor dem Verkauf der
Sammlung Guillaume, im Charlottenburger Schloß befanden, mie
aus einem Brief des Klarquis d'Argens an friedrich den
Großen heroorgeht, de seinem Herrn die glückliche Errettung des
firmenschildes uor den Plünderungen der Österreicher mitteilt.
Außerdem stimmen die Alaine des Berliner Bildes nicht mit den
Klafjen überein, die in dem Katalog Guillaumes angegeben waren.
IJun soll die linke Seite aus der Sammlung Guillaumes heute
nachgemiesen sein, sie befindet sich im Besitj uon Ceon KliHiel
te uy, und mird als das echte Stück den Bildern des Kaisers, die
für zeitgenössische Wiederholungen gehalten werden, gegenüber
gestellt. Gegen die Echtheit der Berliner Bilder werden aufjer der
subtileren Technik, die sich mit der Schöpfung des Werkes in acht
Tagen nicht oereinigen läfjt, und dem kühleren, matten Kolorit die
bedeutenden Unterschiede in der Komposition angeführt, die sie
uon dem Stich Auelines und der Kopie Paters unterscheiden. Die
Hintergründe der beiden Wiederholungen sind höher und mit mehr
Gemälden bedeckt. Das Bild, das uon geschäftigen Dienern in eine
Kiste gepackt mird, trägt auf dem Berliner firmenschild die Züge
Cudroigs XIV,, mährend es bei Aueline und Pater irgend ein be
liebiger Kopf ist. Auch uermifjt man auf dem Berliner Exemplar
eine genaue Symmetrie der Klauern, die auf dem Originalmerk
natürlich uorhanden mar und die auch bei der Trennung der
beiden Teile erhalten bleiben mufjfe.
Handschriften.
(Ankauf uon Theatermanuskripten). Die Hofbibliothek
in Wien hat oom früheren Direktor des Badener Stadttheaters
A. Schreiber den alten fundus uon Bühnenmanuskripten des
Badener Theaters erworben. In dem über 700 nummern zählenden
Bestände findet sich auch das unbekannte Jugendstück Anzen
grubers „Die Eibelle“ in eigener Handschrift, sowie zahlreiche,
nie gedruckte Volksstücke oon Berg, Berla, Elmar u. a. und
über 200 Partituren, darunter die Jugendmerke Klillöckers, die
kleinen Operetten Offenbachs u. a.
(Eine Chronik aus dem 12. Jahrhundert.) Aus Darm
stadt mird gemeldet: Bei der Sichtung uon Vermaltungsrechnungen
aus dem 17. Jahrhundert fand man bisher unbekannte Bruch
stücke einer Chronik des Bistums fulda. Die noch gut erhaltenen
Pergamentteile stammen aus dem zwölften Jahrhundert und geben
Teile einer Schilderung des dritten Kreuzzuges unter friedrich
Barbarossa wieder.
Käfer und Schmetterlinge.
(Der bedeutendste Käfersammler Amerikas.) In
Washington ist am 17. februar Henry Ulke, der an der Bewegung
des Jahres 1848 in Deutschland heruorragenden Anteil genommen,
hochbetagt gestorben. Von Beruf Porträtmaler, pflegte Ulke mit
grofjem Eifer naturwissenschaftliche Studien. Seine Käfer
sammlung galt als die bedeutendste in den Vereinigten Staaten.
Sie umfafjte mehr als 25.000 Arten und über 100.000 Exemplare.
Es dürfte kaum eine der in den Vereinigten Staaten uarkominenden
Arten darin gefehlt haben. Die grofjartige Käfersammlung ist
schon zu Cebzeiten Ulkes durch Kauf in den Besitj des Carnegie-
Institutes in Pittsburg übergegangen.
(Die gröfjte Sammlung uon Kleinschmetterlingen.)
Über die dem Britischen Kluseum in Condon einoerleibte Klein-
Schmetterling-Sammlung des Cord Walsingham mird uns nach
gemeldet: Unter den unzähligen Schmetterlingssammlungen sind
solche, die sich auf die Kleinschmetterlinge beschränken, nicht
gerade häufig, und zwar aus mehr als einem Grunde. Die ansehn
lichen und oft so prächtigen formen der Grofjschmetterlinge reizen
das Auge und damit auch die Begehrlichkeit und den Sammeltrieb
weit mehr, und außerdem sind sie leichter zu fangen und leichter
uoneinander zu unterscheiden. Im Gegensatj dazu erfordert das
Sammeln uon Kleinschmetterlingen eine oiel gröfjtre Klühe und
Kenntnis. Daher ist es dem Cord Walsingham als ein besonderes