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Rümmer 13 
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nternationale Sammler-Zeitung. 
Der konstantinische Rubel. 
Aus dem Russischen non Cea mark (St Petersburg.) 
j)lte JTlünzen, die in einer mehr oder weniger 
roeit zurückliegenden Epoche geprägt wurden, 
haben gewöhnlich einen höheren als den 11a- 
minalwert. Doch gibt es münzen, deren £r- 
wähnung schon allein das Herz des Rumisma- 
tikers lauter schlagen läßt. Die Hälfte seines 
Besitztums würde er für die oon ihm gesuchte 
münze geben; ja es gibt sogar Sammler, die 
selbst oor einem Einbruch nicht zurückschrecken 
würden, nur um eine lllünze zu erhalten, die 
längst außer Kurs gesetzt ist und für die ihm 
der Krämer nicht einmal ein Päckchen Zündhölzer geben 
möchte. 
Zu solchen gesuchten münzen gehört unstreitig der 
sogenannte „konstantinische Rubel“, für einen solchen 
Rubel wird non Händlern und Sammlern 3000 Rubel ge 
boten. Der Glückliche, in dessen Besitz sich 10 solcher 
Rubelmünzen oorfinden würden, wäre der Eigentümer des 
recht ansehnlichen Kapitals non 30.000 Rbl., also ungefähr 
65.000 Rlark. Einen solchen Glückspilz aber gibt es nicht 
und kann es nicht geben, da sich auf dem ganzen Erd 
boden keine 10 Exemplare dieses Rubels auffinden lassen, 
wenn man freilich nicht die gefälschten mit in Betracht 
zieht, für die oon leichtgläubigen Sammlern horrende 
Summen bezahlt worden sind. 
Die Geschichte des „konstantinischen Rubels“ ist 
überaus interessant. Außer seiner Bedeutung in numis 
matischer Hinsicht ist er auch noch deshalb oon Wert und 
Wichtigkeit, weil er an und für sich einen ganzen Ab 
schnitt der Geschichte des Russischen Reiches darstellt, 
einen Abschnitt, dessen Inhalt uns auch heute noch nicht 
oollständig bekannt ist. — Es handelt sich im gegebenen 
falle um den Großfürsten Konstantin, den Zweitältesten 
Sohn Pauls I. und Bruder des kinderlos Derstorbenen 
Kaisers Alexander I., der zwar im Jahre 1822 auf das 
Thronfolgerecht oerzichtet hatte, jedoch bis zum Tode 
Alexander I. als Thronfolger angesehen wurde. 
Aus jener Epoche sind oiele Reliquien geblieben, 
doch wurden sie fast alle oernichfef. Vernichtet wurden 
die Porträts mit der Aufschrift: „S. Hl. der Kaiser Kon 
stantin 1.“, oernichtet wurden auch die Pässe, Befehle und 
andere Dokumente mit der Überschrift: „Im Ramen des 
Kaisers Konstantin Pawlowitsch“. 
Unter dem Wenigen, was seiner Zeit der Vernichtung 
entgangen ist, nehmen die silbernen Rubel mit dem Bild 
nis Konstantins die erste Stelle ein. Sie wurden im Ge- 
heimarchio des finanzministeriums aufbewahrt und waren 
im Caufe der Zeit in Vergessenheit geraten. Erst im Jahre 
1879 wurde Kaiser Alexander II. durch den Großfürsten 
Georg ITlichailowitsch, einem großen IRünzenfreund, der 
übrigens ein Exemplar für seine Sammlung geschenkt er 
hielt, auf diese oergessenen Silbermünzen aufmerksam 
gemacht. — Die Geschichte des „konstantinischen Rubels“ 
wird auf Grund einiger neuer forschungsergebnisse auch 
oon S. f. Cibromitsch in dem kürzlich erschienenen Büch 
lein un1er dem Titel „Ein ungewöhnlicher Rubel“ be 
handelt.*) 
*) Über diese seltenste ITliinze des Russischen Reiches sind 
in dem Werke des Orofjfürsten Georg michailoitiifsch: „Die mün 
zen aus der Regierungszeit Kaiser tlikolaus I.“ ebenfalls Angaben 
nth alten. 
Am 27. Rooember 1825 traf in St. Petersburg durch 
einen feidjäger aus Togaurog die ITleldung uom Tode 
Kaiser Alexander I. ein. Alle waren der llleinung, daß 
dem Geseß gemäß der ältere Bruder des oerstorbenen 
Kaisers, der in Warschau weilende Großfürst Konstantin, 
den Thron besteigen werde. 
Sofort nach dem Eintreffen der Trauernachricht 
wurde der Befehl erlassen, den Treueschwur auf den neuen 
Kaiser Konstantin i. 'zu leisten. Als erster legte der 
zweite Bruder des Kaisers Alexander ]., der Großfürst 
Rikolaus, den Eid ab, der sich gleich darauf nach der 
Kaserne des Preobraschenski-Regiments begab, wo er seinen 
Bruder Konstantin zum Kaiser ausrief. Am gleichen Tage 
wurden nach ITloskau und in andere Städte feidjäger mit 
der Rachricht doh der Thronbesteigung Konstantins ge 
sandt. Überall wurde dem neuen Kaiser der Eid der 
Treue geleistet. 
Gleichzeitig begann man in St. Petersburg mit dem 
Druck oon Pässen, Befehlen und anderen Dokumenten, 
desgleichen wurde ein großer Vorrat oon Porträts ange 
fertigt, alles mit den eingangs erwähnten Aufschriften. 
In den Kirchen wurden Gebetsgoffesdiensfe für den 
neuen Kaiser Konstantin I. abgehalten usw. 
Von Tag zu Tag erwartete man die Ankunft des 
neuen Kaisers, damit er die Zügel der Regierung in seine 
Hand nehme. 
In der Zwischenzeit war auch an den IRünzhof der 
Befehl oom finanzminister Grafen Karikrin ergangen, 
kRünzen mit dem Bilde Konstantins zu prägen. 
„Das Volk muß sich so schnell ahe möglich an den 
Gedanken gewöhnen, daß es einen neuen Kaiser hat, und 
das b.ste "mittel, um das zu erreichen, ist möglichst oiel 
münzen mit dem Bildnis des neuen Kaisers in Umlauf zu 
bringen,“ sprach Kankrin. 
Der Stempel der neuen münzen war auf Anordnung 
des oorsorglichen Kankrin bereits früher oom IRedailleur 
des münzhofes, Reichel, hergesfellt worden und wurde 
im Geheimen in der Kanzlei des IRünzhofes aufbewahrt. 
Von diesen Stempeln ließ Kankrin sechs silberne Rubel 
prägen und sie dem neuen Kaiser nach Warschau zur Be 
stätigung absenden. Auf der Vorderseite der konstan 
tinischen Rubel befand sich das Kopfbildnis Konstantins 
nach rechts mit der oerkürzten Umschrift: „Von Gottes 
Gnaden Konstantin I., Kaiser und Selbstherrscher aller 
Reussen“. Unter dem Bildnis war die Jahreszahl 1825 
angebracht. Auf der Rückseite befand sich der Reichs 
adler oon einem mit Bändern umwundenen Corbeerkranze 
umgeben. Unter dem Adler auf einer h hoorstehenden 
fläche mar das Wort „Rubel“ angebracht. Der Kranz war 
umgeben oon der Inschrift: „Reines Silber 4 solofn. 21 doli“. 
Auf dem Rande: „Silber 83 1 ., Probe 4 sol, und elf fünf- 
undzwanzigstel doli“- 
Als der Offizier-Kurier Ssaburow nach einem oier- 
tägigen rasenden Ritt im Briihlschen Palais in Warschau 
anlangte und oorgelassen wurde, fragte ihn der Großfürst: 
„Was haben Sie für mich aus St. Petersburg mitgebracht?“ 
„Diese Schatulle und einen Brief Sr. Durchlaucht des 
finanzministers,“ war die Antwort. Der Großfürst öffnete 
sofort die Schatulle, und als er die Silberrubel mit seinem 
Bildnis und der Inschrift: „Konstantin 1., Kaiser und 
Selbstherrscher“ erblickte, warf er die münzen erzürnt auf
	        
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