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Internationale SammIer-1eitung. 
Hummer 15 
das bayrische rtatiandlmuseum u. a), als uielmehr in Deutsch- 
Oesterreich, wo außer in der Reichshaupfsfadt -- 001läufig 
überhaupt noch keine derartige Spezialsammlung größeren Stils 
uorhanden ist, die sich mit den obenerwähnten deutschen Samm 
lungen halbwegs messen könnte. 
Run gibt es aber gerade in Oesterreich noch ein weites, 
fruchtbares feld für solche Bestrebungen, ein Seid, das rationell 
zu bebauen für die berufenen Sektoren eine dankenswerte Auf 
gabe ist, auf dem aber bis uor gar nicht langer Zeit noch jeder 
nach Belieben schaltete und waltete. Wir meinen die reichen 
Schöße alter Volkskunst, die in den österreichischen Alpenländern, 
und namentlich in Thal zu finden sind. Säst müf3te man sagen: 
zu finden gewesen sind. Denn die schönsten Zeiten für die Anti 
quitätensammler- und Händler sind auch in Tirol schon längst 
Darüber. Was dazumal an mertoollen Stücken außer Tandes 
durch ganz Buropa und bis nach Amerika zerstreut wurde und 
oielfach leider auch in unberufene Hände kam, läßt sich heute 
kaum mehr feststellen. ITlan darf nur froh sein, dafj immerhin 
ein ansehnlicher Teil hieroon in deutsche öffentliche Sammlungen 
gelangte und solcherart noch in guter Hut geblieben ist. So meist 
z. B. das Germanische ITluseum in ITürnberg manches tirolisches 
Prachtstück auf. 
6s hat lange gedauert, ehe man in Tirol zu der Erkenntnis 
gelangte, daß durch den seinerzeit betriebenen Großhandel mit 
alttirolischen Kunst- und Kulturdenkmälern das Tand nicht bloß 
in ideeller, sondern auch in nationalökonomischer Beziehung 
schließlich zu empfindlichem Schaden kommen mußte Grst als die 
warnenden Stimmen sich immer lauter erhoben, ging man daran 
sich durch geeignete ITlaßnahmen oor weiteren Verlusten Zuschüßen, 
in zwölfter Stunde. Diese Umkehr uollzog sich anfangs freilich in 
aller Stille, bis es einem kleinen Kreise einsichtsuoller, für die 
Sache ehrlich begeisterter männer unter führung des nunmehr 
oerstorbenen Prof. Tapper in Innsbruck gelang, die Oeffentlichkeit 
für den wohlerwogenen Plan zur Grrichtung eines eigenen Tiroler 
Volkskunstmuseums in Innsbruck mehr und mehr zu interressieren. 
Das war oor siebzehn Jahren Das Don allen Verständigen 
mit frepden begrüßte und nach Kräften unterstüßte Projekt nahm 
denn auch mit der immer wachsenden Zahl seiner freunde bald 
greifbarere formen an. Und fraß der großen Schmierigkeiten, die 
sich dem Unternehmen in den Weg stellten, kam aus den schüch 
ternen kleinen Anfängen nach und nach eine Sammlung zustande, 
die heute schon so groß ist, wie keine zweite ähnliche Spezial 
sammlung in ganz Oesterreich. Wenn man diese reichen Bestände 
an hochintcrressanten Erzeugnissen alttirolischer Volkskunst und 
bodenständigen Gcwerbefleißes aus allen Stilperioden, aus allen 
kulturellen Entwiklungssfadien, die Tirol durchzumachen hatte, 
überblickt, so darf man sich des gelungenen Grfolges dieser so 
spät begonnenen Sammeltätigkeit ehrlich freuen. 
Das neue ITluseum, das den Tlarnen „ITluseum für Tiroler 
Volkskunst und Gewerbe“ führen wird, besißt heute schon ca. 30 
oollständig eingerichtete Stuben in Gotik, Renaissance, Barock, 
Zopfstil und bäuerlickcm Genre, nielleicht eine der weruollsfen 
Sammlungen dieser Art, die denn auch eine besondere Zierde des 
ITluseums bilden wird. Aus den übrigen Beständen seien hier nur 
die wichtigsten ermähnt: An Skulpturen sind neben alten Grab 
steinen, Votiubildern usm. auch eine menge interessanter Holz- 
skupturen uorhanden. Die Bisensammlung umfaßt Werkzeuge, 
Koch- und Küchengeräte, fenstergitter, Grabkreuze und dergleichen. 
Sehr reichhaltig ist die interessante Schlüsselsammlung, die so 
wohl kultur wie kunsthistorisch wertuolle Stücke aufweist, wie 
übrigens auch die Sammlung uon Bisenschlössern, Türbändern 
und Beschlägen. Bine Sqezialsammlung bilden die holzgeschnißten 
Karikaturen. Die Holztechuik ist durch wahre Prachtstücke non 
lllöbeln und die bekannte spezifisch tirolische Kerbschnitt-Technik 
durch schöne romanische, gotische Renaissance- Barock- und Ro 
koko-Skulpturen oertreten. Sehenswert wird ferner die große 
Zmnsammlung sein, ebenso die eigenartige Kollektion uon Glocken 
und Glockenriemen für Almoieh, Pferdegeschirren, Schellengeläuten 
Sensenscheiden und Weßsteinbehältern, die alle die alttirolische 
Kleinkunst besonders deutlich charakterisieren. Auch in der Krip- 
pensammiung befinden sich mehrere Krippen uon hohem Wert. 
Außer einer reichhaltigen Uhrensammlung sind auch noch große 
Bestände an Glasgemälden, ITliniaturen, alten Tiroler Porträten 
Trachtenbildern, Kostümen, Zunftgegenständen, ITlajoliken, Oefen, 
alten Textilien und Stickereien usw. usw. Dank einer großherzigen 
Stiftung eines Wiener Sammlers wird dem ITluseum seinerzeit 
noch eine sehr wertuolle Spezialsammlung alttirolischer Kunstge 
genstände und ITlöbel zufallen, und es wird an der Ausgestaltung 
der Sammlungen überhaupt rege meitergearbeitet. 
Beider sind diese reichen Bestände mit denen man jeßf 
schon ein großes Gebäude füllen könnte, derzeit erst prouisorisch 
untergebracht und daher der Oeffentlichkeit noch nicht zugänglich 
Gerade diese fülle an bereits uarhandenen Ausstellungsobjekten 
ist es nämlich, die die Cösung der Plaßfrage sehr erschwert. Ur 
sprünglich dachte inan an ein eigenes ITluseumsgebäude im Pa- 
uillonstil, für das der bekannte ITlünchener Architekt Professor 
6. o. Seidl bereits ein Projekt ausgearbeitet hatte. Wegen der hohen 
Kosten eines solchen Baues aber kam man hieroon wieder ab. 
Bin anderer Plan: das „Goldene Dachl“-Gebäude für diesen Zweck 
umzubauen und zu adaptieren, mußte ebenfalls aus uerschiedenen 
zwingenden Gründen wieder fallengelassen werden. Bin drittes 
Projekt, das allgemeinen Beifall findet, wäre die Vereinigung des 
neuen ITluseums mit dem bereits bestehenden Tandesmuseum 
„ferdinandeum“. Dieser Plan ließe sich durch einen entsprechend 
großen Anbau an das alte ITluseumsgebäude auch unschwer 
ausführen. 
Abgesehen uon der günstigen Situation des Gebäudes mitten 
in der Stadt, böte eine solche Vereinigung den besonderen Vorteil, 
daß die große Anzahl uon heroorragenden Kunstgegenständen, 
die sich im Besiß des „ferdinandeums“ befinden, zusammen 
mit jenen des neuen Volkskunstmuseums ein noch uiel interessan 
teres, uollkommeneres Bild der Bntwicklung tirolischer Kunst und 
Kultur im Wandel der Zeiten geben würden. Ob es zur Verwirk 
lichung dieses Projektes kommen wird, läßt sich heute leider noch 
nicht bestimmt uoraussagen. 
Wie immer indes diese leßfe frage gelöst werden wird, 
eines ist heute schon gewiß : durch das neue Valkskunstmuseum 
in Innsbruck wird nicht nur der so eigenartigen alttirolischen Volks 
kunst ein würdiges, ehrenoolles Denkmal geseßt, sondern auch 
die leider noch immer erst langsam fortschreitende Bewegung er 
heblich gefördert werden, deren schönes, dankbares Ziel es ist, 
auch das große Publikum allmählich zu erziehen zur richtigen Un 
terscheidung zwischen Echtem und falschem und zur pietät- wie 
genußuollen Erkenntnis der künstlerischen und kulturellen Bedeu 
tung jener uieluerkannfen Schäße aus unserer Uruäter Tagen. Und 
darum ist die Gründung dieses ITluseums nicht bloß für das 
Tand Tirol, sondern auch für ganz Oesterreich und für das deutsche 
Volk überhaupt uon nicht zu unterschäßender Wichtigkeit. H. TI. 
reSH 0 P£sl
	        
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