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Internationale Sammler-Zeitung.
hen oan gestanztem Blech oder lllessing gibt. Zu roelchen
entzückenden Erfindungen das feine Reßwerk der fiiigran-
technik führte, kann man an alten Rluseumsbeispielen
ersehen. Diese Technik ist so alt wie die Goldschmiede
kunst überhaupt, sie kommt in allen Epochen oor, im
Orient des Altertums ebenso gut roie in der Volkskunst
der friesen, im Bauernschmuck so gut roie in den Schaß-
kammern der Fürstinnen und Bürgerinnen seit der Hoch
blüte unseres Handwerks bis um die lllitte des neunzehn
ten Jahrhunderts. Wie konnte der heilige Brunnen dieser
Kunst oersiegen ? Trauer und Unroillen überkommt uns
bei dem Gedanken, dal] diese herrlichen Stücke fast nur
mehr museumsgut sind und dafj das Volk selbst in ent
legenen Händen den Sinn und Geschmack für diese Dinge,
den die Vorfahren noch besagen, oerloren hat und sich
für Schmuckbedürfnis mit der billigen ITtarktroare begnügt,
ja sogar diese oorzuziehen scheint.
Das hat die Reuzeit getan. Die lltaschine hat sich
der Sache bemächtigt und liefert Ringe, Ketten, Armbän
der, Schließen, Radeln, die einst das Ergebnis einer ge
dankenreichen und persönlich differenzierten Handarbeit
roaren, fabrikmäßigen (Rasse und natürlich entsprechend
billig. Der heutige Juwelier hat nichts weiter zu tun, als
die oon der IRaschine gepreßten, in der üblichen fabrik
mäßigen Härte und Glätte gelieferten Bestandteile zu mon
tieren. Das Publikum, das in diesen Dingen die richtige
Schäßung oerloren hat, glaubt noch immer Handarbeit zu
erstehen. Es ahnt nicht, daß die heutige Schmuckerzeugung
bereits oollständig industrialisiert ist und im Großbetriebe
erfolgt. Demgemäß hat auch die schöne form und der
gute Geschmack eine Einbuße erlitten, man schaßt nicht
mehr so sehr die fassen, die künstlerische Jdee als Diel
mehr den materiellen Wert. In der schlimmsten Zeit des
IJiederganges, die roir glücklicherweise schon überwunden
haben, diente der Schmuck oor allem nur proßenhafter
Schaustellung des Vermögens. Jm Gegensaß zur früheren
Kultur, die noch ihre freude an der künstlerischen Arbeit
hatte, schäßte man schließlich nur noch das sündenhafte
Geld, das sich in dem Schmuck repräsentierte, und beur
teilte ihn fast ausschließlich nach seinem marktlichen Real
wert. Die Jahrtausende alte Goldschmiedetechnik kam in
Verfall, und Vergessenheit; selbst auf dem Hände, wo der
Edelschmied noch sein kümmerliches Dasein fristet, blieb
auch die bäuerliche Kundschaft aus : er konnte der Kon
kurrenz der tRaschinen und der allgemeinen Geschmacks-
oerderbnis nicht standhalten.
natürlich konnte die Erhebung aus dem tiefen Ver
fall nicht anders erfolgen als aus den neuen Techniken,
denen bisher der künstliche Adel fehlte. In Paris hatte
ein Goldarbeiter oor etwa 20 Jahren damit angefangen,
neue naturalistische formen zu bilden, die dem Zeitge
schmack entsprachen, und die alten rfahrungen der Gold
schmiedekunst mit den neuen zu oereinigen. Auch er
schnitt Halbedelsteine, arbeitete das Gold in leichten, dün
nen Blättchen aus, schuf feine Hibellen, Schmetterlinge
und Skarabäen und erzielte ungeheuere Preise, reine fas
sonpreise, Er hat nicht nur eine neue formenweit für die
Schmuckkunst erobert, sondern er hat dem material wie
der den künstlerischen Adel gegeben, den es unter der
Herrschaft der IRaschine oerloren hatte. Dieser Künstler
war Rene H a 1 i q u e. fast gleichzeitig jedoch trat auch
eine Veredelung der fabrikarbeit ein, die sich neuen form-
anschauungen und Künstlerentroiirfen zugänglicher zeigte
als der alte Goldschmied, der nicht nur an der Technik,
sondern auch starr an der überlieferten form festhielt.
Die modernen Entwerfer und musterzeichner fanden in
den Schmuckfabriken freundliches Entgegenkommen, denn
diese arbeiteten für den IRarkt und roaren um so kon
kurrenztüchtiger, je mehr sie neues brachten. Es hängt
damit zusammen, daß die neuen Ideen sich zunächst in
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der billigen IRassenroare und in den unechten oersilber-
ten oder oergoldeten JRaterialien zeigten. Die kostbaren
Edelmetallsachen machten den Umschwung langsamer mit,
sie hielten sich lieber an bewährte formen, die das Ein
lagsleben zu überdauern oersprachen. Es trat jene Erschei
nung ein, die in dem leßten Jahrzehnt auf dem Gebiete
aller angewandten Künste eine atemlose Heße nach neuen
mustern meistens auf Kosten der inneren Giite bedeutet.
Eine dritte Reform der Goldschmiedekunst ging oon
England aus, sie beruhte auf den Anregungen der Kunsf-
apostel John Ruskin und William IRorris und be
zweckte die Wiedergenesung oder eigentlich Wiederer
weckung der alten fast oerloren gegangenen Handroerk-
techniken. Aber die englischen Goldschmiedgilden, die unter
der Hebung dieser führenden Geister und insbesondere
des ausgezeichneten Architekten E. R, Ashbee entstanden,
griffen nicht nur die alte Handroerksweise, sondern
mit ihr auch den alten Handwerksgeisf und die alten
Kunstformen wieder auf. Erst nach und nach, durch Werk
zeuge und material inspiriert, fanden neue Ideen Eingang
in diese erweckte Edelmetallkunst, doch keineswegs un
künstlerisch, sondern die alten Traditionen in sanfter
Weise roeiterentroickelnd. Sie liebten das Silber des Sil
berglanzes, das Gold des Goldglanzes wegen ; sie benüß-
ten die Halbedelsteine wieder, weil sie den Wert der far-
benschönheit für das Geschmeide erkannten. Das Kupfer
war ihnen in künstlerischer Beziehung ebenso roertooll
roie die Edelmetalle; der Wert der kunsthandroerklichen
Arbeit und der Idee sollte wieder erkannt und geschäßt
werden. Das material wurde so oerwendet, daß es seine
höchste dekoratioe Wirkung erreichte, das Goldgeschmeide
wurde roie beim alten Schmuck aus dünnen Blättchen
und Drähtchen aufgebaut und nicht aus dem oollen heraus
gearbeitet. Klan sieht aus den alten Beispielen, daß,
dünn und leicht behandelt, das Gold eine außerordentliche
Schönheit gewinnt. Ulan begann wieder roie einst die
Zeichnung aus kleinen Details zusammenzuseßen, die sich
als einfache formelemente wiederholen und ebenso kom
plizierte als edle Gebilde ergeben.
nicht nur an unserem Biedermeierschmuck, sondern
auch an den Werken der ältesten Epochen, der griechischen,
ägyptischen, mykenäischen, etruskischen, indischen und
romanischen hat man gefunden, daß Reichtum und Schön
heit der Zeichnung durch Wiederholung einfacher formen
heroorgebracht wurde. Die schönsten JRuster der Araber
und Perser sind nur durch Aneinanderreihung und Ver
bindung einfachster Elemente entstanden, durch geistreiche
Wiederholung und Wiederkehr aus flachgeflochtenen, ge
rippten oder kornförmigen Drähten, die, Seite an Seite
gelegt, an der Oberfläche festgelöfef und oftmals roie in
den etruskischen und griechischen Erzeugnissen mit win
zigen Körnern ausgefüllt wurden. Die Broschen, Schnallen,
Halsbänder und sonstiges Geschmeide aus allen früheren
Zeiten und Völkern weisen die gleiche handwerkliche Ge
schicklichkeit auf, so daß man oon einer ununterbrochenen
Lieberlieferung der primitioen IRefhoden oon den ältesten
Zeiten bis auf jene großmütterlichen Tage sprechen darf.
Das technische Einmaleins der Goldschmiedekunst,
aus der jene formensprache entwickelt wurde, ist uralt,
die Herstellungsmethoden der Kügelchen, des gesponnenen
Drahtes, der Punzen und der modeln sind unoerändert
geblieben und wurden dergestalt oon den englischen Kunst
gewerblern wieder aufgenommen und somit der weiteren
künstlerischen Pflege dargereicht. Das Beispiel hat auch
in Deutschland ein sehr erfolgreiches Rachstreben bewirkt
und so ist neben der eigentlichen immerhin wieder ge-
schmackooll gewordenen IRarktfabrikation die echte Gold
schmiedekunst im kleinen wiedererblüht, aus der der
Handwerker, der Künstler und der Hiebhaber die gleichen
freuden zu erhoffen haben.