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Volltext: Alte und Moderne Kunst V (1960 / Heft 10)

 
sein. Es handelt sich um Wesenszüge, die aus dem Persönlichkeitsgrund des 
Künstlers wachsen. Heiterkeit gehört zu ihm, wie das Sehaudern, die Angst 
vor der Unfaßbarkeit des Geschehens. Und immer wieder begibt er sich un- 
mittelbar vor die Natur, um sie in seinen Gesichtcn zu verwandeln. 
Das Thema der Versteinerungen tritt zum erstenmal 1944 auf („Versteinerter 
Wald"). Noch ist der Krieg nicht zu Ende. Eis und Versteinerung können den 
Schrecken, die Angst bedeuten. In einer Wüstenei mit Mondgebirgslandschaft 
am Horizont stehen zersplitterte und gleichsam fossil gewordene Bäume, aus 
denen Gliedmaßen ragen - Marterpfähle menschlicher Existenz. Ein Wesen 
im Vordergrund, halb Frau, halb Frucht, ist vereist und verdorrt. Ein riesen- 
hafter „Ruinenv0gel" (1945) lastet auf der zerstückten Stadt. Aus- 
geglüht ist eine „Landschaft nach dem großen Brand" (1946). Die Gebirge 
selber haben sich, wie die Figur im Vordergrund, in Fossilien verwan- 
delt. Die rauschenden und dabei einfachen Rhythmen von „Im schwebenden 
Gestein der Welle" leiten bereits zu dem monumentalen Lyrismus einer 
späteren Periode über. 
,.Lassct uns schwören im Schlaf" (1947), diese Darstellung einer steinernen 
geballten Faust, die ein Gesicht wird, eine „AugenfausW (Paul Celan), diese 
Schwurfingerszene von allergrößtem Ausmaß, welche sich denkmalhaft em- 
porreckt inmitten der Gebirgsdandschaft, ist ein Traummonument, eine 
Verheißung und Verklärung des Siegers der irrationalen Seelenkräfte, denen 
jene, wie die Surrealisten alle, sich im besonderen verbunden fühlt. Hekate, 
die Unterweltsgöttin, Göttin des Dunkcls, Tochter des Tartaros und 
der Nacht, regiert. Der „Trinitat" Kunst-Liebe-Freiheit wird ein Mahn- 
blatt gezeichnet (1946). 
Lyrisch war der Charakter der Malerei jenes von allem Anfang an. „Diese 
lyrischen, lächelnden, paradoxen, manchmal auch bedrückenden, immer aber 
ganz und gar unirdischen Dinger, Halluzinationen, Erhebungen, Überlegungen 
in Grau-Blau-Perlmutter-Weiß" (und Ocker-Erdhraun-Indischrot) preist Otto 
Basil, zu dessen Gedichtband „Freund des Orients" (Wien 1940) Edgar jene 
vier lichte, klare Holzschnitte beigesteuert hat. Der blendende Zeichner jene 
tritt unter andern mit der Folge von acht Originallithographien in Paul Celans 
„Edgar jene - Der Traum vom Traume" in Erscheinung (Wien 1948). 
Einen „ganz und gar malerischen Maler" hat Paul Westheim den Künstler bei 
allen seinen zeichnerischen Gaben genannt. Seit 1950 ist jenes Form sehr viel 
großzügiger, einfacher geworden. Die malerische Sprache wurde dichter, 
eindringlicher und zugleich geheimnisreicher. Die Poesie der Bilder hat 
eine Tiefe erreicht, die sie nie vorher hatte, die schöpferische Methode eine 
Konzentration und Unmittelbarkeit, ganz frei von jeglicher „literarischen" 
Überlegung. 
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