MAK
Hummer 18 
Internationale Sammler-Zeitung. 
Seite 281 
kunstfreundlichen männern zu Beginn des 19. Jahrhunderts 
das Verständnis gänzlich fehlte. Rur wenige, die über 
haupt der Hinterlassenschaft unserer Voreltern auf allen 
Gebieten ein größeres Verständnis entgegenbrachten, roie 
der Dichter Johann IRartin List er i, machten darin eine 
lobenswerte Ausnahme, mährend selbst patriotisch gesinnte 
ITlänner, roie Johann Kaspar L'aoater, bemüht waren, sich 
hochgestellten freunden im Auslände, so u. a. dem fürsten 
franz non Anhalt-Dessau, durch die Beschaffung solcher, 
selbst oon Orten hinroeg, roo ihnen eine historische Be 
deutung zukam, gefällig zu erweisen. Und in der Tat 
brachten die fremden, roeiche die neu erroadite Begeisterung 
für die Schönheit der Alpen und das Interesse für die frei 
heitlichen Institutionen des „Hirtenoolkes“, in unser Tand 
führte, diesen Kunstwerken ein oiel größeres Interesse ent 
gegen, als die einheimische 
Beoölkerung. Solche zu sam 
meln, auch wenn es sich für 
sie vielleicht nur um Anden 
ken und Kuriositäten handelte, 
war ihnen umso leichter, als 
Glasmalereien nach in den 
zwanziger und dreißiger Jahren 
des 19. Jahrhunderts fast auf 
allen. Auktionen der Antiquare 
zu 1 — 1 ’4 Gulden ausgeboten 
wurden. 
In jene Zeit fiel, roie 
wir den gütigen lllitteilungen 
eines schweizerischen Scheiben 
kenners oerdanken, auch die 
Grwerbung der nun bei Hel 
bing in UTünchen zur Auktion 
gelangenden Kollektion des 
Lord Sudeley. Gr schreibt 
darüber: „Gin englischer Po 
litiker und Amateurarchitekt 
erbaute damals den grandi 
osen herrschaftlichen Landsil] 
(IRansion) Toddington in Glou- 
cestershire, Gngland, mit 
einem Kostenaufroand oon über 
+■ 400.000 (8 millionen ITlark), 
für jene Zeit eine ungeheure 
Summe. Der Bau wurde in 
dem englisch-neugotischen Stil 
ausgeführt, dessen bekannteste 
Leistung das Parlamentsge 
bäude in London ist. Dazu 
pafjte ein Kreuzgang, für dessen 
fensterschmuck der Bauherr 
oiele Hunderte oon Schroeizer- 
scheiben nach Gngland kom 
men lieh; laut Tradition in der familie kamen eine 
größere Anzahl Kisten wegen schlechter Verpackung 
nach dem langen Transport in so beschädigtem Zustande 
an, dafj der Inhalt nicht mehr zu oerwenden war und 
weggeworfen wurde. Der fensterbestand in Toddington 
bildete also blolj einen Teil der wirklich aus der Schweiz 
dahin ausgeführten Scheiben. Anstatt diese täte quäle 
in die Kreuzstücke des Kreuzganges einzusehen, roie es 
in dem klassischen Lande für solchen fensterschmuck, der 
Schweiz, der fall war, (d. h. als blofj teilweise füllung 
der Öffnungen mit reichlicher weifjer Verglasung ringsum), 
lief) man Don englischen Glasmalern überreiche Renaissance- 
Architekturen und Ornamente als Ginfassung für die Schroei- 
zerscheiben unfertigen und so die Kreuzstücke oollständig 
mit farbigen Gläsern ausfüllen. Der Gindruck, den diese 
Anordnung an Ort und Stelle machte, war in seiner farben- 
■ Wirkung ein überwältigender, aber auch konfuser, und 
der Kontrast des gänzlich oerdunkelten Kreuzganges mit 
I den anstofjenden hellen Gängen und Räumen ein störender, 
was wohl mit dazu beigetragen haben mag, dafj der jetzige 
ßesiljer sich oon diesen Schäljen trennen konnte. — Ver 
glichen mit den drei bedeutendsten Sammlungen oon 
Schweizerscheiben, die in den letjten 30 Jahren am Kunst 
markt auftauchten, charakterisiert sich die Toddington 
sammlung folgenderrnaijen. Die 1881 in Basel oersteigerte 
Kollektion Biirki (Bern) enthielt ihrem Sammelgebiet ent 
sprechend eine ungewöhnliche Anzahl der seltenen, durch 
grofje Auffassung sich auszeichnenden Bernerscheiben aus 
dem Anfang des 16. Jahrhunderts. Die zehn Jahre später 
in Konstanz oerauktionierte Sammlung Vincent wies oiele 
: meistermerke der ostschweizerischen Glasmalerei aus der 
Renaissancezeit auf; die Gnde der zwanziger Jahre oon 
Zürich erst nach frankfurt und dann nach Schlaf] Groeditj- 
berg in Schlesien ausgeroanderte Sammlung llsteri, die 
1895 oon einem zürcherischen Konsortium zu Händen des 
Schweizerischen Landesmuseums aus freier Hand erworben 
wurde, zeichnete sich aus durch die zahlreichen und heruor- 
ragenden Arbeiten zürcherischer Glasmaler; die Toddington 
sammlung dagegen enthält eine ungewöhnlich grofje An 
zahl Scheiben aus Luzern, der Jnnerschroeiz mit Zug und 
Glarus und oiele interessante Bauernscheiben und Zuger 
Rundscheiben, roie sie in den Biirki- und Usteri-Kollektionen 
und auch der Vincentsammlung beinahe ganz fehlen.“ 
fig. 8,
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.