MAK
Zentralblatt für Sammler, Eiebhaber und Kunstfreunde 
Herausgeber: Herbert Ehrlich und 3. Hans Prosl. 
3. Jahrgang. Wien, 1. Oktober 1911. riummer 19. 
Die UUaffensammlung des Schriftstellers Dr. Karl uon Thaler. 
Von IHarcell Zappler (HJien). 
an macht einen schönen Spaziergang, wenn man 
Dr. Karl non Thaler in seinem stillen, zurück 
gezogenen Heim in Ober-St. Veit besucht, 
llach oar nicht langer Zeit fuhr die Dampf- 
framroay mit einem Waggon hinaus; jetjt hat 
die elektrische Straßenbahn bis dahin schon ihr 
ließ gespannt. Von der Endstation steigt man 
einen grünen Promenaderoeg hinauf, an dem 
kleine Villen in schattigen öärten liegen. Ulan 
kommt an der „Einsiedelei“ Darüber zu dem 
schmucken Villenhäuschen Dr. o. Thalers, das 
ich betrete. 
Bald bin ich in dem Arbeitszimmer des 
Schriftstellers, das den Eindruck eines Waffen 
museums macht. Wann und wie er Sammler 
rourde, ist meine erste frage. Und Dr. 
u. Thaler wiederholt: Wann ich Sammler 
rourde? Das roar Dar etroa dreißig Jahren, 
aber oar fünf Jahren habe ich zu sammeln 
wieder aufgehörf. Damals, als ich damit be 
gann, hatte ich einen guten freund, der ein 
leidenschaftlicher Waffensammler roar. Der 
betrieb es so arg und beschäftigte auch mich so 
sehr damit, daß seine Teidenschaft eines Tages auch 
mich ergriff. Ich ging zu einem Trödler, bei dem ich diese 
beiden alten Sattelpistolen in der Auslage gesehen 
hatte, kaufte sie und rourde Sammler. Bei diesen Worten 
ging Dr. d. Thaler auf die Wand neben dem fenster zu, 
nahm uon ihr zwei Pistolen herab, die er mir zeigte. Es 
sind große, schwere Pistolen, die auf dem Schloß den 
Flamen des Büchsenmachers f. Hitlinger und auf ihrem 
langen, braunen Tauf „Stackeran“ tragen. Dann eine 
andere Schußwaffe nehmend, sagte Dr, o. Thaler lächelnd, 
diese hier nenne ich gern „Dacklpistolen“. Es ist ein 
kleines, fast kugeliges Ding mit merkwürdig gebauten 
Hähnen. 
Während Dr. n. Thaler so spricht, halte ich ein wenig 
Umschau in dem Raume, der über und über mit Waffen 
behängt ist. Zwischen der langen Reihe oon Pistolen 
sehe ich einen schlanken Degen mit reich ornamentiertem 
Griff und langen Blutrinnen. Es ist ein Degen, wie ihn 
die oenezianischen Kaoaliere des 15. Jahrhunderts gern 
trugen, wenn sie Besuch machten und sich nicht den Rauf- 
ejegen an die Seite schnallen wollten. Da wieder ist ein 
merkwürdiges Stück und ein Beispiel Dielleicht für den 
seltenen fall, daß ein Objekt für jünger angemerkt wird, 
als es tatsächlich ist. ln dem Tauf des Degens ist nämlich 
die Jahreszahl 1731 eingezeichnef und man ist leicht 
geneigt, die zweite winkelige Ziffer für eine Sieben 
zu lesen. 
Zu den Tieblingsstiicken seiner Sammlung zählt Dr. 
ü. Thaler die prächtigen SchiaDane, deren er oierzehn 
Stück besißt. Da hängen ein reich geziertes Glocken 
schwert, zwei kostbare OffiziersschiaDone mit sil 
bernen Hütchen und eines, das der Waffenschmied Johann 
Tucchini erzeugt hat. „Ulan bekommt sie jeßf gar nicht 
mehr in Italien,“ erzählt Dr. o. Thaler. „Und unechte 
auf den markt zu bringen, oerlohnt sich nicht, da ihre 
Herstellung so hoch kommen würde, daß man kaum einen 
Käufer für sie finden könnte. Das ist immer so bei diesen 
Sammelobjekten; die billigen Stücke werden niemals ge 
fälscht. Was 100 oder 200 Kronen kostet, ist noch echt; 
geht es darüber hinaus, hat man schon Grund, an der 
Echtheit zu zweifeln. Ich erinnere mich an eine Episode, 
die ich im Palast der familie Panciaticchi in flarenz er 
lebte, wo ich einen Teil meiner Schiaoones kaufte. Reben 
anderen Stücken lag dort auch ein prächtiges Glacken- 
schroert, das am Knauf ein goldenes „f“ trug. Es soll 
der Degen des Königs Philipp II. oon Spanien gewesen 
sein. Der Hofmeister des Hauses, der den Verkauf leitete, 
bot die Waffe um 4000 Tire aus. Da rourde ich skeptisch. 
Ich hätte das Schwert allerdings auch dann nicht gekauft, 
wenn ich oon seiner Echtheit überzeugt gewesen wäre. 
Denn ich habe nie oiel Geld auf ein einzelnes Stück oer 
wendet. Bei den Auktionen habe ich auch oerhältnis- 
mäßig billig gekauft, weil ich es mir zur guten Gewohn 
heit gemacht hafte, stets rechtzeitig auf dem Pasten zu 
sein. Einmal trieb mich wohl ein Händler in die Höhe; 
es handelte sich um ein interessantes Stück, um eine 
Pistole, die in einen Degen eingebaut war. Aber als mir 
der Preis schon zu hoch schien, lizitierfe ich nicht weiter 
mit. Die Pistole fiel dem Händler zu, der sofort sah, 
daß er zu hoch gegangen mar und das Geld schwerlich 
wieder hereinbringen würde. Er machte mir darob Vor 
würfe und bot mir schließlich die Waffe unter dem Er- 
sfehungspreise an. Ich lehnte dankend ab. Roch lange 
nachher sah ich die kostspielige Waffe in der Auslage des 
Händlers.“
	        
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