MAK
Rümmer IQ 
1 nte r n a t i o n a 1 c a m m I e r -Z e i t u n g. 
Seite 291 
Eine Kostümsammlung, 
einen interessanten Überblick über die Entwicklung des 
Trachteiunescns Dom frühesten ITlitfelalter bis zur Gegenroart ge- 
ruährt eine Kostümsammlung, die eben aus dem Besitze des englischen 
ITlalers lucas in die Heinde des neuen londoner ITluseums 
übergegangen ist, das im Kensington-Palasf sein Heim aufge 
schlagen hat. 
Lucas mar uan Jugend auf ein eifriger Sammler und kann 
als ein heruorragender Kenner der Trachtenkunde gelten. Er selbst 
hat in einem Gespräch mit einem Londoner Journalisten in kurzen 
Worten die mertoollen Lehren ermähnt, die diese Sammlung alter 
Kostüme der. Gegenmart erteilt, regt sich doch beim Anblick dieser 
farbenreichen schönen alten Geroänder so etroas roie eine Sehn 
sucht nach jenen uerklungenen Zeiten, da der färbe, der Kunst 
und dem Geschmacke des Jndioiduums ein ungleich größerer Spiel 
raum in der Behandlung der eigenen Kleidung offen stand, Es 
gewinnt fast den Anschein, als ob die früheren Jahrhunderte der 
Tracht des ITtenschen eine ungleich größere Bedeutung beilegten 
als die alles uniformierende Gegenroart, in der der kleine Kommis 
sich kleiden kann roie ein Herzog und in der alle rein äußerlichen 
malerischen Reize der Slandesunterschiede sich immer mehr oer- 
roischen. „Die lange Hose,“ so äußerte sich der englische ITlaler, 
„roar das Ende der Kunst in der männerkleidung, roar der Anfang 
der modernen Tracht, die heute zur Uniform geworden ist. IJoch 
zu Beginn des 19. Jahrhunderts waren die Beinkleider nicht gar 
so häßlich roie heute, schmiegten sich enger an die Körperformen. 
Aber heute oerbergen wir lllänner oom Knie ab alle Erinnerungen 
an die natürlichen formen, roas oom künstlerischen Standpunkt 
nicht genug zu bedauern ist.“ Diese eintönige Gleichförmigkeit 
hat die Phantasie gelähmt, den Ehrgeiz eingeschläfert und die 
feinen psychologischen faden, die den ITtenschen mit seiner Kleidung 
Derbinden, gelockert und uerroirrt. Denn der englische Künstler 
glaubt fest an den Einfluß der Kleidung auf das Wesen und Auf 
treten des manschen, die prächtigen schönen Kostüme des 17. und 
18. Jahrhunderts haben ihren engen Zusammenhang mit der Kunst, 
die Bekleidung zu tragen: mit jener Grazie und Anmut des Auf 
tretens und des Benehmens, die jenen Kindern uergangener Jahr 
hunderte eigen roar. „Kann jemand in moderner Herrenkleidung 
überhaupt würdig und achtunggebietend Aussehen?“ fragt der 
Künstler. Die lleigung zur Verhüllung der Körperformen, die sich 
in der modernen ITtännertrachf ausprägt, läßt die Sorge für die 
Entwicklung des Körpers zurücktreten, damit entschwindet auch 
der Drang oder die llotroendigkeit, seine Glieder stets in der Ge 
walt zu haben und nicht nur zweckmäßig, sondern auch anmutig 
zu handhaben. Die Kleidung, die ehedem ein Symbol und ein 
Spiegel der Persönlichkeit roar, ist heute im allgemeinen nur noch 
eine llotroendigkeit, und damit ist auch die Liebe geschwunden, 
mit der unsere Voroäter alle Einzelheiten ihrer äußeren Erscheinung 
beurteilten und behandelten.“ 
Die Sammlung Lucas zeigt z, B. Schuhe aus dem 16. Jahr 
hundert, die mit echten Perlen und Juwelen geschmückt sind und 
neben denen unsere moderne fußbekleidung in ihrer trockenen 
llüßluhkeit armselig anmufet. Da sehen mir goldgeroirkfe Ge 
roänder mit kunstuoll eingeflochfencn Ornamenten aus edlen Steinen, 
Uleisterroerke der Webekunst, die heute kaum mehr geschaffen 
werden, weil das Bedürfnis für sie entschwand. Interessant aber 
ist oor allem die Lehre, roie die schönen frauen des lllittelalters 
und der Renaissance die schwierige Toilettenfrage lösten. In der 
Sammlung sieht man gaid- und silbergeroirkfe Roben, die ein 
ganzes Vermögen gekostet haben und die den Gedanken nahe 
legen, daß die Vorläuferinnen unserer lllodedamen noch mehr zu 
Extraoaganzen neigten als die Töchter der Gegenroart. Aber in 
Wirklichkeit lagen die Verhältnisse anders; die wohlhabende frau 
des 16. oder 17. Jahrhunderts, die für ein Gewand 8000 oder 
10.000 111k. darbrachte, behielt dieses Kleid auch Jahrzehnte lang 
im Gebrauch, die lAode entwertete nicht uon Vierteljahr zu Viertel 
jahr, roas drei ITlonate oorher als schön galt, und so sehen roir 
auch, roie jene kostbaren Damenkleider der Vergangenheit uon der 
sorgsamen Besitzerin immer wieder ausgebessert werden; einige 
Stücke der Sammlung zeigen deutlich, roie fleißig und lange eine 
schöne frau der alten Zeit ihr Prunkgeroand im Gebrauch behielt, 
ist doch der Stoff an den Ärmeln ganz dünn und nahezu durch 
gescheuert. hl. 
Lokalmuseen. 
Von Professor Dr fllax Duofak (HJien).* 
8 Sin auffallender Charakterzug der österreichischen 
Cokalmuseen ist ihre große Verschiedenheit unter 
einander. Reben Anstalten, die als mustergiltig 
bezeichnet toerden können (z. ß. die ITluseen 
uon Pilsen oder Reichenberg), gibt es viele, 
die einem Trödlerladen gleichen oder einer alten 
Kuriositätenkammer, neben ITluseen, die ziel- 
bewußt geleitet cuerden, solche - und sie sind 
leider in der überwiegenden Illehrzahl , denen entweder 
nur ein ungeklärter Sammeltrieb oder ein dilettantenhaftes, 
oft einseitiges Interesse zugrunde liegt. Cs fehlt eben gänzlich 
an einer einheitlichen Organisation; dem Zufall und lloch- 
ahmungsbedürfnisse verdanken die meisten Cokalmuseen 
ihre Cntsfehung und Zufall und vielfach auch falsche Ten 
denzen bestimmen ihre weiteren Schicksale. 
Cs ist sehr fraglich, ob allzu zahlreiche Cokalmuseen, 
* Wir entnehmen diesen programmatischen Aufsaß der eben 
erschienenen llr. 7 der ITlitteilungen der k. k, Zentralkommission 
iir Erforschung und Erhöhung der Kunst- und historischen Denkmale. 
die eine große Zersplitterung des in ihnen unterzubringenden 
Denkmalbestandes bedeuten und vielfach zu einer unge 
sunden Konkurrenz führen, überhaupt van Vorteil sind; 
dach unter allen Umständen ist der Illangel an Organi 
sation zu beklagen, der es verhindert, daß unsere Cokal 
museen jenen fluten bringen, den sie ihrem Wesen nach 
bringen könnten. 
Als Hauptaufgabe eines Cakalmuseums mufj die För 
derung des Interesses und der Ciebe für die lokale, kul 
turelle und künstlerische Vergangenheit und der Kenntnis 
derselben angesehen werden. Cs hat wenig Sinn und 
Wert, wenn mit den bescheidenen (Tütteln, die in der 
Regel solchen ITluseen zur Verfügung stehen, vereinzelte 
Objekte fremder Provenienz erworben werden wie in den 
großen ITluseen, oder wenn die Sammlungen nach den 
Reigungen des jeweiligen Verwesers nach einer bestimmten 
Richtung hin einseitig ausgestalfet werden. 
Cs gibt viele Cokalmuseen, die fast ausschließlich 
ITlünzen und prähistorische Funde, dann wiederum andere,
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.