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Internationale 5ammIer-Zeitung.
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anderen Saale des „Dorotheum“ jeden mittmach partielle Bücher-
Dersteigerunpen statt, d. h. zmischen photographischen Apparaten,
Ferngläsern etc. merden auch schön gebundene Bücher, besonders
Klassiker, £exika und Prachtroerke Dersteigert. Hier geschieht es
besonders oft, daf; gemisse Bücher meit höhere als die
tadenpreise erzielen. So z. B. murden kürzlich üerkauft:
Schiller, Ausgabe der Goldenen Klassiker-Bibliothek, 4 Bände,
6 Ulk. ord. zu 9 K 60 h (8 Alk.!). Sa chs-Uillate, Wörterbuch,
15 mk. ord. (alte Auflage!), 22 K (ca. 18 mk. 50 Pf.); Fi sehe r-
Dückelmann, Die Frau als Hausärztin, 17 Utk. ord., für 27 K
(22 111k. 50 Pf.)!! Als Gegenstück dazu ermarb ich selbst für
2 K 94 h (ca. 2 mk. 50 Pf.) sieben broschierte Bücher im Ordinär-
merte oon ca. 40 mk. darunter 5 in Österreich oerbote ne!
öine der ersten Firmen Wiens mufjte dafür, dafj ein aus Deutsch
land frisch angekommener Gehilfe, in Unkenntnis des Verbots,
eines dieser Bücher (Tagebuch einer Kammerjungfer) oerkaufte,
150 K Strafe zahlen.
Durch diese lllittmoch-Versteigerungen roird aufjer dem
Buchhandel ganz besonders schmer die photographische lllanu-
faktur getroffen. Gs merden da ITtassen uon Apparaten, Objektioen,
Statinen, Kasetten usm. an den mann gebracht. Dicht uninteressant
ist die Vor- und llachgeschichte dieser Verkäufe.
Die im Dorotheum zur Versteigerung gelangenden Artikel
sind entroeder Pfandposten oder Verkaufs posten. Unter Pfand
posten oersteht man oerfallene, d. h. nicht ausgelöste Pfänder,
unter Verkaufsposten freiroillig oon den Besitzern zur Versteigerung
eingereichte Gegenstände, mit ersteren hat es nun oft folgende
Beroandtnis: Der arme Teufel, der, sagen mir, ein ihm oon einem
Raten-Agenten aufgeschroatstes Werk über den russisch-japanischen
Krieg aus tlof, oielleicht um die fällige Rate zahlen zu können,
„oersetjt“, sieht sich in einiger Zeit genötigt, auch den Pfandschein
zu oerkaufen. Zroar ist der gcmerbsmäfpge Ankauf uon Pfand
scheinen, roie auf jedem oon ihnen deutlich zu lesen steht, oer
boten, aber es finden sich nicht nur immer edle ITlenschen, die
diese Dokumente trotjdem billig an sich bringen, sondern auch
ein anderes k. k. Amt, das k. k. Cxekutionsgericht in Wien, be
faßt sich mit dem Veikaufe oon Pfandscheinen, indem es sie in
der gerichtlichen Auktionshalle täglich an Biedermänner entmeder
im Versteigerungsmege oder freihändig abgibt, oon denen jeder
einzelne als geroerbsmäfjiger Pfandobjektoerroerter bekannt ist.
Diese Pfandscheine sind dem Besifjer abgepfändef morden oder
stammen aus llachlässen, über die der Konkurs oerhängt murde,
ihr Preis besteht in der Hälfte der Differenz zmischen Schä^ungs-
und Belehnungssumme, Also z. B. Pfandschein über ein llleyers
fexikan. Schüljungsmert 50 K, Belehnung 45 K, zulässiges lllindest-
gebof für den Schein 2 K 50 h.
llehmen mir nun an, der Trödler lllüller hat den Schein
für 5 K erstanden, einige Wochen später, an einem ITlittmoch,
sehen mir nun den Herrn im Dorotheum sitzen und mit Spannung
den ITloment abmarten, roa „sein llleyer“ ausgerufen roird. Gr
„kommt“ mit ca. 60 K (roeil Zinsen aufgelaufen sind) „heraus“,
llun roird gesteigert, und bald sind 100 K erreicht. Der Pfand-
scheinbesit^er hat eifrig mitgeboten, aber mit feiner ITlenschen-
kenntnis erachtet er den psychologischen DToment gekommen, roo
Gefahr im Verzüge ist, das Cexikon könnte ihm zugeschlagen
merden. Cr bietet nichts mehr, die Aufmärfsberoegung stockt. Der
die Versteigerung leitende Kommissär roird aber nicht kaiser
licher Rat dafür, dafj er blofj die erzielten Preise notiert, er rnuf;
auch trachten, möglichst hohe Llmsätje zu erzielen. Daher beginnt
er jet^t „aufzumuntern“. „Kein höheres Angebot mehr?“, ruft er
in den Saal, „das Cexikon ist noch oiel mehr roert! neueste
Huflage! Komplett! Sehr schönes Cxemplar!“ Der Appell uerfehlt
selten seine Wirkung ; es findet sich fast immer ein neuer Reflektant,
der das bisherige Höchstgebot noch überbietet. So rast das Preis
gebot bis 140 K hinauf, dann roird zugeschlagen. Befriedigt notiert
der Beamte den schönen Crfolg seines Gingreifens, noch befriedigter
notiert sich der Pfandscheinbesitjer die Summe. Cr hat folgendes
Geschäft gemacht:
Crlös 140 K
Ab: Belehnung. . . . * 45 K j
Zinsen usm 15 „ l 70 K
7% Aufschlag 10 „ J
Vom betreffenden Versatjamt an den Besser
des Pfandscheines zu zahlender Überschuf; . 70 K
Selbstkostenpreis des Pfandscheines .... 5 K
Reinoerdienst des Händlers ... 67 K
Und der arme Teufel, der das Cexikon oerset;en mufjte und
dem dann noch der Schein meggepfändet murde, der uielleicht
sogar roegen Verstoßes gegen den Gigentumsuorbehalt der
Cieferantenfirma eingesperrt murde, hat das Dachsehen . . . 1
Harmloser sind die Verkaufsposten, bis auf jene, die aus Dieb
stählen herrühren. Denn heute hat es jemand, der ein schön ge
bundenes Buch entmendet, nicht mehr nötig, sich den Gefahren
des Verkaufs in einer Buchhandlung auszusetjen, er lüf;t seinen
Schaf; einfach — uersteigern! lncogniio.
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Der 5riileiFjheimer ßilderraub.
Von Prof. Dr. Karl Voll (Hlündien).
■ n dem schönen Schlosse Hustheim courde vor
einiger Zeit ein umfangreicher Bilderdiebstahl
oerübt, der oiel Rufsehen erregt hat, nicht so-
roohl wegen des Wertes der Gemälde, die mit
10.000 TRark nicht zu niedrig geschäht sein
werden, roie roegen der Sorglosigkeit der Be
hörden, die den Raub recht leicht gemacht hat.
Gs sind in der Tat erst wenige Jahre, dafj die
meisten der Bilder in diesen nicht gar großen
aber sehr schönen Barockbau überführt wurden.
Das war noch oor Herrn o. Tschudis Rmtsantritt.
€s handelt sich im wesentlichen darum, daij die Clemen-
tinische Sammlung, die schon oorher in der Schleifjheimer
Galerie als ein Ganzes für sich behandelt und zur Seite
geschoben worden war, nun oollends aus der eigentlichen
Schleifjheimer Sammlung entfernt werde. Sie ist eine
fideikommiljstiftung und gehört der Sekundogenitur des
k. Hauses. Sa führt sie ein eigenes Heben für sich. In
den alten Katalog der Schleifjheimer Galerie, den Bayers-
dorfer 1885 herausgab, ist sie noch aufgenommen morden,
in den Katalog aber, den der jetjige Konservator oon
Schleifjheim, H. Beoer, 1005 herausgab, ist sie nicht mehr
aufgeführt.
Run ist die Sammlung sa wenig Jahre nach ihrer
radikalen Isolierung geplündert worden, nicht durch jene
internationalen Rluseumsräuber, die unseren RJuseen, Kirchen
und öffentlichen Gebäuden oon Jahr zu Jahr mehr zu
schaffen machen, sondern durch einheimische, die sich die
gute Gelegenheit nicht entgehen lieljen, aus einem so gut
wie schutzlos, fernab oon größeren menschlichen flnsied-
lungen liegenden Bau die Gemälde zu entfernen. Die Diebe
sind auch bereits ergriffen und haben ihre Tat eingestanden.
So hat der 5all nur mehr ein theoretisches Interesse.
Das Unglück war nicht entfernt so grofj wie der
Ru^en der aus dem Vorfall zu ziehenden Hehren. Was
hatte es für einen Zweck, das kleine 5rühmerk des oor-