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Internationale Sammler-2eitung, 
Hummer 4 
als Heiter des Bankhauses weniger Zeit für seine Passionen 
hatte und in seinen ITlnßesfunden besonders dei^ Jagd, 
dem eislaufspart, der Rmateurphotographie und dem Schach 
spiel huldigte — hat mit feinem Geschmack und klugem 
Blick sein Heim in der Heugasse zu dem kunstreichen 
Wohnsiß eines Grandseigneurs ausgestaltet. 
Schon in der Hnlage dieses Palais hat Baron Roth 
schild seinen speziellen Geschmack bekundet, der die Zeit 
Tudwigs XVI. benorzugte. Der Bau wurde in den sieb 
ziger Jahren non dem ausgezeichneten Pariser Architekten 
Teyendecker ausgeführt. Gin hübscher, oon hohen ITlauern 
umgebener Vorgarten trennt das schmucke, mit hohem 
Hlansardendach oersehene Palais oon der Strafe. Besondere 
Aufmerksamkeit wurde auf die Anlage des in der ITlitte ge 
legenen Vestibüls und Stiegenhauses oerwendet; es ist genau 
nach dem Illuster des berühmten „Escalier des ainbassa- 
deurs“ in Versailles erbaut, was besonders deshalb Interesse 
oerdient, weil das Original heute nicht mehr besteht. Auf 
einem Gemälde oon Jerome und in alten Stichen ist das 
Bild dieser brillanten Treppenlösung erhalten geblieben. 
Schöne französische Plastiken in Bronze und lllarmor sowie 
ein figuraler Brunnen, ein hübscher Rokokoschlitten und eine 
zierliche Sänfte schmücken diesen Raum. 
Wir begeben uns über die Treppe ins Hauptgeschäft 
das im Stil der Boiserien und des niobiliars auch die 
Gpoche Tonis XVI. zur Schau trägt. Außerdem enthält 
hier fast jeder Raum berühmte Dleisterwerke der lllalerei. 
lieben der französischen Schule des 18. Jahrhunderts, die 
Baron Rothschild beoorzugte, sind auch die niederländische, 
italienische und englische Kunst oorziiglich oertreten. So 
bewundern wir im Rauchzimmer ein Hauptwerk Van Dycks, 
das berühmte entzückende Gruppenbild, welches die Kinder 
des Herzogs oon Tancaster darstellt. Im selben Raum 
befindet sich eines der köstlichsten Bildnisse oon frans 
Hals, ein oergnügt grinsendes Kind, in der bekannten 
braoaurösen Planier des Kleisters ausgeführt. Von den 
übrigen Hiederländern müssen besonders die ausgezeich 
neten Stilleben, die Tierstücke oon Paul Potter und 
ITlelchior Hondecoeter, sowie ein schöner Wauoerman 
heroorgehoben werden. Dieser Wouoerman machte dem 
Baron besondere freude, weil er ihn selbst „entdeckt“ 
hatte, wie er seinen Bekannten gern erzählte. Gr hatte 
ihn in Graz bei einem „Tandler“ aufgestöbert und für 
einen Pappenstiel erworben, in dem oerschmußten und 
beschädigten Bilde jedoch gleich den hohen Kunstwert 
erkannt, nach der sorgfältigen Restaurierung entpuppte 
sich das Bild tatsächlich als ein oorzüglicher Wouoerman. 
Und bekanntlich macht gerade den reichsten Teufen, die 
sonst jeden Genuß mit schwerem Gelde erkaufen müssen, 
ein solcher fang den allergrößten Spaß. 
An einigen guten Seestücken oorbei gelangen wir in 
die große Galerie, die hauptsächlich französische Gemälde 
enthält. Von fragonard „La falle“ (ein entfliehendes 
lllädchen), oon Grenze mehrere Köpfe in der bekannten 
süßlichen Art, einen schönen Boucher, mehrere Werke oon 
de Troy und Porträts des Vanloo. Auch herrliche fran 
zösische und Brüsseler Gobelins gibt es hier und in den 
benachbarten Sälen, aus deren Inhalt ich oor allem die 
oornehmen englischen Porträts oon Reynolds, Romney 
und Gainsborough anführe, denen sich ein herrliches lebens 
großes Damenbildnis unsers füger ebenbürtig anschließt: 
es wurde seinerzeit noch um tausend Gulden erworben! 
Das Bildnis seiner Illutter, oon Tarnrence gemalt, hat 
Baron Rothschild oon seinem Vater geerbt, auch sonst 
findet sich das eine und andere Stück aus der Sammlung 
des Barons Anselm; die meisten und zwar die bedeutend 
sten Stücke hat aber Baron Albert selbst erworben, Gr 
hatte für seine Ankäufe einen ausgezeichneten Berater in 
der Person des alten Wiener Kunsthändlers Plach, an den 
sich die älteren Wiener Kunstfreunde noch mit Vergnügen 
erinnern. Troß seiner niedrigen Herkunft und geringen 
Bildung hatte der alte Plach einen sicheren Blick für gute 
und echte Kunstwerke; bekanntlich mar er auch der freund 
und geschäftliche Anwalt Pettenkofens. 
Von diesem Wiener Kleister hatte Baron Albert auch 
oor Jahren einige der besten Werke erworben, unter 
anderm ein ganz brillantes Pferdegespann. Diese Werke 
sowie mehrere Kabinettstücke der neueren deutschen und 
französischen lllalerei zieren die kleineren Zimmer, oor 
allem das Schreibzimmer des Barons. Da finden sich 
Perlen oon Kleissonier, oon Vautier und Knaus, während 
in den prächtigen Bibliotheksräumen oiele gute Zeichnungen 
und Aquarelle hängen, für die Aquarellierkunst hatte der 
Baron ein besonderes Interesse. Die feinsten Stücke oon 
französischen (besonders oon Gugene Tamil), englischen, 
schottischen Aquarellisten erwarb er, wo er konnte, so daß 
die Sammlung in dieser Hinsicht eine besondere Bedeutung 
hat. Weniger Glück hatte er mit Wiener Künstlern, Gr 
hat wiederholt auf Anraten oon freunden den Versuch 
gemacht, einheimische Künstler zu beschäftigen; sein oer- 
möhnter Geschmack war aber schwer zu befriedigen. Da 
gegen hat er die Altwiener Kleister hochgeschäßt, und 
neben den früher erwähnten Werken enthält die Aquarell 
sammlung einige der besten Rudolf Alf. — Auch der 
Bildhauer friedl durfte für das Palais einige größere 
Arbeiten ausführen. 
Damit märe die Kunstsammlung des Barons Albert 
Rothschild in großen Zügen charakterisiert. Daß sich unter 
den französischen Klöbeln oiele besonders mertoolle Stücke, 
mit Bronzen, Bouleeinlagen etc. befinden, daß auch schöne 
Kunstobjekte in Porzellan, Gold, Silber, Bronze, Glfenbein 
auf Kommoden, Konsolen, Säulen, Tischen angeordnet 
sind, oersteht sich eigentlich oon selbst. Viele Objekte 
konnten gar nicht untergebracht werden, und die Vorräte 
der Garde Kleubles würden allein schon ein kleineres 
Palais füllen. Auch in dem Bankhaus in der Renngasse 
hatte der Baron oerschiedene wichtige Kunstwerke placiert; 
so befindet sich dort, allzu wenig bekannt und beachtet, 
eine der schönsten Tandschaften oon Troyon, mit wei 
denden Rindern. 
Vielleicht gehört es noch zur Charakteristik diesesKunst- 
freundes, daß seine Passion für die bildende Kunst mit 
seiner Aaturliebe und mit seinen sportlichen Heigungen 
eine eigenartige Verbindung einging. Gr betätigte als 
Amateurphotograph das feinste Verständnis für landschaft 
liche Schönheiten, für aparte Tuftstimmungen, für den 
spezifischen Charakter eines Tieres; in Wien hat er zumeist 
die Porträtphotographie gepflegt, und oiele der bekann 
testen Persönlichkeiten aus der Aristokratie hat er in kunsf- 
Doller Weise festgehalten. Gin Bildnis Teweles war seine 
beste Arbeit. Professor Tenhard war zuerst sein Tehrer 
und dann sein Berater bei diesen Arbeiten.
	        
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