Zenfralblatt für Sammler, Oebhaber und Kunstfreunde
Herausgeber: tTorbert Ehrlich und J. Hans Prosl.
3. Jahrgang.
Wien, 1. fipril 1911.
Hummer 7.
Die Sammlung Hollitzer.
Von Hermann JTienkes (Wien).
B Jines der stärksten und oielseitigsten Talente inner
halb der jüngeren Wiener Künstlergeneration
besten mir in Karl Halliger, dem fflilitär-
maler, Karikaturisten und Kabarettier. Sein
_ L Doppelwesen drückt sich in all diesen entgegen-
/PiSSpS) gesetzten Künsten aus, die er betreibt: ein starker
Sinn für die Vergangenheit, für Heroismus und
rr^W})jj für romantisches Bohemetum. ln einem Patri-
zierhause aufgecoachsen, oon Wohlhabenheit
umgeben, springt Halliger gleichsam aus seiner
—') Klasse und begibt sich in übermailender banne
zur deklassierten Kunst des Kabaretts. Hier stellt er in
echtestem Kostüm Vagantenfiguren dar, singt, als ein mo
derner lieber Augustin, mit merkwürdiger Ausdruckskraft
alte Vagantenlieder. Soziales und Klassengefühl oereinigen
sich gleich stark in dem ehemaligen Soldaten und dieser
Zwiespältigkeit des Wesens entspringt die Reigung zur
karikaturistischen Verzerrung, in der, wie bei jedem echten
Humoristen, die Selbstpersiflage keine geringe Rolle spielt.
Aus dieser mokanten Darstellung, die die freunde und
Kunstgenossen einbezieht, scheidet er, wie in einer Scheu
oor der Profanierung, das militärische Sujet aus. fr unter
scheidet sich hierin oon Schönpflug, dem Karikaturisten
der militärischen Dekadenz, fr liebt die heroische Kraft,
drückt sie aber einfacher, primitiver als die übrigen Kriegs
und militärmaler aus. fr stilisiert seine Gestalten nicht,
oerschmäht die Pose und das Theatralische, fr läßt die
figuren in ihrer eigenen rauhen Kraft und Schönheit wirken,
mit feiner lTachgestaltung und dem Tatsachensinn des
Historikers rekonstruiert er die militärischen Typen oer-
gangener Zeiten und die fchtheit erstreckt sich bis auf
das letjte Detail der Adjustierungen. Sa ist er ein unpathe
tischer österreichischer ITleissonier geworden, der sein Vor
bild ist. Unpathetisch und ohne Sentiment ist Karl
Hallißer und das lyrische flement seiner Bilder liegt einzig
in der sfimmungsoollen Zeichnung des landschaftlichen
ITlilieus. fin Sentimentalist ist er bloß als Sammler, in
seiner rührenden biebe zu alten Dingen, die für ihn noch
den Reiz des Cebendigen haben.
Dieser Vergangenheitssinn ist in ihm schon früh
mährend seines Candaufenthaltes in Deutsch-Altenburg,
dem römischen Carnuntum, genährt, die Beobachtung während
seines freimilligenjahrs bei einem Husarenregiment ausge
bildet. Auf der Akademie wird er ein Schüler Otten-
felds und ITlyrbachs, die ihm beide eine strenge künst
lerische Zucht angedeihen lassen.
Sammler wird er, nach einem eigenen Bekenntnis,
nicht aus einer bei den schaft für die Aufstapelung antiker
Raritäten, sondern, um den Soldaten im Gewände seiner
Zeit als ITladell für seine Werke zu besten. Das war
wohl seine ursprüngliche Absicht, führt er aber dem
Besucher seine Objekte oor, so merkt man auch bei Hol-
lißer jene edle biebe und beidenschaft des Sammlers, der
die Dinge um ihrer selbst willen liebt als Zeichen des
Vergänglichen, Unwiederbringlichen, fs sind auch Gegen
stände über das militärische hinaus in seinem kleinen,
stimmungsoollen JTluseum, das er aus seinem Atelier in
der Gumpendorferstraße umgewandelt hat, Gegenstände,
die wie kleine Kulturdokumente der Zeiten sind, die Hol-
)it3er liebt: aus der fpoche bouis XIY. und des Wiener
Kongresses. Da sind alte Kinderspielzeuge, deren künst
lerische Durcharbeitung man bewundert, Kostüme, Hüte,
Gamaschen, Statuetten, fahnen. Wir bemerken zuerst als
besonders mertoolles Stück ein Seidenpanier aus der Re
volutionszeit. fs stammt aus dem Jahre 1790 und ge
hörte der Rationalgarde Buiron fasse. Die Inschrift lautet:
„Vivo le roi, Nation et la loi‘\ Das ist charakteristisch
für jene Revolutionäre, die am Königsgedanken noch fest
hielten. Charakteristisch ist aber auch, daß die bourboni-
sche bilie herausgeschnitten wurde, fin zweites historisches
Panier ist in den Besitj unseres Heeresmuseums überge
gangen. fxtrasfiicke der Sammlung bilden auch einige
Römerschädel aus Carnuntum.
Dos Wesentliche machen jedoch die militärischen Ob
jekte, die die Zeit oom dreißigjährigen Krieg bis zu jenem
von 1866 umfassen, aus. Da sind frühere Besißsfücke der
lllaler Ottenfeld und Braun, sowie des Ober-Inspektors
franz Gaul von der Hofoper.
fine besondere Vorliebe wendete Hollißer der Uni
form von 1809 zu. Rach seiner Ansicht hat der Soldat
in jener fpoche die monumentalste Silhouette, eine wuch
tige malerische frscheinung, die dem Soldaten von heute
fehlt. Reben sehr seltenen Helmen und Uniformen der
Grande nnnec sind zahlreiche Stücke da, die die Cntwick-
lung des österreichischen Kavalleriehelms kennzeichnen,
fbenso reich vertreten sind alle Gewehrsysteme, die in den