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Hummer 7
Internationale Sammler-Zeitung.
Jeldzügen erprobt rourden. Cine besondere Abteilung
machen die uormärzlichen Uniformen der Bürgergarden
aus. Sehr interessante und ruertnolle Stücke gibt es bei
Hollißer aus der Zeit der ersten Republik. Da sehen mir
den meinen Jrack in seiner ungemein eleganten form, den
Offiziersfrack aus der Restaurationszeit, Stücke aus dem
Rokoko, Empire, aus dem Königreich Polen.
Cs ist leicht, auf Grund dieser Vollständigkeit eine
Geschichte des militärischen Kostüms non dessen Anfängen
an zu schreiben, dessen bis ins leßte Detail genauer
Kenner Holüber ist. All diese toten Dinge geben auch
dem faien ein Bild der rauhen, kriegerischen Kraft, die in
den historischen Epochen roaltete. Da sind zehn Kilo
scheuere Helme, mächtige Epaulettes und Kürasse, Schwerter
in allen formen, Offiziersstäbe u. dgl. Charakteristisch
für die Waffen der Reuolutionszeit sind die an den Griffen
angebrachten Inschriften und die Rachbildung oon Dörnen
und phrygischen ITlütjen. Die Helme aus dem Empire
haben, der Vorliebe jener Epoche entsprechend, antike
formen.
JTliniaturen und Holzstatuetten in naturalistischer
und stilisierter Rachbildung ergänzen das Bild auf das
Dollständigste. Da fällt uns als besonderes IReisterstück
die Wiedergabe spanischer Truppenoffiziere der Dioision
Romana in Holz auf, die ungemein fein modelliert und
echt bis aufs kleinste Detail der Uniform sind. Eine Sta
tuette, gleichfalls in Holz, zeigt Rapoleon I. im Jahre 1807
und mir bewundern hier den sogar nicht pathetischen
Ausdruck des heroischen und des militärischen Elans. Die
Karikatur ist in etwas naioer Weise oertreten durch die
Pfeife eines Wachtmeisters unter dem Prinzen Eugen. Da
ist am Kopf ein Türke zu sehen, der oon österreichischen
Soldaten an den Haaren gezerrt wird. Sehr interessant
sind auch die en miniature gegessenen Kanonenmodelle
aus dem Jahre 1790.
In bunter Reihe werden uns die Gegenstände oon
dem liebenswürdigen Sammler oorgefiihrf. Sie wecken
das historische Sentiment, Erinnerungen an die oater-
ländische Geschichte. Zu manchem der Stücke sind Ur
kunden und Photographien aufbewahrt. Da ist ein beson
ders wertooller Helm des Grafen Coronini, eine Kutschma
des Grafen Anton Cudarigsdorf, Helme aus der ungarischen
Insurrektion, der Schlachten bei Custozza und Solferino,
solche der Eeibgarde IRaximilians in lllexiko, ein Helm
aus dem Regiment König Jeromes oon Westfalen. Ein
anderes Stück erinnert uns an den siebenjährigen Krieg.
Aus der Schlacht oon Aspern sehen wir den oon einer
Vollkugel durchrissenen Brustkürafj eines französischen
Kürassiers. An die freiheitstragödie oon 1848 erinnert
die oon Kugeln durchlochte Kappe eines in den Oktober
tagen gefallenen Studenten. Bei einem unförmlichen
Zylinderhut denken mir an die grotesken Rio den zu An
fang des oorigen Jahrhunderts.
Aus allem weht uns der Duft der Vergangenheit an,
ihre färben und Kraftfreudigkeit, und man träumt oor
diesen Dingen, die uns oon Heldenmut und Tod erzählen,
oon Sieg und Riederlage, oon groljen Epochen und kleinen
Episoden. Dies bildet den besonderen Reiz dieser ori
ginellen, interessanten Sammlung eines oielseitig begabten
Künstlers. Ein Einblick in seine eigenen, der Vollendung
entgegengehenden künstlerischen Arbeiten schließt ergän
zend die schöne Stunde unseres Besuches ab.
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Die Uhrensammlung Kaftan in Wien.
■ ~ir haben eine außerordentlich sehenswerte Prioat-
sammlung ganz alter Räderuhren kennen gelernt,
welche sich ein Schulmann in Wien, Herr Ru
dolf Kaftan, allmählich seit seiner frühesten
Jugend aus besonderem Interesse für jede Art
oon Rlechanismen angelegt hat.
Diese Vorliebe für den inneren, technischen
Aufbau oon RJaschinen gibt seiner ganzen reich
haltigen Sammlung ein eigenartiges Gepräge.
Während so mancher Uhrensammler das Augen
merk nur darauf richtet, daß die Uhren ja recht
schön aussehen, reich oerziert und mit Edelsteinen besetjt
sind, womöglich kunstoolle Emailarbeiten aufweisen und
sich in feinziselierten Gehäusen aus Gold oder Silber be
finden, dazu oom Uhrmacher gut hergerichtef (!) wurden,
taxiert Herr Kaftan den W 7 ert einer Uhr in erster JTinie
nach der Art und Weise ihres inneren Aufbaues. Er
sammelt also die Uhren nicht der goldenen und silbernen
Gehäuse willen, nicht wegen der geschmackooll eingelegten
Kästen, sondern nur in Rücksicht auf die oft mit größtem
Scharfsinn ausgearbeiteten eigentümlichen Konstruktionen der
Werke. Daher sind auch, um den Einblick in das mecha
nische Getriebe zu ermöglichen, fast alle Zifferblätter oon
den Uhren abgenommen und man sieht dadurch umso
klarer die allmähliche Entwicklung und stetige Verooll-
kommnung unserer Räderuhren. Da merkt auch der Taie,
wie oiel technisch Interessantes der Werdegang dieser Ob
jekte des täglichen Gebrauches bietet, wie der rastlos oor-
wärtsstrebende Geist immer genauer und korrekter gehende
Zeitmesser konstruieren mußte, um den stets höher ge
stellten Anforderungen der Wissenschaften und Kulturfort
schritte gerecht zu werden.
Unter den weit mehr als siebenhundert Uhren
sind die Repräsentanten fast aller Systeme und Zeit
abschnitte oorhanden und man kann da leicht die ganze
historische Entwicklung beobachten, oon den einfachsten
Zeitmessern, die noch mühsam mit recht primitioen Hilfs
mitteln ausgearbeitet wurden, bis zu den oft sehr kompli
zierten Schlagwerken früherer Jahre.
Wir wollen nun mehrere besonders charakteristische
Uhren in chronologischer Reihenfolge anführen, wie sie
oon Herrn Kaftan kürzlich im Wissenschaftlichen Klub in
Wien mit Hilfe des Skioptikons demonstriert wurden.
Räderwerke waren schon den ältesten Völkern be
kannt, wurden auch unter anderem öfters bei den dama
ligen Wasseruhren als Haufwerke mifoerwendef.
Die Sammlung Kaftan enthält einige solche uralte
Räderwerke, welche in früheren Jahrhunderten als Braten
wender dienten. Diese Bratenwender sind ganz aus Schmiede
eisen bis 3 / 4 Rleter hoch, bestehen aus mehreren Rä
dern, deren unterstes durch ein Gewicht oder durch eine
Jeder (siehe Jigur 1) getrieben wird. Das unterste Rad
(Bodenrad) greift in das Trieb des nächsten Rades, dieses
wieder in das Trieb des folgenden Rades usw. mittels eines
Spiefjes wurden fleischstücke durch diese ITlaschinen über
dem offenen Herdfeuer gedreht und dadurch gleichmäßig
gebraten. Von diesen Bratenwendern ist auf schlecht
gehende Uhren der Spottname „Brater“ übergegangen,
der sich im Volksmunde in manchen Gegenden noch heute
erhalten hat,