WIELAND SCHMIED
010.6.
man mühelos hinter Anekdote und Folklore große Form,
zeitlose Begebenheit und bildträchtiges Geheimnis ent-
decken kann. Nicht selten reiße ich die Augen auf vor
Staunen, daß diese archaisch große Form und mythen-
hafte Versunkenheit wirklich ist, Wirklichkeit unserer
Tage."
Der Gegenstand hat bei Berg nichts Beil' figes, wie oft
bei dekorativen oder illustrativen Modernismen, die nie
auf den Wesensgehalt einer bestimmten Landschaft oder
Figur gehen. Hier ist das Anliegen viel tiefer und ur-
sprünglieher: hier soll Bericht gegeben werden von einem
Stück Wirklichkeit, dessen Grenzen bestimmt und zu
achten sind. S0 sehr zu achten, daß jede vorschnelle For-
mulierung Vergewaltigung wäre. Alles, was Werner Berg
malt, ist Bekundung seiner Lebenssituation und damit
objektivierter Selbstausdruck. Im innersten Wesen ver-
dichtet, ist hier ein Mensehenschlag wie nie zuvor er-
faßt und dargestellt. Ist dies Expressionismus, so ist es
ein Expressionismus in der Phase II, wie es Gottfried
Bann einmal formulierte. Nicht mehr Eruption und
Aufschrei, sondern Klarheit und Objektivität bei allem
Ausdruck. Ausdruck, aber auf die Dinge der Außen-
welt gerichtet, mit größter Achtung vor dem Gegen-
stand: Gestaltung.
Werner Berg hat in letzter Zeit besonders viel gemalt.
Ein Besuch in diesem Frühjahr brachte die Begegnung
mit einer Fülle neuer Bilder. Immer geringer werden, so
scheint es, die Vorwürfe. immer kleiner die Motive,
immer eingeschränkter die Themen - und immer kon-
zentrierter der Gehalt. Wie-viel Welt in einem winzigen
Ausschnitt, im Anschauen einer Blume, wieviel Leben
in einem Stück toten Fleisch, das von der Schlachtung
übrig geblieben ist! Es ist, als 0b in die letzten Bilder,
die Werner Berg gemalt hat, die Quintessenz von 30
jahren Dasein im Kärntner Unterland eingegangen sind:
Bäuerinnen, betend, in der Kirche von llberndorl, Wie-
senmarkt und Schießbuden in Bleihurg, Karfreitag, das
ganze kirchliche Jahr, die zerstörten Altäre, ein Anblick
1 Früher Wintcrmorgen, 1959. O1. 63 X 89 cm.
2 Mann, Pferd und Schlitten, 1933, Öl, 75 X 95 cm.
3 Händler II, 1958, O1, 35 x 55 cm.
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