MAK
Nr. 14 
Internationale Sammler-Zeitung. 
Seite 215 
Der Nachlaß Johann Orths. 
Aus Berlin wird uns berichtet: 
Der Nachlaß Johann Orths soll nun, nachdem die Todes 
erklärung erfolgt ist, verkauft werden. Die fünf Schlösser des 
verschollenen Erzherzogs in der Nähe von Gmunden, nämlich 
Orth, Seeschloß, Stöckel. Toskana und Villa Toskana, werden 
durch Vermittlung einer Berliner Firma freihändig verkauft. Der 
gesamte bewegliche Nachlaß wird durch den Testamentsvoll 
strecker Regierungsrat Dr. Bachrach - dem Berliner Kunst 
auktionshause Brüder H e i 1 b r o n zur Versteigerung übergeben 
werden. Die Auktion soll von Mitte Oktober bis Mitte November 
stattfinden. Kaiser Franz Josef hat dem Plane, die Auktion 
zu veranstalten, zugestimmt, jedoch mit dem ausdrücklichen Vor 
behalte, daß sie nicht in Oesterreich stattfinden dürfe. Infolge 
dessen wurde Berlin gewählt. 
Der Nachlaß besteht aus einer großen, etwa dreitausend 
Nummern umfassenden Kollektion, in der sich überaus wertvolle 
Stücke befinden. Aus Schloß Orth kommen in der Hauptsache 
sehr gute Renaissanceschränke sowie Schränke aus der Früh 
gotik und wundervolle französische Gobelins zur Versteigerung. 
Eine kleine Sehenswürdigkeit für sich bildet die Sammlung der 
Augsburger und Nürnberger Becher aus Edelmetall, darunter 
sehr erlesene Stücke aus . Silber mit goldgetriebener Arbeit. 
Nicht minder wertvoll sind die Stücke kunstvoller Nürnberger 
Schmiedekunst, Man sieht hier eigenartig geformte Tintenfässer 
und herrliche Türschlösser. Dazu gesellen sich Alt-Wiener Por 
zellane und eine große Anzahl von Oelgemälden des öster 
reichischen Kaiserhauses. 
Aus Schloß Toskana und Villa Toskana kom 
men moderne Möbel für Wohnzimmer und Salon sowie A 11- 
M e i ß n er- und Sevres-Porzellan. Die schönsten Stücke 
befinden sich in dem fünfhundert Stück umfassenden Meißner 
Tafelgeschirr. Die Zierde dieser Garnitur bilden die großen Leuch 
ter und außerordentlich prächtigen Kristalle. Aus Schloß Tos- 
kan ?. kommt aber auch etwas ganz Persönliches des verstor 
benen Erzherzogs nach Berlin, nämlich seine Uniformen. Und dann 
muß noch eines sehr eigenartigen Stückes gedacht werden, das 
ist die alte Fahne des Hauses Toskana. Sic stand bisher in der 
17.000 Bände umfassenden Bibliothek, die selbstverständlich auch 
die Reise nach Berlin antreten wird. In dieser Bibliothek gibt es 
religiöse und gelehrte Welke, vor allem aber sehr viele Reise 
schilderungen und geographische Bücher, denn Johann Orth 
war bekanntlich ein großer Freund von Reisen. 
Aus Seeschloß werden die Berliner und W'iener 
Sammler hauptsächlich Kirchengemälde im byzantinischen Stil 
sehen. Schloß Stöckel endlich enthält vorwiegend Porzellan 
und Möbel in Tiroler Gotik. Dieses Verzeichnis wäre unvoll 
kommen. wenn man nicht die Sammlung wundervoller 
antiker Rüstungen und die Kollektion sehr eigenartiger 
bosnischer Waffen erwähnen wollte. Endlich sei noch 
darauf hingewiesen, daß sich im Nachlaß antike Teller und 
Vasen befinden. 
Man rechnet mit einem Ergebnisse von zirka 1 Million 
M a r k. 
Kostbare Menükarten. 
Aus einer Londoner Sammlung. 
In L o n d o n, in der Shaftesbury Avenue, hütet man einen 
kostbaren Schatz. Die Genfer internationale Vereinigung der 
Hotelangesteliten besitzt eine eigenartige Sammlung, die in ihrer 
Art die größte der Welt ist: die Sammlung historischer Menü 
karten, die, in 60 große Lederbände geordnet, nicht weniger 
als 50.000 Speisekarten berühmter Bankette und großer Hoftafeln 
enthält. Lin englischer Schriftsteller hat in diesen Tagen Ge 
legenheit gehabt, diese der Allgemeinheit nicht zugängliche Kol 
lektion zu durchblättern und er gibt nun eine interessante Schil 
derung von manchen Einzelheiten, die diese Sammlung dem auf 
merksamen Beobachter verrät. Denn die Menüs geben einen 
Einblick in den Wandel der Mode und verraten zugleich die 
Vorliebe berühmter Herrscher für gewisse Gerichte und Speisen. 
In England wurden die Speisekarten am Hofe bei dem Re 
gierungsantritte der Königin Viktoria zum erstenmal gedruckt: 
der feine, elfenbeinfarbene Karton trägt als einzigen Schmuck 
eine goldgepreßte Krone und darunter die Buchstaben »V. R. 
and I.«. Den Menüs kann man entnehmen, daß die Herrscherin 
zwei Lieblingsgerichte hatte, poschierte Eier auf Toast und 
Hammelhasehee, denn immer wieder tauchen auf den könig 
lichen Speisekarten diese beiden Gerichte auf. Mit König Eduards 
Thronbesteigung vermehren sich dann die Gerichte und Gänge, 
der Geschmack eines Gourmets und eines Lebenskünstlers zwingt 
den Hofkoch, für eine reiche Folge von Leckerbissen zu sorgen, 
und von diesem Tage an erscheint regelmäßig russischer Kaviar 
auf der königlichen Tafel. 
König Eduard läßt sich ihn mit Schwarzbrot und Zi 
tronen servieren, bisweilen auch mit Toast; die Schatullenver 
waltung muß für das Pfund des erlesensten Kaviars nicht weniger 
als 60 Mark bezahlen. Die britische Ilofküchs feiert ihren größten 
Triumph bei dem großen Bankett, das regelmäßig am Derby 
tage im Buckingham-Schloß stattfindet. Alte Tradition hat hier 
die Speisenfolge festgelegt: Klare Schildkrötensuppe, Whitebait 
(eine Art Weißfisch), Forelle, Wachtel, Wildpret, entweder Hirsch 
oder Reh, dann Lamm, Weißkehlchen und Gartenammern, Huhn, 
Braten, Spargel, Pfirsiche und Gefrorenes. Dabei werden die 
kostbarsten Weine aus den königlichen Kellern kredenzt, in den 
letzten Jahren ein 1875er Rheinwein, 1865er Sillery, 1875er 
Chateau Lafitte, ein 1812er Portwein und dann ein besonders 
seltener 1834er. Im Windsor-Schloß ist das Menü einfacher und 
erhebt sich erst zu raffinierter Reichhaltigkeit, wenn Gäste im 
Schlosse empfangen werden. Dann ziert das Menü stets »Cygnet 
ä la Windsor«, gebratener Schwan, der auch ein Lieblingsgericht 
des deutschen Kaisers sein soll und ihm stets in Windsor ser 
viert wird. 
Die Speisekarten des deutschen Kaiserhoies fallen zu 
nächst dadurch auf, daß sie fast dreimal so groß sind wie die 
englischen Karten; sie zeigen am Kopfe eine Wiedergabe des 
Berliner Königsschlosses. Auch hier fällt die Häufigkeit zweier 
Gerichte auf, die immer wiederkehren und anscheinend in der 
kaiserlichen Familie gern gesehen sind: Lachskotelettes und. 
Hasenbraten. Sie tauchen jedenfalls öfters in der Speisenfolge 
auf als andere Gerichte. 
In der russischen spielt anscheinend das Beefsteak 
eine Hauptrolle, denn fast auf jeder Speisekarte des Zarenhofes
	        
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