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Internationale Sammler-Zeitung.
Nr. 17
Ex epistulis.
Von Josef Mayer (Hohenaschau).
Infolge des ständig wachsenden Wohlstandes macht
sich bei uns in Deutschland der Wunsch und das Be
streben geltend, bei allem, was das äußere Leben schön
und angenehm macht, in höherem Maße als bisher die
Kunst sich dienstbar zu machen. Vieles gewinnt ja durch
sie erst Leben und Farbe und Sinn. Bei der unbestreit
bar hohen Bedeutung des schriftlichen Verkehres, der
mit der Vermehrung und Vervollkommnung unserer Ver
kehrsmittel eine ungeahnte Höhe erreicht hat und weiter
hin noch mächtig im Steigen begriffen ist, nimmt es des
halb einigermaßen wunder, daß von den tausenderlei
Deformen in unseren Einrichtungen durch das moderne
Kunstgewerbe das Briefpapier bisher ausgeschlossen
blieb.
Schon ein flüchtiger Blick in die alten Handschriften
unserer Museen zeigt uns, wie gedankenarm und phan
tasielos unsere sonst so anspruchsvoll und formenfreudig
sich gebärdende Zeit gerade auf diesem Gebiete ist. So
wohl Material wie Ausstattung der Handschriften iiber-
tieffcn weit alles, was unser heutiger Briefschmuck auf
weist. Ich erinnere nur an das oft wochenlange Arbeit
beanspruchende Zieren der in den mittelalterlichen Hand
schriften enthaltenen Initialen mit prächtigen Malereien
in Farben und Gold. Dazu kam dann noch der Aufdruck
eines Siegels gleichsam zur Bekräftigung und Fürecht
erklärung des schriftlich Niedergelegten. Die Anwen
dung des Siegels in gewöhnlichen Privatbriefen ist
heutigen Tages wegen der allgemeinen Nichtbeachtung
ungekrönter Siegel fast ganz in Wegfall gekommen. Ein
Ersatz hiefür war bis in die letzte Zeit nicht gefunden.
So ist es leicht erklärlich, weshalb die erst kürzlich
erfolgte Einführung eines neuen Briefschmuckes, der an
Stelle eines Wappens oder aber auch in Verbindung mit
einem solchen als bleibendes Abzeichen der Briefe einer
bestimmten Person gedacht ist, des »E x e p i s t u 1 i s«,
in verhältnismäßig kurzer Zeit schon vielen Anklang ge
funden hat. Die Sitte des »Ex epistulis« ist eine Ueber-
tragung der »Ex libris« in den Briefverkehr.
Das »Ex epistulis« soll einen dreifachen Zweck er
füllen. In erster Linie soll das »Ex epistulis« behilflich
sein, den Namen des Briefschreibers zij enträtseln — eine
oft recht schätzenswerte Hilfe, wenn man an die fast
allgemein zur Mode gewordene Unsitte denkt, so un
leserlich wie möglich zu unterschreiben.
Das moderne »Ex epistulis« soll zweitens dazu
dienen, diese Bezeichnung des Namens statt durch nüch
terne Buchstaben allein in künstlerischer Aufmachung,
in Verbindung mit einer hübschen Zeichnung u. s. w. dar
zustellen. Wer schon ein »Ex libris« besitzt, kann dessen
Verkleinerung nach Abänderung der Worte »Ex libris«
vielfach als »Ex epistulis« benützen. Dies gilt besonders
von »Ex libris« heraldischer, symbolischer oder allegori
scher Art (analog den redenden Wappen). Daneben dürf
ten auch ornamentale »Ex epistulis« sowie solche mit
landschaftlichen Darstellungen Liebhaber finden. Auf
diese Weise kann ein äußerst fruchtbarer und sinniger
Austausch erfolgen von Millionen zählenden Kunst
werken en miniature, da die »Ex epistulis« in allen
Kulturstaaten Eingang gefunden haben.
Der Hauptwert aber der »Ex epistulis« besteht darin,
daß durch den in der Zeichnung enthaltenen Hinweis auf
den Beruf, den Namen, auf Charaktereigenschaften und
Liebhabereien des Briefschreibers der Brief nicht allein
künstlerisch wertvoller, sondern auch individueller, per
sönlicher, redender wird. Wie interessant verspricht es
zu werden, den Beziehungen nachzuspüren, die zwischen
dem »Ex epistulis« und seinem Inhaber bestehen, nament
lich wenn es sich um das »Ex epistulis« eines Freundes,
eines lieben Bekannten oder einer hervorragenden Per
sönlichkeit, zum Beispiel eines Dichters, eines Künstlers,
eines ausgezeichneten Staatsmannes, eines verdienten
Heerführers u. s. w. handelt! Man wird da um so eher
charakteristische Züge finden, als in den weitaus meisten
Fällen der Briefschreiber selbst dem Künstler seine
Wünsche hinsichtlich der Ausführung seines »Ex epistu
lis« vorgeschrieben oder ein ihm nahe stehender, zeich
nerisch begabter Freund ihn auf dem kleinen Kunstblatt
charakterisiert hat.
Die wenigsten von den Gebildeten besitzen eine der
artige Bücherei, daß sich ihretwegen die Anschaffung
eines »Ex libris« lohnen würde. Die Verwendung des »Ex
epistulis« aber kann unschwer eine allgemeine werden,
zumal nach Herstellung des Klischees die Druck- und je
weiligen Nachschaffungskosten verhältnismäßig gering
sind und das Briefpapier nicht allzusehr verteuern. Jeder
Gebildete sollte sich daher eines mit seinem »Ex epistu
lis« versehenen Briefpapieres bedienen. Wer schon ein
Wappen besitzt, möge dasselbe in unaufdringlicher Weise
darin anbringen lassen, was jedenfalls in dieser Form
unserer modernen Zeit geschmackvoll Rechnung tragen
würde.
Soviel dürfte sicher sein: macht die schon beginnende
Vorliebe für diesen modernen Briefschmuck weiter Fort
schritte, so dürften die »Ex epistulis« aus den 'ange
gebenen Gründen bald zur Anlage großer »Ex cpistulis«-
Sammlungen führen, ebenso und in viel ausgedehnterem
Maße als es mit den »Ex libris« der Fall war und ist. Zu
diesem Zwecke haben schon jetzt, ähnlich den Brief
marken- und Ansichtspostkartenalben — die »Ex epistu
lis« können übrigens auch auf den Postkartenverkehr
sinngemäße Anwendung finden - auch »Ex epistulis«-
Alben Eingang gefunden.
Auch der Beliebtheit und allgemeinen Einführung der
Siegel marken würde, cs nur förderlich sein, wenn
ihre Bezeichnung »Reklam-Siegelmarken« in »Ex epistu-
lis-Marken« abgeändert würde, da unter diesem Namen
nicht allein die Geschäftswelt, sondern auch die Allge
meinheit solche Marken verwenden könnte, entweder
an Stelle eines Aufdruckes zum Aufkleben am linken
oberen Rand des Briefpapieres oder als Siegelmarken.
Unzweifelhaft würde dadurch das Interesse für diesen
sehr modernen und beachtenswerten Sammelsport und
der Sammelwert dieser Marken selbst noch wesentlich
gesteigert werden können.