MAK
Nr. 18 
Seite 275 
Internationale Sammler-Zeitung. 
den, wie sic das Bingsche Porzellan repräsentiert, wo 
das Gute dem Besseren bereitwillig Platz macht und wo 
die vorhandenen Kräfte anfs höchste angespannt und auts 
vollkommenste zur Geltung gebracht werden. 
Und welche glänzenden Triumphe hat das Kopen- 
hagener Porzellan auf der Weltausstellung in Brüssel 
im Jahre 1910 gefeiert. Gelegentlich des Brandes dieser 
Ausstellung äußert sich die »Frankfurter Zeitung« in 
ihrep Nummer vorn 28. August desselben Jahres folgen 
dermaßen :».... Eine glückliche Ausnahme bildet nur 
die Ausstellung von Dänemark. Auf kleinstem Raum 
ist hier ein wahres Monument höchster nationaler Kultur 
vereinigt worden. Mitten in dem Wust der Abteilungen 
der anderen Staaten in dieser Halle, mitten zwischen 
dem Lärm der kundenanreißenden schreienden Teppich 
verkäufer Persiens und der Türkei, liegt dieses künst 
lerische Juwel Dänemarks, vornehm, gelassen und von 
der Masse des Publikums glücklicherweise vernach 
lässigt. Es ist kaum nötig, jetzt noch Worte über die 
Kopenhagener Porzellanmanufaktur zu verlieren. Und 
doch sahen wir Neues von einer feinen Grazie der Form, 
von einer Superiorität des Gedankens, in die ein leisei, 
fast überkultivierter, mokanter, weichlicher Zug hinein 
spielte, weiche Fleischtöne und unendlich fein schillernde 
Farben, die uns in Erstaunen versetzten. Zarte Nymphen, 
die einen überlegenen Faun neckten, kluge eigenwillige 
MLädchen, die pagodenhaft mit dem Kopfe nickten, hat 
Henning geschaffen, markante Bauernmädchen, die 
mit allem Realismus den Charakter des Porzellans fest- 
halten, Mart. Hansen, prächtige Farben auf einer 
lebendig scheinenden Kröte Engelhardt. Das Museum 
für dekorative Kunst hat aus diesem reichen Lande natur 
gemäß eine wahre Perlenkette gleichwertig guter Stücke 
sammeln und vorführen können, bei welchen zwei 
Damen, Fräulein Heger m a n n und Lindeeron.e, 
als Künstlerinnen Männern wie Willemsen und 
Weg n er gleichwertig sind. Und welche unendliche 
Reichhaltigkeit hat dieses kleine Land in den Tönen 
seiner Keramik geschaffen (Kahler, Holback, Klint 
u. s. w.). Italien und Frankreich vereint können sich nicht 
mit Dänemark messen. Welch ein Jammer wäre es ge 
wesen, wenn dieses unvergleichliche Kulturdokument 
dem Brande zum Opfer gefallen *wäre . . .« 
Schließlich noch ein paar Worte über das Technische. 
Wenn man durch die weiten, lichten Säle schreitet, 
hat man eher den Eindruck, eine Kunstakademie zu be 
suchen. Ueberall farbige Entwürfe, Blumen, ausgestopftc 
Tiere, Paletten, Spachteln, plastische Modelle und an den 
T ischen Hunderte von Frauen, die man in ihren grauen 
Leinenjacken zuerst für Arbeiterinnen ansieht, bis ein 
näherer Blick auf ihre Arbeit oder auch auf die intelligen 
ten Züge den Irrtum richtigßtellt. Es sind ausnahmslos 
künstlerisch ausgebildete Damen, die hier zum Teil selb 
ständige Zeichnungen entwerfen, zum Teil den Entwurf 
anderer auf das Porzellan übertragen. Auf das zu diesem 
Zwecke schon einmal gebrannte — »vorgeglühte« — 
Stück wird nämlich die Malerei nicht in der altüblichen 
Weise einfach mit Stift und Pinsel übertragen, sondern 
vorerst reliefartig eingeschnitten und die Farben in 
diesen Vertiefungen dick eingelegt. 
Man muß diese langwierige und peinlich genaue Ar 
beit mit ansehen, um — die allerdings enormen Preise 
der schönen Stücke zu begreifen. Denn nun erst, nachdem 
in ineist tagelanger Arbeit die Malerei übertragen ist, ge 
langt das Objekt mit der aufgetragenen Glasur in den 
zweiten Ofen, die Glühhitze. Wird dieser dann geöffnet, 
so sind von hundert Stücken wohl vierzig — gesprungen, 
die gesamte an sie verwandte Arbeit unwiederbringlich 
dahin. Und an den unversehrten müssen selbstredend die 
verlorenen mitbezahlt werden. In diesem zweimaligen 
Brennen liegt nicht nur die Erklärung für die Kostspielig 
keit der dänischen Porzellane, sondern auch der wesent 
lichste technische Unterschied von anderen keramischen 
Werken. In Meißen und Sevres wird die Malerei auf das 
fertige, zweimal gebrannte Porzellan aufgetragen und 
dann ein drittes Brennen nur zur Fixierung der Farben 
verwendet. Mit den Stücken, die im ersten und zweiten 
Ofen Schaden nehmen, geht somit nur der Rohwert des 
Porzellans, nicht aber auch künstlerische Arbeit verloren. 
Wobei bei Kopenhagen noch der Ehrgeiz, namentlich der 
Werke Bing & üröndahl, hinzukommt, möglichst viele 
Originale zu liefern, bei denen nach der ersten geglückten 
Reproduktion der Entwurf oder das Modell vernichtet 
wird. 
Verwunderlich ist es, daß in Oesterreich und 
Deutschland Kopenhagener Porzellan so wenig gesam 
melt wird. Es wird ja wohl gekauft, aber zu Dekorations 
zwecken, und man scheut sich, für erstklassige Stücke 
einige hundert Mark auszugeben; unsere Sammler haben 
noch nicht begriffen, daß es sehr klug und vorteilhaft sein 
kann, moderne keramische Kunstwerke zu sammeln, 
nicht nur einzelne Stücke für Dekorationszwecke zu er 
stehen. 
Das erste Gemälde Raffaels. 
Aus Brescia wird uns geschrieben: 
Angeregt durch die Veröffentlichungen des deutschen 
Kunstgelehrten Oskar F i s c h e 1 im »Jahrbuch der preußi 
schen Museen«, hat eine offizielle Kommission die hiesige 
Gemäldegalerie Tosio-Martinengo besucht. Corrado Ricci, 
der Generaldirektor der schönen Künste, Dr. Modigliani, 
der Direktor der Mailänder Brera, und Professor C a- 
venaghi, der vortreffliche Restaurator, hatten sich zu 
sammengefunden, um die Behauptung Fischeis, ein Bild der 
erwähnten Gemäldegalerie sei ein Bruchstück jenes Altar 
bildes, das Raffael in Cittä di Castello als sein erstes 
Merk gemalt hatte, auf ihre Richtigkeit zu prüfen. Bisher 
hatte das betreffende Bild als Werk des umbrischen Malers 
Timoteo V i t i, des bekannten Lehrers Raffaels, gegolte.',, 
während der deutsche Forscher die Ansicht verfocht, das 
Raffaelsche Altarbild sei im 18. Jahrhundert in verschiedene 
Bruchstücke geteilt worden, die in Privatbesitz gelangt seien. 
Eine Vergleichung der von dem Maler Gonstantini her- 
gestellten Kopie, die sich in der Kirche von Cittä di Castello 
befindet, mit dem Brescianer Bild führte Fischei zu dem 
Schlüsse, daß dieses eines der Fragmente sei. Es handelt 
sich um eine Tafel in den Abmessungen von 27X33 Zenti 
meter, die einen Engel mit blondem Haar, in weißem Gei- 
wande, über das ein mit Gold gefaßter Mantel geworfen ist, 
darstellt. 
Die Untersuchung des Gemäldes zeigte bald, daß zu 
beiden Seiten des Engelkopfes Uebeijmalungen statt 
gefunden haben. Cavenaghi reinigte das Bild von diesen, uni
	        
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