Nr. 19
Internationale Sammler-Zeitung.
Seite 291
vom Abgrunde links aufsteigenden, sich wellenförmig
verbreitenden Dämpfe stellenweise verdeckt.
An der dunklen, senkrechten Fläche des Abgrundes
am Felsen befindet sich die Inschrift MARCVS CVRCIS,
das Monogramm des Künstlers und die Jahreszahl 1530.
Beide Bilder sind auf Lindenholz in Tempera gemalt,
das erstere 0985 Meter hoch, 0725 Meter breit, das
letztere 0-975 Meter hoch, 0‘69 Meter breit (etwas abge
schnitten). Die Erhaltung ist, bis auf zwei Brettsprünge
bei dem zweiten FJilde, eine sehr gute.
Wie aus dem Evidenzkataloge der Gemäldegalerie
der Gesellschaft patriotischer Kunstfreunde in Prag (Ru-
dolfinum) zu entnehmen ist, waren beide Bilder in den
Jahren 1808 bis 1852 in dieser Sammlung ausgestellt (als
Eigentum des Grafen Kolowrat Liebsteinsky leihweise
der Galerie überlassen). Der Katalog vom Jahre 1835 be
schreibt (Zimmer XV, Nr. 23 und Nr. 63) die Darstellung,
nennt Fians Baidung Grien als Urheber der Gemälde, er
wähnt aber außer der Jahreszahl nichts von den Auf
schriften und dem Monogramm des Meisters.
Im Evidenzkataloge findet sich unter Nr. 1133 und
1134 folgende, den Bilderwert dieser Zeit besonders
charakterisierende, amüsante Bemerkung: »Aus dem
Fonds der Gesellschaft mit dem Pendant erkauft für 35 fl.
und in der Licitation am 30ten Dec. 1807 zurückgestellt
an den Besitzer 1852.«
Die beiden Gemälde sind in der mir zugänglichen
Baldungs-Literatur bisher nicht aufgeführt. Auch der an
gesehene Baldungs-Forscher Flofrat Direktor Dr. Gabor
j v. T erey in Budapest teilte mir auf meine Anfrage hin
freundlichst mit, daß ihm diese zwei Werke unseres
Meisters nicht bekannt seien. Ich glaube daher mit Recht
annehmen zu dürfen, daß meine Mitteilung eine will-
I kommenc Bereicherung unserer Kenntnis Baidungs
I liefert.
Die Sammlung Adolf Heß.
Von Dr. Georg UH (München).*)
Der verstorbene Flerr Adolf H e ß in Frankfurt a. M.
war ein Liebhaber der Kleinkunst. Es ist dies ein
Sammlertyp, der heutzutage seltener geworden ist. Die
allgemeine Geschmacksrichtung geht mehr auf das
Repräsentative und Dekorative und so bevorzugt man
schöne alte Schränke und Möbel, Gobelins, Holzfiguren,
alte Oelgemälde, Bronzen, eben alles, was einer Innen
einrichtung und somit auch seinem Besitzer ein gewisses
Ansehen gibt. Dagegen gehörte Adolf Ließ zu jenen
Fig. 1. Ohmacht, Alabasterporträt.
Sammlern, wie man sic häufig auf alten niederländischen
Bildern oder auf Gemälden der nunmehr allmählich aus
sterbenden älteren Münchener Schule so liebevoll dar
gestellt findet. Einem gern gesehenen (fast zeigen sie
plötzlich, aus unscheinbaren Schränken und Kommoden,
*) Die Sammlung gelangt am 15. d. M. bei He lbittg in
München zur Versteigerung.
aus irgendwelchen Ecken hervorgcholt, die kleinen
Schätze vergangener Kunst, Dinge, die nicht mehr als
eine Hand füllen und deren letzte und zarteste Fein
heiten erst mit der Lupe zu erkennen sind.
Diesen Gesamtcharakter hat auch des Verstorbenen
nachgelassene Sammlung, die nochmals dadurch eine
persönlichere Note bekommt, als ihr Besitzer vor allem
die Porträtkunst in den verschiedensten Materialien be
vorzugte. Die ältesten und kostbarsten Stücke dieser
Fig. 2. Relief Al. Berthiers.
Porträtkleinkunst sind fünf Buchsmedaillen aus dem
16. Jahrhundert. Besonders das reichgewordene Bürger-
! tum Siiddcutschlands, das damals durch den Humanis
mus Sinn für die Individualität und den Nachruhm be-
| kommen hatte, schätzte diese Art des Kleinporträts.
I Auch von unseren Stücken dürften wohl drei süddeutsche