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Internationale Sammler-Zeitung.
Nr. 2
Italien stammt der Schmuck 441 ff, broschartige Scheibe und
breitreifige Ohrringe, von jener wunderbar feinen Granulier-
und Filigranarbeit, welche diese klassischen Juwelierarbeiten
auszeichnet, und der man gerade in dieser Ausstellung auf
Schritt und Tritt begegnet. Unter den runden, als Besatz oder
sonstwie verwandten Zierscheiben aus Gold fällt eine mit
Büste in der Art der besten Hildesheimer Stücke ins Auge,
vor allem jene (ein hellenistisches Werk) mit dem Helioskopfe,
wo die Wölbung rings von einem feinen Maschen- und
Schuppenmuster, umgeben gewissermaßen die flimmernde
Atmosphäre des Sonnenballs, künstlerisch zum Ausdruck
bringt. Auch an den kunstvollen Fibeln (Sicherheitsnadeln),
besonders der brillant ornamentierten 451, Silber- mit üold-
belag (aus Campanien), wird man nicht gleichgiltig voriiber-
gehen.
Umfangreicherer und schwererer Goldschmuck liegt
in der nächsten Pultvitrine am Fenster aus. Totendiademe,
Goldkranz, das lockere Blattwerk durch kleine grüne Beeren
aus Smaragden belebt; Armband aus der römischen Kaiser
zeit mit nachgeahmten Münzen Jes Caracalla und der Plan-
tilla (499). In die byzantinische Aera versetzt uns ein Fund
aus Oberägypten, sechs Stücke, darunter das große halbmond
förmige Kollier aus durchbrochenem Golde, von Perlen und
Edelsteinen strotzend, die große Zierscheibe mit biblischen
Reliefs an jeder Seite (Verkündigung, Verwandlung des
Wassers in Wein), auch griechischer Inschrift dabei. Ein
schweres Armband mit imitierten Kaisermünzen. Ein anderes
mit griechischer Widmung stammt aus Syrien wie die kleine
Glocke daneben, auf dieser liest man den Wunsch: tö as
■piXouvT« cpiXst den sich früher bei uns die Schulkinder ins
Stammbuch schrieben, allerdings in der erweiterten Fassung:
»Liebe mich so wie ich Dich; hoppsassa Gedankenstrich.«
Indem wir uns den im Saal stehenden Pultvitrinen erster
Reihe zuwenden, geraten wir einigermaßen in Verlegenheit
bei dem Versuch, eine Auswahl zu treffen unter dem, was hier
an kostbaren Kolliers, Ohrringen, Fingerringen und ähnlichen
Kostbarkeiten ausgebreitet ist. Die Liebhaberei für Kameen
und geschnittene S i e g e 1 s t e i n e, die heute fast aus
gestorben, konnte auch einstmals nur durch eine Anzahl un
echter Arbeiten im Spätrenaissancestil oder mehr oder weniger
geschickter Nachahmungen der Antike befriedigt werden. Die
allgemeine Unsicherheit auf diesem Gebiete, die Schwierigkeit
der Unterscheidung des Echten hat nicht wenig dazu beige
tragen, die Kenner und Liebhaber auf einen immer winzigeren
Kreis zu beschränken; natürlich auch das Abkommen des Brief
siegeins, der großen Siegelringe am Finger, und andererseits
der über die Enge des Schubfaches hinausstrebende Sinn, der
sich auf das Räumliche, auf die größere Kunst und ihre Ab
bilder richtete. Von den wenigen, aber offenbar zuverlässigen
und kritisch geprüften Proben, die hier ausgestellt sind, nenne
ich nur den großen, entzückenden Sardonyx, wo ein Jüngling,
auf einen Pfeiler gestützt, das Schwert und die anderen
Wafferistücke betrachtet, als sollte er sie zum erstenmal in
seinem Leben anlegen. Und nun erst der weibliche Schmuck!
Da wechseln mit den goldenen Zwischengliedern an Schnüren
bald milchweiße Achate, bald duftige Amethyste, bald lange
Reihen von Karneolen in Fassettenschliff, ln Gestalt flacher
rhombischer Scheibchen verflechten sich mittelst kleiner so
oder so gestellter Röhrchen bald Edelsteine, bald mit Ver
tauschung der Funktion Goldelemente zu breiten Halsketten.
Ganz modern im Geschmack mutet die feine Goldkette an, mit
den schweren daranhängenden Tropfen aus Smaragd. Man
wird den Vergleich des Modernen nicht mißverstehen. Die
Authentizität wird in manchen Fällen schon durch besondere
äußere Beweismornente verbürgt; so liegen hier offenbar aus
Tarentiner oder sonstwie süditalienischen Grabfunden zwei
feine Ketten mit gedrehten Goldfransen, deren einer noch die
Oxydationsflecken von einer Silbermünze anhaften, welche
hier gleichfalls ausliegt. Es ist gut, daß neben den gediegenen
Materialien auch jene heiteren buntfarbigen Glasketten nicht
fehlen, welche in größerer Zahl übereinander die Brust der
bürgerlichen Römerin zierte. Auf die damals beliebte zylin
drische Form der mit Rundperlen abwechselnden Elemente
solcher Ketten spielt einer der römischen Satirendichter an,
speziell auf solche aus kostbarem Material. Es waren die
letzten Typen in der langen Reihe von Kolliers, die von Eri-
pliyle und Prokris angefangen, die Treue antiker Frauen auf
die Probe stellten; blutige Kriege zu entfachen, wie den Zug
der sieben Helden gegen Theben, waren sie nicht mehr im
stande; man hatte sich eben an das la donna e mobile gewöhnt.
Unter den zahreichen Ohrringen mit ihrem uner
schöpflichen Reichtum der Zeichnung und Erfindung, ihren
mannigfach gestalteten Bommeln, Kettchen, Angängseln
führen nicht wenige kleine Figiirchen, als Tänzerinnen,
Amoretten, den Adler mit Ganymed in den Klauen, Vögel mit
emaillierten Partien. Eine Spezialität der Etrusker sind jene
halb offenen Rollen (a baule, in Form der Reisetasche), ge
wöhnlich von exquisiter Filigranverzierung. Eine hier be
sonders gut vertretene Gattung griechischer Ohrringe ist die,
welche nach der einen Schlußseite anschwellend, dort in einen
Tierkopf (Löwe, Delphin, Bergziege) ausgeht. Goldene
Medaillonkapseln, sogenannte bullae dienten zum Verschluß
irgend eines Talismans. Auch die hier gleich im ersten Fache
bei der Tür sichtbare Feuersteinspitze, eine prähistorische
Pfeilspitze, in goldener Fassung setzt ähnliche Vorstellungen
voraus; so gehört zu dem Goldfund aus Vettersfelde in einem
der Nebenräume des Antiquariums ein in Gold gefaßtes kleines
Steinbeil. Dergleichen in der Erde gefundene Steinwaffen
wurden als vom Himmel gefallene Donnerkeile angesehen.
Die hintere Pultreihe gewährt uns einen Blick in das
Kulturleben der Goten, der Völkerwanderung, der Waräger
und der Russen im frühen Mittelalter. Pferdezaumschmuck,
Armbrustfibeln und Scheibenfibeln, silberne Schalen mit und
ohne Vergoldung (sehr hübsch) erscheinen hier neben statt
lichen Schmuckgehängen.
Chronik.
Bibliophilie.
(B ü c h e r s c h ä t z e aus einem alten Land
hau s.) In der Nähe der englischen Stadt Nottingham steht
ein altes Landhaus, Oxton Hatl, das schon zu Zeiten der
Königin Elisabeth von England der Landsitz der damaligen
Gutseigentümer war, und das jetzt durch einen Zufall die
Stätte kostbarer bibliophiler Funde geworden ist. Seit Jahr
hunderten war das Landhaus Eigentum der Familie Sher- I
brookes und ging 1847 in die Hände von Henry Potter Lowe
über, dessen Bruder später das Gut erbte und den Titel eines
Viscount Sherbrookcs erhielt. Der Vikar der Gemeinde, der
Reverend W. Laycook, ist ein begeisterter Bibliophile und
erwirkte von dem jetzigen Besitzer Kapitän Capten die Er
laubnis, die alten Bücher des Hauses zu prüfen. In einem ver
schlossenen Bücherschrank, der seit vielen Jahrzehnten ver
gessen und verstaubt in einer Ecke stand, fand der geistliche
Herr einen kostbaren Schatz echter, alter Handschriften, die