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Seite 374 
Internationale Sammler-Zeitung. 
Nr. 24 
eigentlich einen ganz eigenen Aufsatz widmen und ich 
behalte mir vor, dies noch einmal zu tun; aber auch hier 
will ich die markantesten erwähnen, die einschneidend 
in das Leben des Reiches eingriffen: von Badeni — 
1897 bis Mürzsteg — 1903; von den Dreadnoughts bis 
zur Annexion von Bosnien, und der Reise des greisen 
Herrschers in sein neues Land, das ihn, als seinen Hort 
und Schützer, als den Förderer seiner Kultur jubelnd 
willkommen hieß. 
Wir sehen ernste und heitere Momente aüfge- 
nommen, wie das wechselreiche Leben sie brachte; auch 
in vielen Karikaturen, bei denen die Satire wahre 
Triumphe feiert, wurden uns manche Begebenheiten vor 
Augen geführt. Ich habe wohl auch einige dieser Kari 
katuren — Burenkrieg etc. in meine Sammlung auf 
genommen, aber nur deshalb, weil sie ein Streiflicht sind, 
das auf die Zeit fällt, und darum sind sie nicht gut ent 
behrlich. Aber es ist ein nicht zu begrüßendes Zeichen 
eben dieser Zeit, daß gerade die Karten, die einen derb 
humoristischen Anklang haben, so ausgedehnte Ver 
breitung fanden. 
Von den Bildern, die uns die Tagesereignisse unver 
geßbar machen, komme ich nun zu denen, die uns Kunde 
geben von den entferntesten und nächstgelegenen land 
schaftlichen Sehenswürdigkeiten und. von den toten und 
lebenden Menschen, deren Andenken — für die weitesten 
Kreise — auch durch die farbigen Blättchen auf lange 
hinaus festgehalten wird. 
Wenn ich nun also reden will von den zahllosen 
Porträtkarten berühmter Persönlichkeiten, so sind es 
wohl in erster Linie die Größen der Musik- und Theater 
welt, die hervorgehoben werden müssen. Vom Backfisch 
mit dem Mozartzöpfchen an, bis zum alten Herrn im 
schneeweißen Haar, will jeder Sammler die Musiker, die 
er gehört, die Schauspieler, die er gesehen, im Bilde be 
sitzen, und so flattern Tausende von Korffs, Thimigs, 
Devrients, Rettys, Mildenburgs, Förster-Lauterers, Elsa 
Blands, Lola Beeths, Medelskys, Duses, Sarah Bern 
hards, Girardis in der Welt herum — nicht zu reden von 
Lehar, Fall, Evsler, Oskar Straus und Richard Strauß, 
Humperdinck, Leoncavallo, Mascagni, Siegfried Wagner 
etc. Die Schriftsteller — die Helden der Feder — sind im 
Bilde nicht so populär wie ihre Schriften. Wohl deshalb, 
weil ihre Persönlichkeit kaum — außer ab und zu am 
Vorlesetisch — ins Leben hinaustritt. Sie geben uns ihre 
Gedanken in Ernst und Heiterkeit, in erschütternder 
Tragik und in Goldschnittpoesie, überlassen es aber 
meistens unserer Phantasie, ein Bild ihrer äußeren Er 
scheinung zu verfertigen. Immerhin sind doch einige in 
meiner Sammlung zu finden: Felix Dahn, Paul Heyse, 
Rosegger, Ganghofer, Lombroso, Gerhart Hauptmann, 
Sudermann, Ompteda, Ibsen, Hermann Bahr, Max 
Nord.au, Björnson u. s. w. 
Maler und Bildhauer sind auch nicht sehr häufig auf 
Karten zu sehen, das heißt, die noch lebenden. Den 
jenigen, denen Pinsel und Meißel aus der schaffensmüden 
Hand entglitten, begegne ich oft in meiner Kollektion. 
Raffael, Murillo, Holbein alt und jun, Dürer, Rembrandt, 
sie ziehen im Bilde an den Epigonen vorüber. Aber nicht 
nur im Selbstporträt, sondern auch in den Gemälden, 
die sie von anderen geschaffen, und diese Reproduktionen 
der alten herrlichen Werke bilden eine eigene Abteilung 
meiner Sammlung. Wer sieht nicht immer wieder mit 
freudiger Dankbarkeit die Schöpfungen, die uns der er 
habene Geist der Meister früherer Zeiten gespendet? 
Wer sieht nicht immer wieder von neuem mit staunen 
der Bewunderung die Madonnenbilder von Raffaels 
»Sposalizio« bis zu M u r i 11 o s »Himmelfahrt« ? Und 
die zahlreichen anderen dazwischen, die »Madonna di 
Granduca«, »della Sedia«, »Sixtina«, R e n i s »Jesus- 
knaben« mit den dunkeln Feueraugen, seinen »Christus 
mit der Dornenkrone«, die »Mater dolorosa«, Hol 
beins Madonnen, etwas steif, aber wie großartig in der 
ganzen Gruppierung, von Rubens die »Erweckung der 
Tochter des Jairus«, »Christus am Kreuz«, dieses Bild, 
das immer und immer wieder seine Kopisten findet und 
dessen Kopien man begegnet, auf Schritt und Tritt kann 
ich sagen, in den kleinen Dorfkirchen, wie in den Domen 
der Großstädte. Und Murillo! Neben seinen Heiligen 
bildern hat er uns Darstellungen von so unbezwing» 
lichem Humor hinterlassen, daß wir bei ihrem Anblick 
lächeln müssen. Die Melonen- und Traubenesser, diese 
kleinen Kerle schauen uns mit ihren vor Munterkeit 
funkelnden schwarzen Aeuglein entgegen, wenn wir in 
der Pinakothek in ihre Nähe kommen, und man könnte 
beinahe einen Moment glauben, sie leben. R e ru 
bra n d t s »Saskia« und Van Dycks »Bild seiner Frau« 
sind auch in meiner Sammlung vertreten, Tizians »La- 
vinia«, Giorgio ne s »Konzert«, Teniers »Ostade«, 
Jan B r e u g h e 1 nicht zu vergessen, und so geht es 
weiter bis auf unsere heutige Zeit, bis zur Sezession und 
den englischen Präraffaeliten: Stanhope, Burne, Jones etc. 
Außer diesen Karten habe ich noch eine kleine 
Uebersicht der interessantesten Ausstellungen, die in den 
letzten Lustren stattgefunden haben: Chicago, Brüssel, 
München, Paris, Dresden. Leipzig, Berlin, Frankfurt, 
Prag, Wien. Die erste Ausstellung der Sezession — Wien 
1898 — ist da vertreten, die Fächer- und Uhrenschau, 
die Miniaturenrevue, die alte Theaterausstellung, Auto 
mobil- und Gewerbeausstellungen und die Jagdausstellung 
1910, die so viele und so vielgestaltige Karten brachte 
wie kaum je eine aridere Exposition. 
Und über die Städte-, Dörfer-, Berg-, See-, Denk 
mäleransichten — nein, über die kann ich nicht mehr 
viel sagen, nur, daß es wohl keine hervorragende Stadt 
gibt, die nicht mit einer Ansicht bei mir vertreten wäre. 
Nicht nur Europas Städte haben meine Sammlung be 
reichert, auch die anderen Erdteile entsandten bunte 
Blättchen. 
Ein großer Vorteil der Karten ist: sie führen uns mit 
Genauigkeit die schönsten und bemerkenswertesten 
Punkte vor Augen; die Ansichtskarte wird ja auch, wenn 
ich nicht irrig berichtet bin, an manchen Schulen zum 
Unterricht verwendet, was gewiß viel dazu beiträgt, daß 
! sich ein lebendiges Bild der Welt, mit den verschiedenen 
Baueigentümlichkeiten und den Volkstrachten dem Ge 
dächtnis der .Tugend einprägt. 
Eine vollständige — auch nur annähernd er 
schöpfende — Wiedergabe der Karten läßt sich natür 
lich nicht durchführen. So wie das Leben seinen Gang 
geht, bringt es täglich neue Erscheinungen auf diesem 
Gebiete hervor. Zahlreiche sind meiner Sammelfreude 
nicht entgangen, wenn ich auch nicht behaupten kann, 
daß sie immer die Freude des Sammlers zu erwecken 
imstande sind. Denn mitunter sind sie nicht gar hübsch. 
Aber es kommt eben in einer solchen Sammlung nicht 
ausschließlich der ideale Standpunkt in Betracht, wenn 
gleich ich, auf die Gefahr hin, unmodern genannt zu 
werden, gestehen muß, daß ich immer bemüht war, von 
den Bildern diejenigen zu wählen, die das Auge nicht be 
leidigen und sogar manchmal, wenn es nicht anders ging, 
darauf verzichtet habe, einzelne Karten in meine Samm 
lung aufzunehmen. Denn ich glaube, daß wir Menschen 
dazu da sind, das Schöne zu fördern und zu propagieren, 
ich glaube, daß wir dazu da sind, zu trachten, daß die 
Fahne, auf der in unverwischbaren Lettern das Wort 
»Kunst« geschrieben steht, nicht herabgezogen werde, 
sondern hoch in den Lüften flattere, im reinen Aether der 
Schönheit.
	        
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