Nr. 6
Internationale Sammler-Zeitung.
Seite 91
aus dem Vatikan entfernt und waren seitdem verschollen. An
Material für die Rekonstruktion des Verlorenen gibt es außer
der Kopie noch zwei Zeichnungen Raffaels in Lille und Ox
ford. Auf Grund dieser gelang es Dr. Fischei, zwei noch er
haltene Reste des Originalgemäldes Raffaels zu identifizieren.
Ein Gott Vater, umgeben von Cherubim, jetzt im Museum zu
Neapel, ist ein Fragment der oberen Bildhälfte. Das Stück
kam aus S. Luigi de Francesi nach Neapel und mag durch
französische Soldaten, uie bei der Plünderung des vatikanischen
Palastes beteiligt waren, in diese Kirche gestiftet worden
sein. Ein Engelkopf, der jetzt unter dem Namen Timoteo Viti
geht, gelangte aus der Galerie Tosio in das Museum von
Brescia: er läßt sich mit Hilfe der Kopie sicher als Teil der
Engelgruppe rechts von dem Heiligen feststellen.
(Alte Schweizer Maler eie n.) Man schreibt uns
aus Genf: Interessante Mitteilungen über alte Malereien in der
Schweiz machte Universitätsprofessor de M o 11 i n in einem mit
Lichtbildern illustrierten Vortrage, den er im Palais de Rumine
in Lausanne hielt. Danach gehören zu den ältesten Bildern die
Fresken, welche sich in einer kleinen Kirche aus dem achten
Jahrhundert in der Ortschaft Münster im Kanton Graubünden be
finden. Sic stammen aus der Zeit Karls des Großen und wurden
vor zwei Jahren von den Archäologen Zemp und Dürer ent
deckt. Ein Teil dieser Fresken, die allerdings nicht gut erhalten
sind, stellt die Himmelfahrt Christi dar. Soweit man aus den
Figuren zweier Apostel urteilen kann, ist die Malerei ganz
impressionistisch ausgeführt. Andere Fresken, ganz in der antiken
Manier gehalten, stellen, wie noch deutlich zu erkennen ist. Be
gebenheiten aus der Geschichte des Königs David dar. In eine
ebenfalls alte Epoche reichen die prachtvollen Illustrationen der
berühmten Manuskriptsanimluiig. welche sich im Kloster vor.
St. O a i I e n befindet. Dieses Kloster, das aus dem siebenten
Jahrhundert stammt, besaß eitle Schule von Miniaturmaiern. Die
Zahl dieser Handschriften aus der Zeit der Merovinger, die von
den Künstlern in überaus reicher Meise illustriert wurden und
einen unschätzbaren Wert repräsentieren, beläuft sich auf über
hundert. Die Illustrationen, mit großer Feinheit ausgeführt und
hervorragend gut erhalten, sind für die Kunstgeschichte des
achten und neunten Jahrhunderts von großer Bedeutung. Der
Kanton Waadt besitzt in den Fresken der Kirche von
Montcherand seltene Gemälde, die wahrscheinlich bis in
das Jahr 1100 reichen. Sie wurden erst jüngst von dem Archi
tekten S c h tn i d zutage gefördert, sind mit äußerst charakteri
stischen Ornamenten versehen und stellen Christus mit den
Aposteln dar. Von anderen Stücken alter Malerei erwähnte Pro
fessor de Mollin noch die gemalte Decke der Kirche in Z i i 1 i s
(Graubünden). Zum Vorwurf dieser in der Schweiz einzig da
stehenden Malerei dient die Geschichte Christi in allen ihren
Einzelheiten. Dabei wußte der Maler die Begebenheiten mit
großer Einfachheit auf einem verhältnismäßig engen Raum fcst-
zuhalten, der sich aus nicht weniger als 150 Flächen zusammen-
setzt. Es ist nicht ausgeschlossen, daß der unbekannte Künstler
ein Mönch aus St. Gallen war, der die Malerei am Ende des
12. oder Anfang des 13. Jahrhunderts ausgefiihrt hat. Diese Hin
weise bekunden von neuem, daß die Schweiz auch hinsichtlich
der alten Malerei hinter anderen Ländern nicht zürücksteht, wie
ihre Schätze an modernen Meistern ja weithin bekannt sind.
Numismatik.
(Eine Fehlprägung ,der österreichischen
Hellersttick e.) Mit bezug auf unsere unter diesem Schlag
worte gebrachte Notiz in der vorigen Nummer (s. S. 73), schreibt
uns Herr Josef Latzei in Brünn: »Auch ich bin im Besitze
einer Fehlprägung eines Einhellerstiickes, das im Aussehen ganz
dem von Ihnen beschriebenen Exemplare gleicht. Mein Einhellei-
stiiCk stammt aber nicht aus dem Vorjahre, sondern gehört zur
Emission von 1894. Ich fand es in einem fnit neuen 2 Heller-
stiieken gefüllten Sacke zu 20 K. Es wurde also irrtümlich den
2 Hellerstücken beigezählt.«
(Aus der Nu m i s m en Gesellschaft in
Berlin.) Aus Berlin wird gemeldet: In der letzten Sitzung
kam Admiral Strauch auf das in einer früheren Versammlung
vorgelegte geprägte Stück 1 S c h a n g h a i - T a e 1 zurück.
Dieses Stück ist zweifellos in Hongkong hergestellt, wo sich
damals eine Münze der englischen Kommunalverwaltung befand.
In bezug auf Feingehalt und Gewicht gleicht es nicht dem Fein
gehalt und dem Gewicht des chinesischen Schanghai-Taels, es
scheint vielmehr ein Versuch, einen geprägten Tael einzuführen,
für dessen Gewicht und Feingehalt Gründe maßgebend gewesen
sind, die sich heute nur aus den Akten der erwähnten Verwaltung
würden feststellen lassen. Der Vortragende führte weiter ari, daß
auch in neuester Zeit ein Versuch gemacht worden ist, geprägte
Taels einzuführen, und zwar von dem Gouverneur der Provinz
Hupeh. Diese Taels hatten ein Gewicht von 37’30 Gramm und
einen Durchmesser von 41 Millimeter und sollen aus 877 Teilen
Silber, 70 Teilen Kupfer und 53 Teilen Zink bestehen. Die Münze
ist nicht unförmig groß, hat wohl kaum eine Verbreitung gefunden
und dürfte schon heute eine Seltenheit sein. — Major Schell
sprach unter Vorzeigung der Belegstücke über Geld münzen
aus der Uebergangszeit vom 24 F 1. - F u ß z u m 24% F 1.-
Fuß (1798—1830) in Süddeutschland, speziell im Großherzogtum
Baden: a) Münzen mit Randprägung »Trau, schau, wem«;
b) Münzen im Dezimalsystem. Diese Geldsorten gingen ein, als
1837 zwischen den süddeutschen Staaten eine Münzkonvention
geschlossen wurde, die sich bis zur Gestaltung der jetzt be
stehenden Reichswährung erhalten hat.
(Münze n f und.) Aus S e rn I i n wird uns berichtet:
Bei dem Brückenbau in der Nähe der slavonischen Gemeinde
Vukovär wurden sehr wertvolle Münzen aus altrömischer
Zeit gefunden. Auf einer der Münzen befindet sich die In
schrift: »Antonius Augustus«, auf der Aversseite ist ein römi
sches Kriegsschiff mit elf Seitenrudern und drei Rudern am
Steuer eingeprägt. Auch die anderen Münzen sind von großem
Werte. In der Gegend von Vukovär hat sicli bekanntlich eine
alte römische Festung befunden.
(Fine Plakette des Statthalters Freiherrn
v, Bienerth.) Wie wir erfahren, arbeitet Ludwig Hu jer zur
Zeit an einer Plakette des Statthalters in Niederösterreich, ge
wesenen Ministerpräsidenten Dr. Richard Freiherrn von
Bienerth.
Philatelie.
(Ein Fehldruck der österreichischen Zehn
heller-Marke ii.) Wir werden auf einen interessanten Fehl
druck der jetzt im Umlauf befindlichen österreichischen Zehn
heller-Marken aufmerksam gemacht. Ein Plattenfehler be
wirkt nämlich, daß auf jedem Blatte in der ersten Reihe als
zweite Marke ein Fehldruck erscheint. Der Fehler ist ein
roter Punkt in der Jahreszahl 1908, die dann wie 1905 oder 1906
aussieht.
(Abschaffung der ungarischen Porto-
rtiarken.) Aus Budapest wird uns gemeldet: In posta
lischen Kreisen zirkuliert das Gerücht, daß die Postverwaltung
die Abschaffung der Pcrtomarken plane.
(Verkauf gebrauchter bayerischer Mar
li e n.) Das königliche Postamt 1 München erläßt folgende
Kundmachung: »Verkauf gebrauchter bayerischer Freimarken.
I. 1 Los 3 Mark, Marken, senkrechte Wellenlinien, eine Wahl
10 Stück, tadellos erhalten, Preis 9 Mark. II. 1 Los 5 Mark,
Marken, senkrechte Wellenlinien, 1. Wahl 10 Stück, tadellos
erhalten, Preis 10 Mark; 2. Wahl 10 Stück, weniger gut er
halten, Preis 5 Mark.« Besser kann gar kein Briefmarken-
händler seine Ware anbieten. Vielleicht tritt die bayerische
Post auch dem Briefmarkenhändlerverband bei. Jedenfalls ist
der Verkauf gebrauchter Marken in dieser Weise seitens der
Postbehörde durchaus anzuerkennen. Die Marken werden da
durch sehr preiswert, mau braucht große Posten nicht zu