Internationale
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Zentralblatt für Sammler, Liebhaber und Kunstfreunde.
Herausgeber: Norbert Ehrlich.
4. Jahrgang. Wien, 1. Mai 1912. Nr. 9.
Aus meiner Flugblättersammlung.
Vom Professor Dr. Karl Rausch (Wien).
Die Aufhebung der Zensur, die Frfeigebung der
Kolportage und eine uneingeschränkte Preßfreiheit hat
in der kurzen Freiheitsepoche des Jahres 1848 nicht nur
dem politischen Idealismus freien Raum zur Entfaltung
gegeben, sondern auch den schlimmsten publizistischen
Ausschreitungen schrankenlose Betätigung ermöglicht.
Weitab von der ethischen Begeisterung des ersten
zensurfreien Blattes, das gedruckt wurde, das Lied »Die
Universität« von Ludwig August Frankl, aus der
Buchdruckerei Josef Stöckholzer v. Hirschfeld,
dem später eine Ausgabe mit der Musik von C. Rand-
h a r t i n g e r, erstem k. k. Vize-Hofkapellmeister, bei
F. Qlöggl folgte, liegen die bald darnach erscheinenden
Publikationen, die meist alle Merkmale des Pamphletes
an sich trägen. Ausgenommen hievon ist eine Anzahl
Schriften Gutgesinnter, die sich bemühen, das Ge
schehene im Sinne dynastischer 'Freue zu popularisieren.
ln einer kleinen Sammlung von Flugblättern aus
dieser Zeit, die ich besitze, finde ich ein Gedicht in
Wiener Mundart von A. Mayerhofer: »Der Bauer
bei der Mariahilfer Linie am Morgen des 14. März 1848«,
gedruckt bei Leopold Grün d, dessen Schlußvers
charakteristisch ist für die Auffassung der Dinge in den
loyalen Kreisen:
»Drauf hört man andachtsvoll den Bauer bethen,
O Qott und Herr, gieb da ein gnädig*® End’,
Laß Oesterreich Uns und inisern Kaiser retten,
Daß ruhmvoll Oesterreichs Nam’ sich krönt.«
Auch eine Reihe von Flugblättern Castellis er
schien, die den Zweck verfolgten, den Umschwung der
Dinge in loyaler Weise darzustellen und vor allem be
ruhigend und aufklärend zu wirken. Einige Titel lauten:
»Gutgemeinte Wünsche«, »Was ist denn jetzt g’scheh’n
in Wien?«, »Wie weit geht denn die neue Freiheit, die
wir erst kriegt haben?«, »Was ist die Konstitution und
was ist die Konstitution nicht?«
Interessant ist ein Manifest der Schriftsteller Wiens,
in welchem von dem Rechte der Preßfreiheit Besitz er
griffen wird, mit der Aufforderung an alle Intelligenzen
der Monarchie, »die Preßfreiheit, diese festeste Grund
lage des politischen Fortschrittes zum Wohle des Vater
landes und zur Beruhigung der Gemüter durch tätige
Beteiligung zu verwirklichen. — Es lebe unser Kaiser
Ferdinand!« Das Manifest trägt das Datum des 15. März
1848 und ist unterzeichnet von Castelli, Bauernfeld,
Frankl, Dr. Adolf Schmidl, Dr. J. N. Berger, Josef Rank,
Professor Josef Fischhof, Dr. Siegfried Kapper, Dr.
Leopold v. Mayer, Eginhard, Baron Lanoya, Siegmund
Engländer, Dr. Anton FIcidmann, Dr. Karl Tausenau, Dr.
Karl Baldamus, Simon Deutsch, .1. S. Tauber, Ludwig
Förster, Josef Szantö, Dr. Adolf Pichler, Gustav
Remellay, Leöp. Fischer Edler v. Wildensee, Dr. Robert
Zimmermann, Dr. Sigmund, Primararzt und akademi
scher Lehrer, Gustav Barth, M. E. Stern, Leopold Breuer,
Karl Pick, C. R. Frühauf. - Interessant ist das Fehlen
der Unterschrift Grillparzers.
Eine Anzahl der vorhandenen Flugblätter trägt den
Charakter von Wahlaufrufen für die Wahlen in den
Frankfurter Reichstag. Neben feiner anscheinend offi
ziellen Bitte findet sich auch eine mit M. Schickh,
Nationalgarde, gezeichnete, in der neben dem Grafen
Auersperg (Anastasius Grün) Advokat Alexander Bach,
Baron Sina, Baron Rothschild, Daniel Freiherr v. Eskeles,
Meyer, Chef der Firma Stametz & Cie., Heinrich v. Wert
heimstein, der Hofschauspieler und Leutnant der
Nationalgarde Laroche und die Schriftsteller Saphir und
L. A. Frankl figurieren.
Eine eigene Gruppe bilden die Metternich-Pamphlete,
die unmittelbar nach dem Sturze Metternichs, also in
den Märztagen des Jahres 1848, erschienen sind und
sich zumeist nicht einmal in den Schleier der Anonymität
hüllen, weil die Freude über die eben errungene Zensur-
und Preßfreiheit diesen Schleier überflüssig zu machen
schien. Fast alle diese Publikationen, auch die ge
hässigsten, stehen noch immer unter dem Eindrücke der
ungeheueren Machtlulle, die Metternich besessen hatte,
und die Rückkehr des Gestürzten erscheint als eine ferne
Möglichkeit. Vielleicht erklärt dies auch die hie und da
zutage tretende scheue Zurückhaltung, mit der an
Metternich Kritik geübt wird.
An diese Metternich-Blätter reihen sich die Parte
zettel auf die »Camarilla« und die »Jungfrau Cibinerl«.
die schärfste antidynastische und antihöfische Tendenz
zeigen, und ferner bloße Sensationsblätter, wie eines
über das Fortleben des Kaisers Josef II. noch 40 Jahre
nach seinem angeblichen Tode. Schon im Titel wird an-