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Internationale Sammler-Zeitung. 
Nr. 9 
gekündigt, daß er in einem Kloster eingekerkert war und 
erst als 90jähriger Greis in einem Lustschlosse 
Metternichs gestorben ist. 
Bald bemächtigte sich aber die Publizistik auch der 
Kritik einzelner Persönlichkeiten. Unter den meistge- 
liaßten Publizisten der damaligen Zeit ist M. G. Saphir 
wohl in erster Reihe zu nennen, und seine Persönlichkeit 
ist denn auch Gegenstand einer ganzen Reihe von Flug 
schriften, in denen der gefürchtete Kritiker nicht zum 
allerbesten wegkommt. 
Die tiefe Verbitterung, welche das 1 reiben Saphirs 
in den vornehmen literarischen Kreisen Wiens im Vor 
märz hervorgerufen hat, ist aus Aeußerungen ü r i 11- 
p a r z e r s und B a u e r ufelds in deren Schriften und 
Tagebüchern bekannt. Man darf ohne Uebertreibung be 
haupten, daß dieses Treiben mit zu dem Entschlüsse 
Grillparzers beigetragen hat, seine dichterische Produk 
tion der Oeffentlichkeit gegenüber einzustellen und seine 
Werke in seinen Schreibtisch zu verschließen. Der 
persönliche Groll, den Grillparzer gegen Saphir hegte, 
entlud sich in mehreren Epigrammen aus dem Jahre 1835, 
am stärksten aber in dern kleinen Spottgedichte: »Fehl 
geburt« aus dem Jahre 1839, dessen Wortlaut ja allge 
mein bekannt ist. 
Wenn sich ein Grillparzer zu solch außergewöhn 
licher Form grimmigen Spottes hinreißen läßt, ist man 
wohl berechtigt, anzunehmen, daß der Haß gegen Saphir 
sich in weniger feinfühligen literarischen Kreisen noch 
viel ungebärdiger geäußert hat. Aber diese Aeußerungen 
konnten nicht an die breite Oeffentlichkeit kommen, so 
lange die Zensur ihres Amtes waltete, denn die Polizei 
hielt ihre schützende Hand über Saphir. Graf Sedl- 
n i t z k y war sein Beschützer und es ist bezeichnend, 
daß Bauernfeld in einer seiner Bemerkungen diesen 
Sachverhalt feststellend, Sedlnitzky damit entschuldigt, 
daß die wirklichen Beschützer Saphirs in den höchsten 
Regionen zu suchen seien. Als nun durch die Aufhebung 
der Zensur die künstlichen Schutzdämme eingerissen 
waren, die bis dahin so manches geschützt hatten, was 
eines Schutzes nicht wert war, ergoß sich die Sturmflut 
der Entrüstung auch über den Mann, der bisher ein 
Privilegium besessen hatte, solche zu verunglimpfen, 
welche der Polizei und der Regierung nicht genehm 
waren, und die lange angestaute Wut ergoß über ihn 
volle Kübel von Beschimpfungen. 
Die charakteristische Form solcher gegen Institu 
tionen und Personen gerichteten Veröffentlichungen 
bildet das anonyme Flugblatt. Einige solcher Flugblätter, 
die sich mit M. G. Saphir befassen, finden sich in meiner 
Sammlung. Das erste knüpft an einen Artikel im 
»Humorist« Nr. 110 vom 8. Mai 1848 an, in welchem 
Saphir die Auszeichnung der Konstanze Geiger, die 
ihr durch Ueberreichung eines Kolliers seitens der 
Kaiserin Maria Anna zuteil wurde, zu einem ge 
hässigen Angriffe gegen die Künstlerin benützt hatte. Der 
Pamphletist verweist nach einer Einleitung, in welcher 
der Sachverhalt dargestellt wird, auf die Tatsache, daß 
Saphir zwei Jahre vorher aus der Hand der hohen Frau 
eine Auszeichnung angenommen, gerade damals, als 
durch einen Artikel in der »Allgemeinen Zeitung« Nr. 47 
vom 16. Februar 1846 seine Polemik gegen Direktor 
Pokorny gebrandmarkt worden war. Er nennt ihn 
einen renommierten Schuft und literarischen Hanswurst 
und fragt: »Und er entsetzt sich nicht ob der Auszeich 
nung? '1 rat nicht beschämt durch die. hohe Gunst dazu 
mal zurück und gestand, daß er diese Erhebung nicht 
verdiene? . . . wie? dazumal Edelsteine und Gold in 
dem Augenblicke, wo er vor unseren Augen als nieder 
trächtiger Schuft erklärt wurde, dazumal dem ehren- 
schänderischlumpigallerortsausgepeitschten Schurken 
eine Auszeichnung an den Stufen des Thrones?« Nach 
Zitierung einer schon vor zwei Jahren gegen Saphir er 
schienenen Bemerkung fährt er fort: »Und nun wende 
ich mich an Euch, Ihr Großen und Würdenträger der 
Kunst; an Euch, Ihr Inhaber der Institute für Bildung und 
Erhebung des Volkes; an Euch, Ihr Richter alles dessen; 
also an Euch, Ihr Künstler, Direktoren, Journalisten, was 
habt Ihr seit zwei Jahren getan? Habt Ihr nur Eure 
Privatinteressen besprochen? Wäret Ihr wohl gar 
Egoisten, Scheinheilige, Feige? Habt Ihr alle zusammen 
Euch vor einem Menschen, allerorts wegen seiner Un 
verschämtheit und Niederträchtigkeit vertrieben, in 
Eurem Besitztum stören, beleidigen, beschimpfen lassen? 
Habt Ihr den Mann geduldet, der in jeder anderen Kunst, 
sei es der Gauner- oder Spiegelfechterei, gewandter, als 
in der Kunst des wahren Wissens und der Art, die Ehre 
und die Achtung seines Mitbruders zu schützen? Habt 
Ihr wohl gar Euch nicht geschämt, unter das Joch dieses 
Elenden mit Schmeichelei und Geschenken zu drängen? 
Ihn, der längst schon, wenn es ein öffentliches Gericht 
für Ehrenschänderei gegeben, der längst schon dem 
Tode verfallen wäre? Habt Ihr Euch von dem uii- 
saubern Munde eines geckenhaften Schwätzers wohl be 
vormunden, von dem Verbrecher an der öffentlichen 
Sittlichkeit Euch zurechtweisen, von dem Strafbarsten 
der Sträflinge, da jeder Spielberger nicht so schlecht, da 
es oft der Fehler eines Augenblicks, eines unglück 
lichen Gedankens war, den er mit ewigem Gefängnis 
büßen muß; doch dieser Elende mit Ehrenmörderei sich 
noch brüstet und paradiert, und habt Ihr dabei etwa 
bloß die Achsel gezuckt, Euch zugeflüstert: »Wer kann 
es ändern? Wir müssen es so leiden! Wir verdienen 
es!« (? )« 
»Ja, Ihr habt es so getan, Ihr habt es so getan!!« 
Der Pamphletist schließt seine Philippika mit dem 
Rate an Saphir, sich rasch in den Hintergrund zu ver 
lieren, »daß wir nicht erklären müssen, daß er ein 
Schandkerl, der die Ehre, das heiligste Eigentum seines 
Nächsten, schonungslos auf die schmählichste Weise 
verstümmelt . . .« Unterschrieben ist das Flugblatt: 
»Eine Stimme aus dem Volke«. Der Autor hat sich wohl 
weislich gehütet, einen Druckort anzugeben. Es ist aber 
nicht ohne Antwort geblieben, diese Antwort, gleichfalls 
ein Flugblatt, ist bei U. Klopf sen. und A. Eurich gedruckt 
und führt den Titel: »Man soll Herrn Saphir durchaus 
nicht verteidigen!« Es lautet: »Unter den tausendfachen 
elenden Flugschriften, welche in unserer Zeit kursieren, 
zeichnet sich eine über Saphir erschienene, durch ihre 
Eiendlichkeit besonders aus; diese schändliche 
Schmähschrift rief allgemeine Ent 
rüstung hervor. Nur ein Aus w u r f de r 
Menschheit kann dieselbe geschrieben 
haben, oder der Schreiber müßte wirklich 
im höchsten Grade wahnsinnig sein!« 
»Daher möge cs niemanden einfallen, jene Schand- 
schrift widerlegen und Saphir ver 
teidigen zu wollen, denn solche Worte reißen 
sich von selbst herunter — solche Redensarten stellen 
sich von selbst an den Pranger.« 
»Die elende Persönlichkeit, welche noch in jener 
Schmähschrift erwähnt wird, läßt wohl leicht mutmaßen, 
wer der Verfasser sei - aber es bedarf gar keiner 
Mutmaß u n g, denn es wäre eine Schande für W i e n 
— eine Schande für unsere Literatur, wenn der ver 
ruchte und elende Verfasser nicht von den Gerichten 
ausfindig gemacht würde. —- Solche Injurien würde man 
wahrhaftig einem millionenfach minderen Schriftsteller 
als Saphir auch nicht ungestraft sagen lassen.«
	        
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