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Internationale S
Gmundner Stammgescliäft der alten Familie Schleiß und
sommersüber in einem Laden an der Ischler Esplanade ent
deckt man jetzt diese ganz eigenartige Heimatskunst. Franz
Schleiß und seine Frau Emilie, aus der Wiener Schule her
vorgegangen, was man an Hoffmann-, Powolny-Reminiszenzen
deutlich merkt, sind die eigentlichen und hauptsächlichsten Mit
arbeiter der Gmundner Keramik. Kopenhagener Porzellan ist
sehr mondän, aber diese Gmundner Bauerntrachtstücke, das alte
Kirchgangweibcrle, die lieben Salzkammergutkinder mit Tieren
in Händen oder in irgendeiner impulsiven lebensvollen Be
wegung, eine Knnolinenlinzerin, haben österreichische Seelen.
Sie sind voll alten Kunstgeistes und trefflicher moderner Tech
nik. Ihre Stärke und ihr Reiz ist bedingt durch einen Farben
schmelz, der im Ton aufs glücklichste die alten Bauernfarben
aufnimmt, in der Weichheit und Ausgeglichenheit den besten
und berühmten Mustern — Berlin, Kopenhagen — nachstrebt.
AI,s einer der wenigen freundlichen Züge unserer, der künst
lerischen Verarmung und Industrialisierung verfallenen Ge
werbetätigkeit sei er ein wenig ans Licht gerückt.
(W ie Mirbeau zu einem Cezanne ka m.) In
Frankreich sind gegenwärtig die Bilder von Paul Cezanne,
die noch vor zwanzig Jahren verachtet und verspottet wur
den, sehr gesucht, und Octave Mirbeau, der für den großen
Meister schwärmt, erzählt im »üil Blas«, wie er in den Besitz
eines der besten jener Gemälde gelangt ist. »Als ich eines
Tages,« schreibt er, »bei meinem Verleger Charpentier
war, mußte ich plötzlich einen diskreten Ort auf
suchen. In dem kleinen verschwiegenen Zimmer-
chen hing ein Bild, das mir ein Meisterwerk zu
sein schien. Um es genauer zu betrachten, kletterte ich auf
den Sitz und schrie von meinem eigenartigen Throne aus laut
auf: »Das ist ja ein Cezanne, ein herrlicher Cezanne!« Man
stürzte herbei und suchte die Türe einzuschlagen, denn man
glaubte, daß ich verrückt geworden sei oder einen Schlag
anfall erlitten hätte. »Was haben Sie denn,« fragte Charpen
tier, als ich die Türe freiwillig geöffnet hatte. »Wissen Sie,
was das ist?« antwortete ich feierlich, indem ich auf das Bild
zeigte. »Ein Schund, ein ganz wertloses Bild,« sagte mein
Verleger, ohne aus der Ruhe zu kommen, »ein ganz abscheu
licher Schund, den Zola von einem offenbar verrückten
Menschen bekommen und den er mir angeschmiert hat, wie
man einem ein falsches Geldstück anschmiert. Ich habe das
Bild schon mehreren Freunden angeboten, aber keiner hat es
haben wollen. Einer wollte mich sogar verklagen, wenn ich
es ihm schenkte. Da habe ich es auch Rache hier unter
gebracht.« »Sie sind ein Barbar und ein Böotier obendrein,«
sagte ich. »Sie finden das Bild also schön?« unterbrach mich
Charpentier; »dann nehmen Sie es sich nach Hause, und ich
werde Ihnen dafür noch dankbar sein!« Mirbeau ließ sich das
nicht zweimal sagen: er trug das Bild rasch in seine Woh
nung, reinigte es gründlich und wurde so Besitzer eines der
schönsten Bilder des jetzt so begehrten großen Meisters.
(Rembrandt als Spekulant.) Man weiß, daß
R ein b ran dt im Jahre 1654 sich in schwieriger finanzieller
Lage befand, das Haus, das er verschiedene Jahre vorher in
der St. Anthony-Breedstraat in Amsterdam gekauft hatte, war
noch nicht bezahlt, von allen Seiten hatte er Geld geliehen und
seine Gläubiger wurden stets dringender und ungestümer. Schon
oft hat man die Frage aufgeworfen, wohin das Geld, das Saskia
in die Ehe mitgebracht hat, gekommen ist; Rembrandt selbst
wurde für seine Gemälde sehr gut bezahlt, jedenfalls besser als
ein anderer holländischer Maler seiner Zeit, auch steht fest, daß
er durchaus kein Verschwender gewesen ist, man weiß nur.
daß er ein leidenschaftlicher Liebhaber von Kunstgegenständen
aller Art war, daß er es liebte, sich mit jeder denkbaren künst
lerischen Pracht zu umgeben, und daß er dafür auf den Auk
tionen große Summen ausgegeben hat. Seine Wohnung war
denn auch ein kleines, kostbares Museum. Man hat bis jetzt
seine bedrängte Lage, die schließlich zur Zwangsversteigerung
ä mtri 1 e r - Z e i t u ri g.
seines Hauses und seiner Kunstsammlungen führte, ausschließ
lich als Folge dieser Liebhaberei betrachtet, wiewohl sie den
großen Bankerott des Künstlers nicht genügend erklärt. Jetzt hat
sich herausgestellt, daß noch ein anderer Umstand schuld daran
war. Dr. Abraham B r e d i u s, der bekannte Rembrandt -
Forscher, hat in Rotterdam ein Schriftstück entdeckt, in
welchem der Künstler bekennt, »durch Verluste in der
Negotie sowie durch Schaden und Verluste auf der S e e« in
die bedrängte Lage gekommen zu sein, die ihn verhindere, seine
Gläubiger, darunter auch den Bürgermeister Kornelius W i t s e n,
zu befriedigen. In jener Zeit der fieberhaften Jagd nach Reich
tum, wo Handel und Schiffahrt riesenhafte Gewinne abwarfen,
beteiligten sich alle Kreise der Bevölkerung an Spekulationen,
der Bürgermeister von Amsterdam ebensogut wie Bedienstete
und geringe Bürger, und es liegt nahe, anzunehmen, daß sich
Rembrandt durch Freunde und Bekannte überreden ließ, sich
auf Spekulationen einzulassen. Auf Gemälde, und Kunst-
gegenstände werden sich diese wohl schwerlich bezogen haben,
vielmehr waren es die riesenhaften Gewinne, welche der Handel
nach Indien damals abwarf, welche ihn verführten, sich an der
»Befrachtung« der Indienfahrer zu beteiligen. Auch gibt nach
dem Tode des Künstlers der Vormünd Titias, der Tochter von
Rembrandts Sohn Titus, als den Grund seiner Forderung, nur
unter der Wohltat des Inventars Rembrandts Nachlassenschaft
für sein Mündel anzutreten, ebenfalls die durch Geschäftsver
luste herbeigeführte klägliche Vermögenslage an.
(Fälschungen.) Aus Washington wurde kürz
lich nach Paris gemeldet, daß dort in einem alten Hause der
Hinrichtungsbefehl für die Witwe Capet, d. h. für die Königin
Marie Antoinette, aufgefunden worden sei, und ein
Pariser Blatt gab sogar die Photographie des Dokumentes
wieder. Auf dieser Photographie war auch die Nummer sicht
bar, die dieses Aktenstück in der Sammlung des National
archivs erhalten hatte. Man mußte also annehmen, daß es einem
Besucher des Archivs gelungen sei, dieses Papier zu ent
wenden. Ein Mitarbeiter des »Ternps« hat sich aber in das
Archiv begeben und konstatiert, daß das Todesurteil der un
glücklichen Fürstin dort noch immer unter der Nummer 1358
in dem Glaskasten 121 ausgestellt ist. Der amerikanische
Sammler, der das Dokument von Washington erworben hat,
ist also durch eine Fälschung getäuscht worden. Er rühmt
sich, noch andere interessante Dokumente zu besitzen, die sich
auf den Halsbandprozeß beziehen, aber es ist zu befürchten,
daß auch sie bloße Nachahmungen oder Fälschungen sind.
(Ein Flugblatt aus dem Jahre 150 9.) Neben der
Hauptwurzel des Zeitungswesens, dem Briefe, spielt das Flug
blatt eine große Rolle in dessen Entwicklung; im Grunde ge
nommen auch ein Brief, nämlich der Bericht irgend eines
Mannes an einen Freund über ein wichtiges Zeitereignis, nimmt
die Flugschritt doch insofern eine besondere Stellung ein, als
die Versender dieser Flugschriften sich schon ziemlich früh der
Buchdruckerkunst zu ihrer Verbreitung bedienten. Einer der
Fürsten, der sich dieser frühesten Zeitungen zur Förderung
seiner Interessen mit besonderer Vorliebe bediente, war Kaiser
Maximilian 1., der »letzte Ritter«. Eine solcher Flug
schriften hat Isak C o 11 i j n zu Upsala auf der Universitäts
bibliothek entdeckt; es ist die Kopie und Abschrift eines" Briefes
über die Niederlage der Venetianer im Jahre 1509; er ist aus
der Druckerei von Hans Borchard in Hamburg hervorge
gangen. Auch die Hamburger Stadtbibliothek besitzt eine solche
Inkunabel, die aber nicht aus Hamburg, sondern aus der
Mohrenkopfdruckerei in Lübeck stammt. In den Mitteilungen
der Stadtbibliothek ist dieser frühe Vorgänger unserer heutigen
Zeitungen unter dem Titel »Van dem nedderval der Veneddyer.
Zwei niederdeutsche, in Lübeck und Hamburg gedruckte Aus
gaben einer Maximilianischen Flugschrift aus dem Jahre 1509.
Mit fünf Blättern in Faksimilie« zum Abdruck gelangt. Der
Herausgeber Collijn hat die Stellung der Flugschrift in Literatur
und Geschichte sehr interessant dargestellt, nur scheint ein
Hinweis darauf zu fehlen, daß diese Flugschriften in jener Zeit