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Internationale 
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Zentralblatt für Sammler, Liebhaber und Kunstfreunde. 
Herausgeber: Norbert Ehrlich. 
5. Jahrgang. Wien, 15. Jänner 1913. Nr. 2. 
Das Sammeln — ein Lebenselixier. 
Von Max Foges (Wien). 
Berufene und Sachverständige haben sich vielfach 
und auf das eingehendste mit der Psychologie des 
Sammelns beschäftigt. Dagegen dürfte es überraschen, 
wenn in den nachfolgenden Zeilen ein Zusammenhang 
zwischen dem Sammeln und der Physiologie des 
Menschen herzustellen gesucht wird. Im Grunde aber 
handelt es sich um gar nichts Ueberraschcndes, sondern 
lediglich um die Darlegung eines Zusammenhanges 
zwischen dem psychischen und dem physischen Leben, 
wie ihn die moderne Wissenschaft Tag für Tag auf 
allen möglichen Gebieten entdeckt. 
Längst haben Aerzte und Laien die Beobachtung 
gemacht, daß, wenn ältere Menschen sich von ihrem Be 
rufe, der sie jahrzehntelang völlig in Anspruch ge 
nommen hat, trennen, daß sich Leute, die in den wohl 
verdienten Ruhestand treten, Männer, die sich von den 
Geschäften zurückziehen, weil das erworbene Vermögen 
ihnen ein auskömmliches Dasein procul negotiis sichert 
und sie einen freundlichen Lebensabend erhoffen läßt, 
plötzlich, manchmal in geradezu erschreckend kurzer 
Spanne Zeit geistig wie körperlich die bedrohlichsten 
Alterserscheinungen zeigen und meist nur wenige 
Jahre, auch Monate oder Wochen, den Tag überleben, 
an dem sie so hoffnungsfreudig »ausgespannt« haben. 
Diese Beobachtung stand in einem anscheinenden Gegen 
sätze zu der allgemeinen Annahme, daß Ruhe nach einem 
mühevollen Leben, daß Schonung und Ausrasten das 
Dasein verlängern müßten. 
Die großen Makrobiotiker, von H u f e 1 a n d ange 
fangen, haben allerdings die Anschauung gewonnen, daß 
man es hier mit einem Trugschlüsse zu tun habe. Nicht 
das Entsagen der Arbeit, sondern die Arbeit ist die 
lebensverlängernde Kraft und die Statistik erweist, bis 
zu welchem hohen Lebensalter cs gerade Menschen 
bringen, die geistig bis zum letzten Lebensatem regsam 
und beschäftigt bleiben. Ja, die Arbeit, die unausgesetzte 
geistige Arbeit hat sich direkt als ein Lebenselixier er 
wiesen, das selbst schwächliche Menschen mit ange 
borener kränklicher Konstitution, wie beispielsweise 
einen Kant oder Charles Darwin zu hohen Jahren 
kommen ließ. Was hat aber das alles, wird der Leser 
fragen, mit dem Sammeln zu tun? Sehr viel sogar, lautet 
die Antwort. Dieselben Makrobiotiker, die das lebens 
verlängernde Moment der geistigen Arbeit erkannten, 
haben außerdem die Vielseitigkeit geistiger Interessen 
für eine besondere Garantie der Lebenserhaltung er 
kannt. In England, jenem Lande, in dem die Volks 
hygiene ohne besondere Vorschriften und Polizeimaß 
regeln, sondern nur dank einer allgemeinen Tradition am 
höchsten ausgebildet ist, hat sich von selbst ein System 
entwickelt, das dem geistigen Arbeiter durch rege und 
unausgesetzte Beteiligung am Sport ein Gegengewicht 
für die rein intellektuelle Betätigung bietet, ein 
System, welches aber auch mit sich bringt, daß der 
geistige Arbeiter viel weniger als am Kontinent einer 
intellektuellen Einseitigkeit verfällt. Seine Staatsmänner 
sind vielfach Philosophen und Historiker oder gar 
Romanciers wie Lord B e a c o n s f i e i d es gewesen, 
die von der politischen Bühne abtreten können, ohne in 
das Nichts zu versinken, oder den Ruhestand als Ver 
gessene dahinzubringen, bar großer geistiger Interessen, 
entwurzelt für immer. In England war es auch, wo zu 
erst ein bekannter Makrobiotiker, der aus Deutschland 
stammende Arzt Weber, den Gedanken aussprach, 
daß das Sammeln zu den Icbensverlängernden Momenten 
gehört. Er ging von dem sehr wichtigen Gedanken aus, 
daß die Sammlertätigkeit, neben dem eigentlichen Be 
rufe geübt, einen geistigen Sport darstelle, der in seiner 
wahren hygienischen Bedeutung erst dann so recht er 
kannt würde, wenn der eigentliche Beruf verlassen 
worden ist. Die Sammelliebhaberei tritt dann in den 
Vordergrund, sie ist eine Betätigung des intellektuellen 
Interesses und echter Freuden, die vollständig an die 
Stelle des verlassenen Berufes treten kann. Wohl ist die 
schwere mühselige Arbeit eines Lebens beendet, aber 
an ihre Stelle tritt lebenserhaltend und verlängernd das 
Lebenselixier des Sammelns. 
Es soll hier nicht in Details eingegangen werden, es 
sollen auch keine Methoden gelehrt werden, sondern im 
Sinne Webers der Gedanke weitere Ausgestaltung er 
fahren, daß dem Sammeln nicht nur ein hoher kultur 
historischer, künstlerischer und praktischer Wert zu 
komme, sondern daß das Sammeln gesundheitszuträg 
lich und für das Alter geradezu konservierend wirkt. 
Dem schwergeplagten Geschäftsmann und Beamten wird 
es nach des Tages Mühe vielfach eine sehr wohltätige 
Ablenkung von Sorgen und Mißstimmungen bieten, dem 
jenigen aber, dem die Gefahr des plötzlichen Alterns 
nach dem Eintritt in den Ruhestand droht, wird das
	        
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