Nr. 2
Internationale Sammler -Zeitung.
Seite 19
Aus der Sammlung des Grafen Olivier Wass.
In ihrer einseitigen Hinneigung zu den Werken einer
herben Frühkunst wird unsere Zeit nur allzu leicht unge
recht gegenüber den Schöpfungen jener, man möchte
fast sagen, überreifen Epoche der Renaissance, die schon
das Barocco an ihre Pforte pochen hörte. Wir sehen mit
kritischem Blick, was gelernt ist, wir sehen die Pose
und vergessen, daß aber auch sie im Charakter der
Zeit lag.
die zwei mächtigen, liebevoll behandelten Tiere im
Vordergründe, der unzweifelhafte venezianische
Charakter des Werkes — sic weisen ohne viel
Schwierigkeit die Richtung, in die man das Bild zu ver
weisen hat.
Die Schule der Künstlerfamilie B a s s a n o drängt
sich unwillkürlich beim Anblick des Bildes in der Er-
! innerung auf, man möchte am liebsten an die Söhne
Fig. 1. König David vor der Bundeslade tanzend.
Dieser Epoche, da Venedigs Leben am reichsten
schäumte, Orient und Okzident sich in unerhörter
Farben- und Sinnenpracht vermählten, gehört der »König
David vor der Bundeslade tanzend« an, den wir in Fig, 1
vorführen.
Das Thema ist nur ein Vorwand, bewegte Menschen
in einer freudigen Landschaft darzustellen, es ist ein
Genrebild mehr denn ein biblisches, bei dem auch ein
wenig die Niederländer Pate gestanden sind; dies und
Jacopo da Pontes denken, Francesco und Leandro, die
sich wde der Vater nach Bonifazio und Tizian gebildet
haben.
Das Gemälde bildet eine Zierde der kleinen, aber
aparten Sammlung des in Wie n lebenden k. k. Käm
merers und Rittmeisters V. R. Grafen Olivier Wass
de C z e g e, der es auf einer seiner Reisen in Griechen
land bei einem Trödler aufstöberte und in Wien von
kunstverständiger Hand restaurieren ließ.
Neuerwerbungen des Linzer Museums.
Vom Direktor Dr. Hermann Ubell (Linz).
Zum erstenmal seit einer langen Reihe von Jahren ist es I
der Museumsleitung geglückt, die in Oesterreich unter den I
öffentlichen Sammlungen einzig dastehende Abteilung gotischer j
Holzskulpturen um ein Relief erzählenden Inhaltes
zu vermehren.
Deutsche Holzreliefs aus dem 15. und dem beginnenden
16. Jahrhundert erfreuen sich bekanntlich einer besonders hohen
kunstgeschichtlichen Einschätzung, da an ihnen die liebens
würdigen Eigenschaften der damaligen Holzschnitzer noch ge
winnender hervortreten als an den Freifiguren. Die naive Art
der Erzählung, die dekorativen Feinheiten der Komposition,
die nicht selten vorkommende skizzierende Andeutung des land
schaftlichen Hintergrundes, der treuherzige Anachronismus, der
darin besteht, daß die Figuren der heiligen Geschichte in der
deutschen bürgerlichen Tracht des ausgehenden Mittelalters
auftreten, vereinigen sich mit den sonstigen Vorzügen gotischer
Skulpturen, deren wesentlichster in einer vorbildlichen
Mischung von Realismus und Stil besteht, auch in unserem
neugewonnenen Relief, das die Geburt Christi darstellt, zu
einem erfreulichen Ensemble. Leider hat das Kunstwerk, das
an einem Bauernhaus im Salzkarnrnergut den Unbilden der
Witterung preisgegeben war, durch den Verlust der ursprilng-