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Internationale Sammler-Zeitung.
Nr. 20
wird von ihm nur noch gesagt, daß er als ein guter Fresko
maler vom Prinzen Eugenius in Wien beschäftigt
wurde, wo er auch in hohen Jahren gestorben sei.
Das ist richtig, ich finde aber auch noch mehrere
andere Vertreter dieser Familie in Wien, so Hans
Tr au weg (Drentwet, Trantweg, Trentweg), einen
»Goldschmidgesell«, welcher hier im Jahre 1682, 65jährig,
eines plötzlichen Todes »auf der Gasse gestorben« ist.
Dieser, 1615 geborene Meister dürfte kaum als ein Bruder
des Abraham gelten können, welcher gleich unserem
Jonas erst um 1650 geboren wurde.
Es ragen daher zwei Zweige dieser Künstlerfamilie
von Augsburg nach Wien, dem damaligen Rendezvous
platze der Künstlerschaft des ganzen Kontinents, ja der
ganzen Welt, weil wir hier damals sogar Afrikanern aus
dem Kongo und Asiaten begegnen, die sich hier ansässig
machten.
Jonas Drentwett, der Maler, kam schon verheiratet
nach Wien, weil hier seine Ehe-Eintragung nicht vor
handen ist, und ich die erste archivalische Spur über ihn
erst im Jahre 1706 vorfinde, in welchem er als »ein
Maihler« eine Tochter Eva Barbara in der St. Ullrichs-
Pfarre auf dem damaligen Spittelberg, wo er wohnte,
taufen ließ. Indessen muß er schon um 1690 in Wien ge
wesen sein, denn von 1695 ist ein Fresko im Preßburger
Rathaus von ihm signiert und datiert.
Am 31. März 1706, kurz nach der Taufe der Tochter,
verlor er seine Gattin Helene durch den Tod, sie starb
im 40. Lebensjahre. Im nächsten Jahre, 1707, verlor er
seine zehnjährige Tochter Anna — er wohnte damals in
der Josefstadt »am äußeren roten Hof« bei der goldenen
Schale — und im Jahre 1708, den 21. Jänner, die zweite
J'ochter Euphrosina Sybilla im sechzehnten Lebensjahre.
Es blieb ihm nur noch ein Sohn zurück namens Jonas
Ehrenreich, welcher auch die Kunst seines Vaters er
lernte und hier praktizierte, aber schon im 41. Lebens
jahre, am 25. Juni *1739, »in seinem Haus beim golden
Schlössel im Lichtenthall« gestorben ist. Merkwürdiger
weise wird er als »evangelisch« im Totcnprotokollc aus
gewiesen.
Er war auch verheiratet, weil ihm im November 1728
ein Kind im Tode vorausgegangen ist. Leider ist die Auf
findung der betreffenden Grundbucheintragung teils
wegen der äußerst komplizierten Grundherrlichkeiten,
teils wegen Fehlens vieler Vororte-Grundbücher hoff
nungslos, wenigstens mir gelang sie nicht, und aus dieser
hätten wir über seinen Familienstand gewiß genauere
Nachricht erhalten können. Das J'odesjahr des Jonas
Drentwett selbst ist in den J'otenprotokollen unauffindbar,
wahrscheinlich ereilte ihn der Tod bei einer Arbeit in der
Provinz, aber nicht später als höchstens um 1728.
Wenn noch nachzutragen ist, daß am 16. April 1716
sein zweiter Sohn Johann Christoph, ebenfalls ein
schon selbständiger »Maler«, in der Singerstraße an der
»Dörr« verstorben ist, so ist damit das Personalakten
materiale dieser Künstlerfamilie erschöpft, aus welchem
zu ersehen ist, daß sie durch ein halbes Jahrhundert hier
tätig war und sogar das Wiener Bürgerrecht erlangte.
Wenn aber auch der Wiener Zweig dieser Künstler
familie mit Jonas Ehrenreich in Wien ausgestorben sein
sollte, so hat sich der Augsburger Zweig bis in unsere
Tage hinein fortgepflanzt, ist der Kunst treu geblieben
und hat seinen traditionellen Zug nach Wien nicht abge
streift, denn ich finde unter den Zöglingen der Wiener
Akademie der bildenden Künste noch im Wintersemester
1864 die Immatrikulation eines »Karl Drentwet t«,
Sohn eines Graveurs in Augsburg und dort geboren,’
18 Jahre alt, Lerchenfelderstraße 11 wohnhaft, in die
»Schule für kleine Plastik«.
Leider, und das ist charakteristisch für den Wandel
der Zeiten, wird der junge, vielleicht letzte Sproß einer
auch um die Wiener Kunst verdienten Künstlerfamilie,
welcher hier zu ernten hoffte, wo sein Urahn gesät
hat — mittelst »Dekret« vom Jahre 1866 aus der Schule
»wegen Nichtzahlung des Schulgeldes gestrichen«.
Dieses L.os teilten übrigens mit ihm unter anderen auch
die beiden Ungarn Julius v. J a n k o und Michael
Lieb, der spätere Munkäcsy!
Die Personalien dieses Künstlers haben bereits so viel
Raum in Anspruch genommen, daß ich mich mit den
Werken desselben nur noch summarisch befassen kann.
Schon der Begriff allein von dem Wesen und von der
Bedeutung der Freskomalerei, deren Technik sich Karl
B1 a a s füt seine Arsenalbilder erst neu erfinden und
eigens zurechtlegen mußte, ist so vollständig aus unserem
Bewußtsein geschwunden, daß für uns Moderne die Be
nennung »Freskant«, »Freskomaler« ein leerer Schall
ist, und nur die wenigsten sich noch des Ausspruches
Michelangelos erinnern: »Die Freskomalerei ist
Mannesarbeit, die Oelmalerei überlasset den Weibern.«
Damit ist der Rang des Fresko in der Kunst gekenn
zeichnet, der Name »Freskant« in das wahre Licht ge
stellt, und die hohe Stufe, welche daher unser Jonas
D r e n t w e 11 in der Künstlerhierarchie einnimmt, oder
welche ihm als solchen gebührt, festgestellt. Von seiner
Qualität in diesem Fache zeugen aber rühmlich die noch
erhaltenen Arbeiten des Meisters, »das Plafondgemälde
der Auferstehung Christi« im Rathaussaale zu P r e ß-
b u r g, signiert und datiert 1695, welches ich in der
Literatur nicht finde, dann das reizende Eckkabinett im
unteren, die Eckrondelle im oberen Belvedere »chambres
en grotesque«, welche Albert 11 g »die Loggien Raphaels
in barocker Ucbersetzung« nennt, die Pavillonfresken in
Süßenbrunn, von welchen bei Stetten und in
den Monatsberichten des Altertumsvereines von 1896
(Seite 83) die Rede ist, wo der Ort aber irrtümlich
»Siebenbrunn« genannt wird. Süßenbrunn gehörte
nämlich dem unsterblichen Prinzen, in dessen Diensten in
Wien Drentwett gestanden ist, und nicht Siebenbrunn.
Damit sind natürlich die Arbeiten Drentwetts nicht er
schöpft, aber nur ein Zufall oder ein gründliches Studium
dieses Meisters könnte sie noch zutage fördern.
Bei diesem seinem Hauptfach ist es natürlich, daß nur
wenige Tafel- oder Staffeleibildcr von ihm vorhanden sein
dürften, und auch diese uns nicht seine Kunst in ihrer
wahren Größe vermitteln können; aber nichtsdesto
weniger kann sich unser Bild (Fig. 1) schon sehen lassen,
und könnte, wenn nicht signiert, »in die Nähe« des einen
oder anderen »Großen« gerückt werden.
Das Bild ist auf Leinwand, 96 : 75 cm groß, und stellt
die heilige Familie, einem Engelkonzert lauschend, dar,
ein anmutiges und überaus seltenes Thema, dessen Wahl
allein den Künstler charakterisiert.
Die Gruppierung der figurenreichen Komposition,
der Ausdruck des Versunkenseins und andächtigen Zu
hörens der himmlischen Klänge seitens der heiligen
Mutter und des heiligen Josef, während das Kind mit
Johannes sich unterhält und von einer vor ihm knienden
Heiligen verehrt wird, im Hintergründe aber drei Engel
musizieren, — diese drei so verschiedenen Handlungen und
Motive sind vom Künstler mit einer solchen Meister
schaft zusammengestimmt und fcstgehalten worden, daß
er gewiß unter die bedeutendsten Talente seiner Zeit ge
zählt u r erden muß. Ziehen wir dazu das anmutige Kolorit,
die virtuose Behandlung des Lichtproblemes und die
Farbenfrische und Sattheit in Betracht, worin sich der
Freskomaler nicht verleugnen läßt, so fehlt nichts, um
dieses Bild unter die Perlen der Wiener Barockkunst ein-