Nr. 23
Internationale Sammler-Zeitung.
Seite 353
Im historischen Museum der Völkerschlacht.
Dicht bei dem riesigen Nationaldenkmal in Leipzig
steht ein einfaches Gasthaus »Zum Napoleonstein«, dessen Be
sitzer seit vielen Jahren alles auf die Leipziger Schlacht und
die damalige Zeit Bezügliche sammelte. Das Ergebnis dieser
Sammellust hat Herr Bertsch im ersten Stock seines Hauses in
einer Reihe von neun einfachen Wohnzimmern zu allgemeinem
Nutz und Frommen aufgestellt und jedem Neugierigen gegen
50 Pfennig zugänglich gemacht. Der Besitzer ist gleichzeitig
Kassier und das einzige Aufsichtsorgan in seinem Museum, die
Sache wirkt also von Haus aus sehr originell. Ein Katalog über
diese eigenartige, nach der Angabe des Besitzers heute schon
19.560 Stücke umfassende Sammlung existiert nicht, ist auch
nicht notwendig, denn Herr Bertsch hat teils sehr ausführliche
Fig. 4. Christus vor Kaiphas Limogesplakette.
französischen Regimentsmusiken, neben Büsten der verschiedenen
Generale und Herrscher vor hundert Jahren, unter Uhren und
Uniformstücken steht ein Beweis von hündischer Gesinnungs
losigkeit, eine Verhimmelung Napoleons im Jahre 1807 durch
die ehrsamen Bürger von Leipzig. Zwei Zimmerchen sind voll
gepfropft mit Waffen und Rüstungen napoleonscher Krieger,
größtenteils auf deu Schlachtfeldern um Leipzig gelegentlich der
Feldarbeiten ausgegraben, Säbel und Degen, Bajonette, Gewehre.
Pistolen, Patrontaschen, Lanzen, Kugeln und Granaten, Sporen,
Feldflaschen, Helme, Tschakos, zerfetzte Standarten, grinsende
Totenschädel, wohlverschlossene Feldkassen, Trommeln und
Körner. Ja, ein ganzer Mörser samt aufgesetzter Bombe aus
Wittenberg, noch geladen, steht protzig wie ein bissiger Köter
Bemerkungen den einzelnen Schaustücken aufgeklebt, teils gibt
er in guter Laune selbst jede gewünschte Aufklärung.
Betritt man zunächst die Zimmer rechts des Einganges,
fallen einem vor allem die unzähligen Karikaturen auf die
Niederlagen des großen Kaisers und den Wiener Kongreß ins
Auge, mit denen die Wände beklebt und behängt sind. Außer
dem gibt es Schlachtenbilder aus aller Herren Ländern, Holz
schnitte, Kupferstiche, Aquarelle, Oelbilder, Handzeichnungen mit
Bleistift und Kohle, farbige Skizzen, aus alten Zeitungen und
Zeitschriften ausgeschnitten, nach Herzenslust. Ein Tischtuch mit
Adler, Krone und einem langen Gedicht, von einem für den
großen Korsen begeisterten pfälzischen Weber zur Feier des
37. Geburtstages Napoleons verfertigt, hängt neben dem be
rühmten Dekret, womit die Kontinentalsperre verhängt wurde.
Mitten zwischen Kaffeetassen, Adjustierungsbildern der französi
schen und sächsischen Truppen, Bildern der pfauen- und papa
geienmäßig aufgeputzten und aufgetakelten Tambourmajors der
neben der Tür, gleich daneben ein zweiter, bedeutend kleinerer,
von den Wällen von Paris 1814 mitgenommen. Beim Fenster
hangt, ein zierliches österreichisches Gewehr, ein 10 Millimeter-
Hinterlader mit einem Magazin für 18 Kugeln, bei Dölitz am
16. Oktober 1813 verwendet, daneben lehnen Bogen und Pfeile
der Tscherkessen, noch im Jahre 1813 gebraucht, und Morgen
sterne der Tiroler. In einem* W’andschrank hängen zwei rostige
eiserne Steigbügel, deren untere Anhängsel als Laternen und,
einmal in Tätigkeit gesetzt, auch gleichzeitig als Fußwärmer
dienen. Nach den Erhebungen des Herrn Bertsch sind diese
eigentümlichen Dinger von Napoleon selbst bei Jena im Jahre
1806 benützt worden. Ebenso originell sind die 28 abgestimmten
Glocken des Schellengeläutes von dem Schlitten, auf welchem
Napoleon im Winter 1812 aus Rußland zurückkehrte. Wer's
glaubt, wird selig! Auf langen Tischen mit dickbäuchigen Albums,
einzelnen Kunstblättern, Büchern und Notenwerken, Tabaks
dosen, Tabakspfeifen, Geschirr aus Zinn und Porzellan und von