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Seite 34 
Internationale Sammler-Zeitung. 
Nr. 3 
Kaisers uns noch täglich teurer wird, diese Darstellung 
zu erneuertem Abdrucke zu bringen, weil daraus klai 
ersehen werden kann, wie groß damals die Gefahi für 
dasselbe war. Sic lautete: 
»Der Kaiser hatte im Winter die Gepflogenheit, 
nach sechsstündiger Arbeit von 12 bis 2 Uhr in Beglei 
tung des diensttuenden Flügeladjutanten . einen 
Spaziergang um die Bastei der inneren Stadt Wien zu 
machen. Am 18. Februar 1853 war er vom Obersten 
Maximilian Grafen O’Do n e 11 begleitet/- bereits ober 
halb des Kärntnertores angelangt, als dieser wegen 
einer Pfütze etwas abseits Sr. Majestät trat. In dem 
selben Augenblicke sah Graf O'Donell einen Mann mit 
hocherhobenem Arme, in der Hand ein langes Messer, 
unter einem widerlichen Schrei auf den Kaiser stürzen. 
Graf O'Donell faßte diesen Mann sofort mit beiden 
Händen bei den Schultern /derselbe hatte aber schon die 
Möglichkeit gehabt, einen Stoß auf das Hinterhaupt 
Sr. Majestät zu führen, der, von da abprallend, die 
Schnalle der Halsbinde traf und eine Wunde am Halse 
verursachte. Zum Glück war durch O'Donells Erfassen 
des Mörders der Stoß unsicher und daher nicht sehr ge 
fährlich geworden. O'Donell warf im Ringen den 
Mörder zu Boden, dem das Messer dabei entfiel, 
stürzte aber mit ihm, und sic hielten sich gegenseitig 
fest. Aus dieser Lage befreite der inzwischen herbei 
geeilte Wiener Bürger Ettenreich den Grafen 
O’Donell, indem er den Mörder bei den langen Haaren 
ergriff und seinen Kopf mehrmals auf den Boden auf 
schlug. 
Graf O'Donell, dadurch von der Umklammerung des 
Mörders ledig, sprang auf, zog seinen scharfgeschliffe 
nen Säbel, den aber der Mörder mit beiden Händen er 
griff und sich daran verwundete. Se. Majestät, der 
während dieser kurzen, aber schrecklichen Szene ganz 
ruhig geblieben war, rief nun seinem Adjutanten wieder 
holt zu: »O’Donell, versorgen Sie den 
Säbel!« Diesen Befehl ausführend, trat derselbe nun 
wieder an die Seite des Kaisers, jetzt erst bemerkend, 
daß Se. Majestät verwundet sei, der allein nach Hause 
gehen wollte und die Verhaftung des Mörders ihm über 
trug. Graf O'Donell bat, Se. Majestät begleiten zu 
dürfen, da herbeigeeilte Leute ja ohnedies schon nach 
einer Patrouille der Wache des Kärntnertores gerufen 
hatten.** Der Kaiser, diese Bitte gewährend, stützte sich 
nun auf den ihm dargebotenen Arm seines Adjutanten 
und begab sich mit ihm in das nahe Palais des Erz 
herzogs A 1 b r e c h t. Am Wege dahin sagte er zuerst 
zu O’Donell, die den Edelsinn Sr. Majestät und die Für 
sorge für seine brave Armee in rührendster Weise 
kennzeichnenden Worte: »Jetzt geht es mir, wie 
m einen armen Soldaten in M a i 1 a n d.«*** 
Bald darauf fügte der Kaiser diesen Worten hinzu: 
»O’Donell, ich sehe nichts mehr.« Nun war 
* Die Tour der Begleitung war an den Flügeladjutanten 
Hugo Ritter (später Freiherr) von W e c k b e c k e r. Durch 
dessen Erkrankung nahm Oberst üraf O’Donell seine Stelle 
ein. der aus uralter irischer Familie afcstammte, sich in den 
Feldzügen 1848 und 1849 als ein sehr tapferer Ofiizier be 
währt hatte und dessen Geschlecht 3 Militär-Maria-Theresien- 
Ordensritter aufweist. 
** Das tat das 12jährige Schulmädchen Marie Breiten- 
eder, später Gattin des Baumeisters Tropsch bei der 
nahen Polizeiwache, die, nachdem erst vor 3 Jahren ihre An 
teilnahme an der rettenden Tat Sr. Majestät bekanntgegeben 
wurde, das Glück hatte, in Audienz Sr. Majestät selbst die 
näheren Umstände vorzutragen. Se. Majestät ließ ihr ein 
kostbares Geschenk überreichen, und als sie bald darauf — 
Februar 1910 — starb, ließ der Kaiser ihrem Gatten das Aller 
höchste Beileid ausdriieken. 
Am 6. Februar fand in Mailand ein revolutionärer 
1 utschversuch, besonders auf die Hauptwache und auf ein- 
aber schon der Kaiser beim Tore des Palais Erzherzog 
Albrecht angekommeu. O'Donell führte ihn in das Vor 
zimmer, ließ gleich frisches Wasser kommen, wusch 
ihm Gesicht, Kopf und Hals, worauf sich Se. Majestät 
sichtlich erholte.« Soweit Graf O'Donells eigene An 
gaben. 
Erst später erfuhr man, daß dieser wackere Oberst, 
den Sc. Majestät gegenüber dem herbeigeeilten General 
adjutanten Grafen Gründe als seinen »Lebens 
retter« bezeichnete, in der Besorgnis, das Messer des 
Mörders könne vergiftet sein, die Wunde des Kaisers 
auch ausgesaugt hatte. Diese Tatsache wurde auf eine 
Anfrage der Kaiserin Karoline Augusta vom 
Grafen O’Donell bestätigt, er selbst bewahrte aber hier 
über sowie über seine rühmenswerte Tat stets die be 
scheidenste Zurückhaltung, die eine hervorstechende 
Eigenschaft seines edlen Charakters war. 
Der Leibarzt Dr. Seeburger und der Chirurg 
Dr. Wattmann übernahmen, sofort herbeigerufen, die 
ärztliche Behandlung des verwundeten Kaisers, der 
durch seine erlauchte Mutter Erzherzogin Sophie die 
sorgfältigste Pflege genoß, so daß er schon am 12. März 
den ersten Ausgang machen und am 19. März in dem 
herrlichen Stephansdom dem für seine Rettung abge 
haltenen feierlichen Tedeum beiwohnen konnte. 
Die ganze Welt war erschüttert über diese an dem 
Leben unseres Kaisers verübte Missetat . eines durch 
revolutionäre Schriften zu solchem Meuchelmorde auf 
gestachelten Fanatikers, und aus allen Teilen unseres 
Reiches und des Auslandes kamen die teilnahmsvollsten 
Kundgebungen über die glückliche Errettung des Kaisers 
aus so schwerer Gefahr sowie Ausbrüche des Ent 
setzens und der Empörung über den Frevler. Fast jede 
größere Stadt unseres Reiches entsandte Abordnungen 
nach Wien zum Ausdruck des Glückes und der unbe 
grenzten Teilnahme für die Erhaltung des Lebens des 
Kaisers, die von Allerhöehstdessen Vater Erzherzog 
Franz Karl in gnädigster Weise empfangen wurden. 
Zahlreich erfolgten aber auch die Anerkennungen für 
den Lebensretter und dem an dem Rettungswerke 
beteiligten Bürger Ettenreich. Wie bei allen lobens 
werten Handlungen stand auch hier Se. Majestät an der 
Spitze der belohnenden Fürsten. Graf O’Donell wurde 
durch die Verleihung des Kommandeurkreuzes des 
Leopold-Ordens — damals wie heute eine von Seiner 
Majestät sehr selten zuerkannte besondere Auszeich 
nung - und durch die Erhebung in den österreichischen 
Grafenstand sowie die Gewährung eines verbesserten 
Wappens »für den dem Monarchen, seinem Hause, wie 
dem ganzen Reiche geleisteten unvergeßlichen Dienst«. 
Das Wappen selbst vereinigt in sich die denkbar höchste 
Auszeichnung. In dem kaiserlichen Doppclaar ist das 
kaiserliche Hauswappen als Brustschild angebracht, der 
mit den Lapidar buchst aben F. J. geziert ist. 
Bürger Ettenreich erhielt den erblichen öster 
reichischen Ritterstand, wurde Ritter des Franz Joset- 
Ordcns und der Magistrat Wiens, dessen Bewohner 
stolz auf ihren an der Rettung des Kaisers wesentlich 
beteiligten Mitbürger Ettenreich waren, verlieh ihm 
die höchste Bürgerehrung: die große goldene Salvator- 
Medaille. 
zelne Soldaten statt, und es wurden auch Barrikaden er 
richtet, die alrer von den herbeigeeilten Truppenabteilungen 
gleich wieder zerstört wurden. Weil voreilig ausgebrochen 
und von der Bevölkerung; ohne Unterstützung: geblieben, miß- 
lang diese versuchte Revolutionierung Mailands vollständig. 
Zehn kaiserliche Soldaten wurden bei diesen Ueberfälleh ge 
tötet, 54 mehr oder minder stark verwundet. Strenge gesetz- 
Uche Maßregeln wurden gegen die Aufständischen angewendet. 
Seme Majestät ließ aus seiner Privatkasse 550 Dukaten an 
die verwundeten Soldaten ansiolgen.
	        
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