Nr. 6
Internationale Sammler-Zeitung.
Seite 85
Ein Prachtstück der Sammlung ist das Manuskript von
Körners Lustspiel »Die Gouvernante«. Der Dichter selbst be-
zeichnete es bekanntlich als »Posse«; der ursprüngliche Titel
»Mädchenlist« steht auf dem Titelblatt über dem jetzigen, wurde
aber vom Dichter durchgestrichen.
Mendelssohn ist durch ein Stammbuchblatt
repräsentiert, das aus dem Stammbuche des bekannten Wiener
Schauspielers Brockmann her rührt. Der Verfasser des
»Phaedon« schrieb:
»Erstrebt auf der Bühne, sowie im Leben jedwedem: be
gnügt sich aber dort Wenigen, hier Einem zu gefallen.
Berlin, am 7. Jenner 1778.
Zum geneigten Andenken
Moses Mendelssohn.«
schriebenen Worten vertreten ist. Die Zeichnung stellt die
Form eines spitz zugehenden Marmorblockes mit eingetragenen
Maßen dar, der jedenfalls für ihn in den Gruben von Pietra-
santa oder Carrara gehauen werden sollte und höchstwahr
scheinlich für sein Juliusgrab oder für seine Medici-Arbeiten
bestimmt war. Von Interesse ist eine der beiden eingezeich
neten Steinmarken, die mit den drei Ringen der Medici iden
tisch ist. Das Papier zeigt ein verstümmeltes Wasserzeichen:
die Finger einer Hand mit einer fiinfstrahligen Sternblume.
Ueberaus reichhaltig ist die Musikabteilung, die 44 Seiten
füllt. Hervorzuheben wäre da zunächst das Manuskript von
Johann Sebastian Bachs wohltemperierten Klavier I. Teil,
dts trotz seiner Unvollständigkeit von großem Werte ist. Von
Beethoven ist ein interessantes musikalisches Skizzen-
Manuskript da, das neben einer Skizze bezeichnet »Sinfonia«
ein Rondo in C-dur und die 4 Anfangstakte eines Andante in
Fig. 3. Mozart. Skizzenblatt zu einem Quartett.
Die pessimistische Weltanschauung des 19jährigen
Nietzsche spricht sich in einem Jugendgedichte aus, dessen
Schluß wir in Fig. 2 wiedergeben.
Wir möchten nicht die Hinweise auf die literarische Ab
teilung des Kataloges schließen, ohne einer Kostbarkeit ersten
Ranges, eines Silhouettenalbums aus dem Goethe-Kreise, zu ge
denken. Neben der schönen Silhouette des jungen Goethe ist
fast vollständig der . Göttinger Hainbund vertreten: Klop-
stock (2), Boie, Hölty, Leisewitz, die beiden Stollberg, Hahn,
Götter, Miller, Claudius etc.; ferner finden sich: Wieland,
Bürger, Glim, Lessing, Overbeck, Klinger, Lavater, L.
Wagener (Leopold Wagner?), Zimmermann, Riese in Frankfurt.
Merck, Jerusalem, Oeser, Rabener, Lenz, Maler Müller,
Herder, Jacobi, Mendelssohn, Schlegel, Bach »Musikus«, Mau-
villon, Heyne, Blumenbach, üatterer, Ramler, Ekhof, Schröder.
Kaiser (der Musiker Kayser?), Zachariae, Schubart, von Haller,
Bode, Sömmering, Kulencamp, Richter etc.
Von bildenden Künstlern greifen wir Michelangelo
heraus, der mit einer Federzeichnung mit zehn eigenhändig ge-
c moll enthält. Auf dem oberen Rande der ersten Seite steht
die handschriftliche Bemerkung Beethovens: »Gar keine
Clavier Sachen als Conzerte andere bloss wenn ich drum an
gegangen werde.« Unter den 4 Takten des Andante befinden
sich die handschriftlichen Worte: »Quintett in c moll fürs
fortepiano mit Clarinett Violoncell Horn Fagott senza tocoar
il Clavicembalo miserabile.« Beethoven gibt hier also seinem
Unmute über die Unzulänglichkeit des Clavicembalo Aus
druck, das Manuskript dürfte demnach aus der Zeit stammen,
wo er zum Gebrauch des Hammerklaviers überging (ca. 1820).
Von Händel finden wir ein Autograph der voll
ständigen Arie des Tiridate aus der Oper »Radamisto« in
Partitur: »Alzo al volo di mia fama« in einer bisher unbe
kannten und ungedruckten Fassung. Die außerordentliche
Seltenheit Händelscher Musikautographen ist bekannt; seit
etwa 1850 sind im ganzen nur drei Musikautographen Händels
in den Handel gekommen.
Von den M o z a r t - Schätzen nennen wir das allem An
scheine nach unveröffentlichte Manuskript II mit der Bezeich-