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Internationale Sammler-Zeitung.
Nr. 9
ich bin nicht überzeugt worden. Nun hat kürzlich Alfred ! verschiedenen Bildern mit musizierenden Damen sind
v. W u r z b a c h den Meister der weiblichen Halb- ; Verse eines Liedes von Clement M a r o t zu lesen, dem
figuren mit Lukas van Heere identifiziert. Um seine ] Dichter des Hofes Franz I. Aus dieser Iatsache ge-
Hypothese zu stützen, führt er verschiedene Beweise j winnen wir einen weiteren Anhaltspunkt für die Zeit -
an, unter denen sich einer befindet, der allerdings recht | bestimmung. Clement Marot wurde 1494 geboren und
bestechend erscheint. Er macht nämlich darauf aufmerk- I starb 1547. Die Halbfigurenbilder sind daher nicht voi
sam, daß das Bildnis der Lady Jane Grey von Lukas de i 1520 entstanden. Ein Verehrer der Marotschen Poesien,
Heere, das sich in England befindet, die merkwürdig- j vielleicht ein Freund des Dichters selbst hat die reizenden
sten Uebereinstinunungen mit den Halbfigurenbildern j Damen gemalt.
Fig. 4. Sammlung Artur Kola: Brouwer, der Flötenspieler.
aufweist. Das ist unbestreitbar. Aber Wurzbach über
sieht, daß bis jetzt für die Zuteilung des Bildes an Lukas
de Heere keine sicheren Beweise beigebracht worden
sind.
Die Wirksamkeit de Heeres beginnt bald nach
der Mitte des 16. Jahrhunderts. Wir wissen, daß er ein
Schüler Frans F lo r i s war, und man erkennt in der Tat
leicht den Einfluß des Floris in den sicheren Bildern de
Heeres. Mit den Halbfigurenbildern steht de Heere in
keinerlei Zusammenhang, denn diese sind in der ersten
Hälfte des Jahrhunderts entstanden. Das kann mit
Sicherheit aus den Kostümen und der Strenge des Stils
geschlossen werden. Und noch aus einem anderen Um
stand, auf den schon Wickhoff hingewiesen hat. Auf
Das Bildnis der Jane Grey stammt gewiß nicht von
Lukas de Heeres Hand. Es gehört zu den wertvollen
Hinterlassenschaften jenes Meisters, der die musizieren
den Damen in der Galerie Harrach in Wien gemalt
hat, und den ich deshalb als »Meister des Wiener
Conzerts« bezeichne. Wurzbach berichtet, daß auf dem
Bilde einer Lautenschlägerin, das sich in Stockholm be
findet, die Signatur »Hendrik van « (das dritte
Wort undeutlich) zu lesen ist. Vielleicht führt diese Spur
einmal zur Aufhellung. Vorläufig müssen wir gestehen,
daß wir den Namen des Meisters nicht kennen.
Die wissenschaftliche Situation ist einstweilen
diese: die Mehrzahl der Forscher ist der Ansicht, daß
der Meister der weiblichen Halbfigurenbilder ein Nieder-