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Seite 164 
Internationale Sammler-Zeitung. 
Nr. 11 
Untersuchen wir aber genauer das Ambrosiusbild, so 
werden wir zu unserer größten Ueberraschung genau 
jene einwärts gebogene Linie des Nackens mit dem weit 
abstehenden Halsringe entdecken, wie sic unser Modell- 
bild hat, was. somit beweist, daß der Schüler sein Modell 
bild getreulich wiedergegeben hat, daß jedoch der 
Meister bei dem »Uebergehen« oder »Retuschieren« 
des Bildes diese Korrektur vorgenommen 
h a t, daß daher unser Modellbild dem Schüler 
als Vorlage gedient hat. 
Die Entdeckung dieser Retusche und der darunter 
liegenden Vorlagezeichnung beweist aber nicht nur den 
Gebrauch von Modellbildern im Atelier des Meisters, sie 
wird zu einem wichtigen kunstkritischen Behelf, indem 
es uns jetzt möglich gemacht wird, eigenhändige 
Bilder des Meisters von denjenigen seiner Schüler ein 
wandfrei sicherzustellen. 
So ersehen wir in unserem Falle genau, daß das 
Ambrosiusbild auch in seinen Köpfen eine Schülerarbeit 
ist, welche vom Meister bloß »retuschiert« wiurde, 
obwohl meines Erinnerns R o o s e s alle Köpfe dieses 
Baldes für des Meisters eigenhändige Schöpfung hält und 
ihm unsere beiden »Krieger« keinen Anlaß zu irgend einer 
weiteren Bemerkung gaben. 
Es eröffnen sich vor uns durch diese Konstatierung 
des Vorhandenseins von »Modellbildern« des Rubens 
weite Perspektiven für die Forschung auf diesem Gebiete. 
Die Frage selbst, ob unser Modellbild ein Original oder 
eine bloße glücklicherweise erhaltene Nachbildung ist, er 
scheint mir von sekundärer Bedeutung, doch erhält es 
dadurch seinen bleibenden Wert, daß an ihm eine wichtige 
Entdeckung aus dem Bereiche des intimsten Kunst 
schaffens des großen Meisters gemacht und vordemon 
striert werden kann. 
Solcher Modellbilder aus dem Atelier Rubens wird 
man nach und nach mehrere wiederfinden können, wie ich 
denn annehme, daß deren allein in Wien gegen fünf 
Stück vorhanden sind, vier davon im Hofmuseum, 
das fünfte in der Galerie des Fürsten Liechtenstein 
(»Bildnis eines bärtigen Mannes«). Hierher gehört auch 
der »Studienkopf« eines Franziskaners in Petersburg, wie 
der »Studienkopf« des guten Schächers im Privatbesitz zu 
Berlin (Knackfuß S. 73), dasselbe im Hofmuseum 
(Nr. 876) das als Vorlage zum großen Altarbilde des Ge 
kreuzigten in Antwerpen schon 1620 gedient hat. 
Hieher der Dresdener »Bischof«, das Berliner »Brustbild« 
eines Mannes, welches im »Jesus bei Simon« in Peters 
burg und wiederholt noch als Modell Verwendung fand. 
Die angebliche »Mutter des Rubens« wurde bereits 
erwähnt, und so ließen sich noch einige mehr in öffent 
lichen Sammlungen nachweisen. 
Das Modcllbild für den Typus des Donnerers, des 
»Jupiter tonans«, dessen sich der Meister für seine be 
rühmten Louvrebilder bediente (den König Heinrich IV. 
stellte er als Jupiter dar) und welches in des Meisters 
Handschrift auch in Wien aufgetaucht ist, gedenke ich mit 
Erlaubnis des Eigentümers eigens zu besprechen. Hier 
möchte ich nur noch zum Schluß in gedrängter Kürze 
jene Bilder des Meisters anmerken, in welchen die Typen 
unseres »Kriegers« und seines jungen Doppelgängers, 
der dem Rubens teils als »Johannes«, dann gelegentlich 
als »Sebastian«, auch als »Arion« und unzähligemale 
sonst noch in verschiedenen Kopfstellungen als Modell 
gute Dienste geleistet hat, am markantesten hervortreten. 
Die Reihe beginnt schon mit dem »Triumphzuge Cäsars« 
vom Jahre 1602, wo der blonde Junge oben zwischen den 
brennenden Kandelabern, und der bärtige Krieger in der 
Mitte des Bildes hinter dem bärtigen Priester leicht zu 
erkennen ist — ein Beweis, daß diese Modellköpfe zu den 
ältesten Erzeugnissen des Meisters gehören. Im »Trun 
kenen Herkules« (Klassiker der Kunst S. 19), im »Sterben 
den Seneca«'(S. 28), im großen »Jüngsten Gericht« (S. 107) 
kommen sie wieder. 
In den Deciusbildern der Liechtenstein-Galerie spielen 
unsere Typen eine hervorragende Rolle. Decius selbst 
trägt die Züge unseres Kriegers, und auch sonst kommen 
sie oft in einem Bilde in mehreren Varianten vor. 
Ich habe noch zwanzig andere Belege gesammelt, 
um aber den Leser nicht zu ermüden, führe ich nur eines 
der letzten Bilder des Meisters von 1640, den »Rauern- 
tanz«, an, in welchem auch noch beide Typen unserer 
Doppelköpfe geschickt angebracht sind. 
Wenn somit erwiesen ist, daß sich im Oeuvre Rubens 
durch 40 Jahre dieselben Typen wiederholt haben,, welche 
nicht nach lebenden Modellen gemalt werden konnten, 
und wenn sie überdies noch von verschiedenen Händen 
gemalt worden sind, so kann dies nur nach vorhandenen 
Vorlagen geschehen sein, und dies sind eben — Rüben s’ 
Modellbilder. 
Berliner Sammler. 
Die Ausstellung des Kaiser 
Die Ausstellung des Kaiser Friedrich-Museum-Vereins in 
Berlin zeichnet sich, w r ie man uns schreibt, besonders durch 
hervorragende Qualität aus. Wenn man die sieben Räume als 
Ganzes betrachtet, so erhält man den Eindruck eines kleinen 
Museums von auserlesenen Werken, wie es sich eine Provinz 
stadt mit starken Finanzkräften nicht besser wünschen könnte. 
Einzig die deutsche Tafelmalerei müßte dort stärker vertreten 
sein, aber die sammelt ja gerade die Generalverwaltung der 
königlichen Museen für ihr zukünftiges deutsches Museum 
selber sehr stark. Und schließlich vermag der wunderbare 
C r a n a c h aus dem Privatbesitz des Kaisers W i 1 he 1 m für 
eine Reihe minderwertiger deutscher Werke vollauf zu ent 
schädigen. Dieses Bildchen ist von einer seltenen Leuchtkraft 
der Farben und ungemein eindringlicher Charakteristik. 
Friedrich-Mu s e u m -Vereins. 
Daß diese Sammler außerdem alle wissen, daß heute der 
Erwerb alter Kunstwerke eine gute, ja sehr gute Kapitalsanlage 
ist, ist ohneweiters klar. Die Preissteigerungen der letzten 
Jahrzehnte haben es zur Genüge bewiesen, und daß man bei 
wirklich großen, anerkannt echten Werken keinen Kurssturz 
zu befürchten hat, ist auch klar, denn da es ausgeschlossen ist, 
daß die Menge der zum Verkauf kommenden Meisterwerke 
anwächst, im Gegenteil, sogar immer geringer wird, da jedes 
Jahr unzählige Werke in festen staatlichen oder städtischen 
Besitz gelangen, so ist die Preissteigerung des einzelnen 
Werkes noch gar nicht abzusehen. Wieviel mag heute schon 
ein Werk wie die Briefschreiberin von V e r m u r mehr wert 
sein als damals, als Simon es kaufte, denn seither ist Vermur 
doch, dank gründlicher Publikationen, ein von der Allgemein-
	        
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