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Internationale Sammler-Zeitung.
Nr. 11
ich schämte mich für unsere Religion, daß dieser einen
Mann des Evangeliums darstellte.«
Dieses vernichtende Erteil über den Mödlinger
Pfarrer sprach Beethoven zu einer Zeit aus, während
welcher er in getrübter Stimmung gewesen, da er im
Fig. 3.
Privatleben mancherlei Sorgen hatte, die ihm zum Teil
auch seine Neffen verursachten; damals, im Jahre 1818,
schrieb er: »Alles in Verwirrung, jedoch wird man nicht
nötig haben, mich in den Narrenturm zu führen.«
Nun mag es am Platze sein, eine Rede zu bringen, die
den Charakter des Pfarrers doch in einem anderen
Lichte darstellt. Die Flugschrift (K- 8. 8 Seiten): »Rede,
gehalten am R i c h t p 1 a t z e des Landesgerichtes des
landesfürstliehen Marktes Mödling von Johann Biapt.
Frölich, landesfürs'tlicher Pfarrer zu Mödling. — Bey
Gelegenheit,, als am 13. März 1819 Mathias S***
durch den Str-ang hingerichtet wurde. Wien, gedruckt
bey Georg Ueberreuter«, dürfte vielleicht ein Unikum
sein und zeigt uns in schlicht rhetorischer Form ein
düsteres Bild einer menschlichen Tragödie, sie zeigt aber
auch, daß der Pfarrer, um mit dem Aesthetiker V i s c h e r
zu sprechen, »Auch Fine r« gewesen ist.
Die Rede lautet wortgetreu: »Gott schuf die
Menschen zum Genüsse des geselligen, frohen und unge
störten Lebens; um ihnen aber den ruhigen Genuß dieses
gemeinsamen Rechtes zu sichern, befahl er ihnen, der
Obrigkeit zu gehorchen, weiche durch die Gesetze
herrscht, die von ihm ausgehen und geheiliget werden
müssen. Damit also nicht jeder seinen Mitmenschen aus
gottloser Tobsucht würgen, morden und tödten dürfe; da
mit die allgemeine Sicherheit nicht gefährdet werde, g a b
Gott selbst ein Geboth, indem er sagt: Du sollst nicht
tödten. Wer aber Menschenblut vergießt, dessen Blut
soll auch wieder vergossen werden. Welch ein großes
Verbrechen ist daher nicht gewaltsamer, vorsetzlicher
Todtschlag? Nicht nur allein des göttliche Gebothes und
des daraus bestehenden bürgerlichen Gesetzes, sondern
auch des natürlichen menschlichen Gefühles wegen. —
Wer zittert nicht bey dem Anblicke eines Mörders, und
wenn auch schon Jahre seit seiner unmenschlichen Grau
samkeit verflossen sind, so glaubt man noch immer, jene
Wuth aus seinen Augen blitzen, und das Blut, welches er
ehemals vergossen hat, von seinen Händen triefen zu
sehen. Wie kommt es aber, daß man sich vor ihm
fürchtet und ihm 'ausweicht? O diese Furcht, dieser Ab
scheu ist nicht unbegründet. Denn das, was der Mörder
raubt, ist ja ein unersetzliches Gut. Was ist dem ruhigen
Weltbürger schätzbarer, als sein Leben? Alles gibt er
hin, nur um sein Leben zu erhalten, und dieses raubt
ihm der Mörder. Jeder andere Raub ist wieder zu er
setzen möglich; Vermögen, Ansehen, Würde, guter
Nähme, Gesundheit und andere Güter können wieder her-
ges teilet und ersetzet werden, wenigstens bleibt uns die
Hoffnung dazu; aber das Leben ist ein unersetzlicher
Verlust. Wer ermordet dahin gestreckt liegt, kann nicht
mehr durch natürliche Hülfe zum Leben erweckt wer
den. Und wie viel verlier :n nicht oft zugleich andere
Menschen dadurch? Wie oft verliert nicht auf diese Art
der Staat einen verdienstvollen Mann, die menschliche
Gesellschaft ein nützliches Mitglied, die Familie einen
liebreichen Vater, einen treuen Gatten, einen hoffnungs
vollen Sohn, einen redlichen Freund? Daher ist der Todt
schlag, der vorsetzliche Mord, sowohl nach göttlichem
Gcbothe, als nach menschlichen Gesetzen auf das nach
drücklichste verbothen, und mit dem Tode zu strafen.
Ich sage es wiederhohlt, der Menschenbild vergießt, dessen
Blut soll auch wieder vergossen werden.
Fig. 4.
Ihr seyd hier heute, M. L., mit mir Zeugen dieser
Strafgerechtigkeit. Der vor uns hängende Mathias S***,
■alt 45 Jahre, Vater von vier unmündigen Kindern, ver
übte den 24. Dezember 1818 Abends an seinem schlafen
den Diemstkameraden, einem 56jährigen kinderlosen Ehe-