MAK
Nr. 12 
Internationale Sammler-Zeitung. 
Seite 181 
angekommen, wo er in einer Herberge ein Zimmer bezog und 
sofort in tiefen Schlaf verfiel. Nach kaum zwei Stunden 
wurde er aber durch heftiges Klopfen an der Tür geweckt. 
Was war geschehen? Es waren nicht etwa die Preußen ge 
kommen, sondern man hatte einfach vergessen, daß in dem 
Bette, in dem Davis schlief, wenige Stunden vorher eine 
Frau an Cholera gestorben war, und teilte ihm dies nun mit, 
damit er sich schleunigst aus dem gefährlichen Zimmer entferne. 
Davis tat aber nichts dergleichen. Er rieb sich den Schlaf aus 
den Augen, packte dann eiine Kiste mit vortrefflichen Havanna 
zigarren aus dem Gepäck aus, verbrannte das Leintuch, rollte 
die Zigarren, nachdem er sie leicht befeuchtet hatte, auf, streute 
die Blätter auf die Matratze und legte sich auf diese bazillen- 
sichere Unterlage, während er sich noch eine Zigarre ati- 
ziindete, um den Raum zu desinfizieren. 
Zu Weltruf kam Davis, als er mit beispielloser Ge 
schicklichkeit in den Achtzigerjahren den »Blenheim- 
Raphae 1« und einen Van Dyck vom Herzog von 
Marlborough für diie Nationalgalerie erwarb. Zu diesem 
Ankauf gehörte wahrhafte diplomatische Meisterschaft, denn 
die preußische Regierung war mit ihm in einen Wettbewerb 
getreten und hatte dem Herzog schließlich um fast die Hälfte 
mehr geboten, als die Nationalgalerie bezahlte. Im Jahre 
1903 ernannte König Eduard den Mr. Davis zu seinem 
Kunstexperten und von da an war Davis der ausschließliche 
Berater des Königs in allen Kunstangelegenheiten. Als der 
russische Großfürst Alexis starb, ordnete der Zar 
einen präzisen Bericht über die kolossalen, aber in ihrem 
Werte und nach ihrer Herkunft sehr oft apokryphen Bilder und 
Kunstgegenstände an, die der Großfiirft hinterließ. Die hiezu 
eingesetzte russische Kommission kam zu keiner Einigung und 
der Zar rief ärgerlich aus: »Ich sehe schon, dieser Engländer 
Davis ist der einzige Mann in Europa, der kompetent ist!« 
Davis wurde an den Zarenhof berufen und löste die ihm ge 
stellte Aufgabe in meisterhafter Weise. Beim Abschied über 
reichte der Zar Davis einen versiegelten Brief, mit der Bitte, 
ihn dem König Eduard zu überreichen. König Eduard 
öffnete ihn in Anwesenheit Davis’ und überreichte ihm dann 
lächelnd das Schreiben, das folgende Worte enthielt: »Ich 
gratuliere Dir und ganz England zu einem Manne, wie es 
Mr. Davis ist.« Davis, der einen großen Teil seines Ein 
kommens für wohltätige Zwecke, besonders für Unterstützung 
junger Künstler, verausgabte, war auf das intimste mit 
Baron Alfred Rothschild befreundet, dessen ständiger Gast 
und 'Hausfreund er war. Davis pflegte an seiner Uhrkette 
eine wundervolle, aus einem großen Saphir geschnittene 
Gemme zu tragen, von der er oft erklärte, sie wäre ihm ab 
solut nicht feil. Seine Freunde wunderten sich, als er sie 
eines Tages dennoch dem später mit der »Titanic« verunglück 
ten Mr. Astor für 30.000 K verkaufte. Sie erfuhren aber 
bald, daß Davis die Hälfte dieser Summe einem Hospital, die 
andere Hälfte dem südafrikanischen Kniegfonds geschenkt hatte. 
Verkauf der Sammlungen Pierpont Morgans. 
Der Verkauf der Kunstschätze Pierpont Morgans, 
der lange in Abrede gestellt wurde, soll nun doch er 
folgen. Wie man uns aus Newyork berichtet, wird 
die formelle Ankündigung im Sommer oder erst im Herbst 
stattfinden. Es soll keine öffentliche Versteigerung 
werden, der Verkauf soll vielmehr ähnlich wie es bei der 
Sammlung Kann der Fall war, einem Syndikat von 
Kunsthändlern übertragen werden, das die einzelnen 
Stücke unter der Hand oder direkt an die Sammler und 
Museen veräußern wird. Man will damit der Gefahr eines 
plötzlichen Kurssturzes der Kunstw r ertc Vorbeugen. 
Am interessantesten ist die Nachricht, daß der Ver 
kauf nicht in Amerika, sondern in L o n d o n zur Durch 
führung kommt; man nennt bereits die bekannten eng 
lischen Kunsthändler Brüder Du v een als die Führer 
der Händlergruppe, die den Verkauf übernimmt. Der 
»New York Herald« teilt mit, daß nicht etwa die ganzen 
Sammlungen Morgans veräußert werden, sondern nur 
jene Kunstgegenstände, die leicht verkäuflich sind und 
guten Marktwert haben, vor allem Gemälde und die 
Kunstgegenstände aus dem 18. Jahrhundert. Daß der Ver 
kauf in London stattfindet, hat seine Ursache darin, daß 
man auf dem englischen Kunstmarkt zur Zeit die 
günstigsten Möglichkeiten sieht und jedenfalls bessere 
Vorbedingungen als in Amerika. Dazu kommt die Er 
fahrungstatsache, daß die amerikanischen Sammler 
ungern Stücke von anderen amerikanischen Sammlern 
erwerben. Die berühmte Sammlung chinesischer Por 
zellangegenstände, früher Bronzen und Gläser, kommt 
nicht zum Verkauf und wird wahrscheinlich dem Metro 
politan-Museum als Morgan-Sammlung verbleiben. 
Mit Spannung wird man abwarten, ob die Haupt- 
schätzc der Morganschen Gemäldesammlung beim Ver 
kauf höhere Preise erzielen, als Morgan angelegt hat, 
und welche Stücke die großen europäischen Museen sich 
sichern können. Unter den Morganschen Gemälden seien 
nur hervorgehoben: die berühmte Raffael sehe Ma 
donna di San Antonio, für die Morgan 2 Millionen bezahlt 
hat, dann die dekorativen Panncaux von Fragonard 
— »Der Roman der Liebe und der Jugend« —, für die 
Morgan 1,300.000 Mark anlegte, Gainsboroughs 
berühmte »Herzogin von Devonshire« und Thomas 
Linsley mit seiner Schwester Elisa« (Morgan bezahlte 
das Werk mit 4 Millionen), sowie seine Rembrandts, 
van Dycks und Rübe n s, die fast durchw-egs für 
Millionenpreise angekauft wmrden. Auch H o 1 b e i n s 
bekanntes Porträt »König Heinrich VIII.« gehört heute 
der Morgan-Sammlung. Für die prachtvollen gotischen 
Tapisserien aus Aygalades bei Marseille hat Morgan 
2 Millionen bezahlt, für ein Limoges-Triptychon von 
Nardon Penioault bezahlte er 400.000, für die bekannte 
Gutmannsche Sammlung von Goldschmiede- und Silber 
arbeiten entrichtete Morgan 1,200.000 und für eine Gruppe 
Sevres-Vasen, Rose-Dubarry 300.000 Mark. Ob auch die 
großen Sammlungen von Miniaturen und alten Hand 
schriften, die der verstorbene Milliardär zusarnmen- 
gebracht hatte, von den Verkaufsabsichten betroffen 
werden, steht noch nicht fest.
	        
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