Seite 242
Internationale Sammler- Zeitung
Nr. 16 und 17
Irene von Spilimbergo.
Von Albin Freiherrn v. Teuffenbach, General der Infanterie d. R. (Görz).
Zu den hervorragenden Edelfrauen und Edel
fräulein Venedigs gehörte in der Zeit der klassischen
„Wiedergeburt“ auch Irene v. Spilimbergo. Sie
war die am 17. Oktober 1538 im dortigen Schlosse ge
borene Tochter des gelehrten, klassisch gebildeten
Edelmannes Adriano v. Spilimbergo, Herrn auf dem
gleichnamigen, über den Tagliamento Wildstrom hoch-
aufragcndcn, mächtigen und von ersten Künstlern, wie
Titian, Pordenone, Giovanni da Udine, geschmückten
Stammschlosse in Friaul, das damals schön unter dem
Namen „Patria del Friuli“ mit eigener Verwaltung
zur Republik Venedig gehörte.
Das Geschlecht der Spilimbergo ist deutschen,
wahrscheinlich kärntnerisch-bayrischen Ursprungs, wie
der Taufname Walterpertoldo des ältesten, bekannten
Namensträgers der zuerst Spengenberg genannten
Familie beweist, der unter Kaiser Friedrich Rotbart
und unter dem venezianischen Dogen Heinrich D a n d o 1 o
zwei Kreuzzüge mitgemacht hat. Dieses sehr alte Ge
schlecht dürfte also schon unter den Kaisern Heinrich
dem Heiligen, Konr ad II.und Ivonrad III., sicher aber
unter den beiden folgenden Heinrichen bei deren
Kriegszügen nach Italien beteiligt gewesen sein und
sich dann gleich vielen anderen deutschen Edelleuten
in Oberitalien dauernd niedergelassen haben, wo sie
als Lehensleute des römisch-deutschen Reiches und
der damals deutschen Patriarchen von Aquileja mit
Gütern begabt wurden. Wir finden daher schon den
genannten Walterpertoldo als vornehmen, reichen
Edelmann im heutigen Spilimbergo, das noch der
Familie Eigentum ist, darauf seßhaft.
Mit diesem in den folgenden Jahrhunderten bedeutend
vermehrten Besitzstand war das Geschlecht zu ver
dientem, großem Ansehen in seinem Geburtslande
gelangt, nahm hohe Stellungen in der Verwaltung
desselben ein, war im Kriege durch tapfere, stets
kampfbereite Mannen, von den Gegnern gefürchtet,
und in der literarischen Welt durch mehrere Gelehrte
in seiner vielverzweigten Linie vertreten.
Es war daher dem hochgebildeten Vater Irenes
nicht schwer, in Venedig aus dessen edelsten Familien
eine an Geist und Stellung ebenbürtige Lebensgefährtin
zu erziehen. Seine kluge Wahl fiel auf Giulia (Julie)
die Tochter Gianpaolos (Johann Pauls) da Ponte,
deren sehr altes Geschlecht durch den ihm an gehörenden
Dogen Nikolaus (1578—1588) bald darauf noch erhöhten
Glanz erhalten sollte. Giulia da Ponte brachte schon in
die Ehe den Ruf eines wohlgebildeten Fräuleins mit,
war doch ihr väterliches Haus ein Mittelpunkt für
Adel, Gelehrte und Künstler, in welchem die feinsten
Umgangsformen herrschten und auch Literatur und
Kunst eifrig gepflegt wurden. In der nur sieben
jährigen, wie angenommen werden darf, glücklichen Ehe,
schenkte Giulia ihrem Gatten fünf Kinder, wovon
nur Irene und ihre ältere Schwester Emilia, verehelicht
an den Paduaner Edelmann Giulio degli Agugi, in
den Rahmen dieses Aufsatzes fallen. Irene verlor ihren
Vater Adriano schon im dritten Lebensjahre im Monat
September 1541. Ihre Mutter, mit der Sorge von drei
ihn überlebenden,, kleinen Kindern betraut, schritt
schon im Jahre 1543 zu einer zweiten Ehe mit dem
ihr gesell]echtsverw r andten Edelmann Gianfrancesco
(Johann Franz), ebenfalls aus dem Hause Spilimbergo,
der zweifellos eine hervorragende Persönlichkeit w r ar,
da ihn Kaiser Karl V. zum Ritter schlug und ihm
den Grafenstand verlieh. Er wmrde Vater von zehn
Kindern, kam aber mit seinen Verwandten in Erb
streitigkeiten, die selbst zu Tätlichkeiten mit den Vor
mündern seiner Stiefkinder führten, welche deren von
ihm sich angeeignetes Erbe zu schützen bemüht wären.
Es läßt sich daher denken, daß die Jugenderziehung
Irenes und ihrer zwei Geschw-ister darunter bedeutend
leiden mußte, auf die Entwicklung des Charakters der
hochbegabten Irene einen wesentlichen Einfluß übte
und sie dadurch ernster und frühreif im' Geiste und
Empfinden wmrde. Das muß für ihre Beurteilung im
Auge behalten w'erden, denn nur dadurch erklärt es sich,
daß dieses Edelfräulein in ihren jungen Jahren so viele
Beweise eines entschiedenen Wesens, einer besonderen
Willenskraft und eine seltene und ausdauernde Schaffens
freude bei hochstrebendem Geiste bekundete. Wie
schon unter ihrem Vater, so fand auch bei ihrem
Stiefvater der Aufenthalt abwechselnd in Venedig
und auf dem Lande statt. Die erste Ausbildung Irenes
erfolgte neben dem elementaren Privatunterricht in
häuslichen Arbeiten. Sie zeigte schon in verhältnis
mäßig jungen Jahren eine große Fertigkeit in Hand
arbeiten, besonders in der in Venedig blühenden
Spitzenerzeugung und in Handstickereien, die Neigung
für das Zeichnen zeigte sich bei ihr auch bald und ge
staltete sich durch die Anwesenheit von Malern und
Künstlern auf verschiedenen Gebieten in ihrer Familie
zu einer besonderen Vorliebe für Malerei. Den ersten
Unterricht im Zeichnen und später in der Malerei
erhielt sie von der Malerin Campaspe und sie machte
darin rasche Fortschritte, welche die Aufmerksamkeit
auf ihr ausgesprochenes Talent für die Kunst lenkte.
Die Erbstreitigkeiten in ihrer Familie nahmen aber
immer drohendere Formen an, die Spaltung in derselben,
die eine Zurücksetzung der Kinder Giulias aus
erster Ehe gegenüber ihren Stiefgeschwistern herbei
führte. Da ihr Schutz gegenüber ihrem jetzigen Gatten
Gianfrancesco nicht ausreichte, so erschien es dem
Großvater da Ponte rätlich, Irene in sein Haus in
Venedig ganz zu übernehmen. Bevor ihre Übersiedlung
(1556) dahin erfolgte, erlebten sie und ihre Schwester auf
ihrem Stammschloß noch eine besondere Auszeichnung.
Die Tochter Bona des Herzogs Gian (Johann)
Galeazzo von Mailand, die zweite Gemahlin des
Königs Sigismund I. von Polen und Mutter seines
Nachfolgers, König Sigismund II., August I., hielt
sich auf ihrer Reise aus Polen, über San Daniele kom
mend, mit sehr großem Gefolge auch im Schlosse
Spilimbergo, gleich wie einst Kaiser Karl V., einen Tag
auf, um von dort weiter nach Padua zu reisen und die
Bäder in dessen Umgebung (Battaglia, Abano, Montor-
tone?) zu gebrauchen. Während der Anwesenheit
in Spilimbergo wurde die Königin durch Gesang mit
Lautenbegleitung der Schwestern Irene und Emilia
erfreut. Sie drückte ihren Beifall und Dank an dieselben
durch die Spende von goldenen Ketten aus. Dieses
frohe Ereignis der Würdigung ihrer musikalischen Erfolge
wird w-ohl auch im Hause da Ponte Freude erweckt
und die Einführung Irenes in dessen geselligen Kreis
von Künstlern und Gelehrten wie Titian, Sansovino,
Lodovico Dolci, Pietro Aretino beschleunigt haben.
In diesem Kreise, der ja auch ein Spiegelbild des damali
gen venezianischen heitern, aber auch ernsteren Studien
und Künsten gewidmeten Lebens der höheren Gesell
schaft geben, wie es uns in den Bildern Paolo Veroneses,
vor allem die Konzertstücke des berühmten Malers
Nicolo Abatcs, überliefern. Neuestens hat auch der