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Nr. 2 
Seite 19 
Internationale S ä m nr 1 e r - 2 e i t u n g. 
30. August 1836 nach Pottenstein berufen, wo sich der 
Dichter des »Verschwender« in selbstmörderischer Ab 
sicht eine Terzerolkugel in den Gaumen geschossen 
hatte. Der Arzt nahm seinen siebzehnjährigen Sohn Her 
mann, den späteren Dichter,- Kunstschriftsteller und 
Lokalhistorikcr, auf diese Wagenfahrt nach Pottenstein 
mit und leistete die erste Hilfe. Raimund lebte unter 
schrecklichen Qualen noch fünf Tage und starb am 
5. September 1836 in Pottenstein. A. F. R o 11 e 11 
sezierte den Leichnam und nahm die abgesägte Schädel 
decke, in welcher die Kugel gesteckt hatte, mit, was er zu 
forensischen Zwecken laut damals bestandenen kaiser 
lichen Patentes tun durfte. Raimund, welcher am 
8. September 1836 in Gutenstein, seinem Lieblingsaufent 
halte, bestattet worden war, hinterließ keine Familie; 
Universalerbin war seine Freundin Antonie Wagner, 
die ihm auch in Gutenstein am Fuße des Mariahilfberges 
ein schönes Denkmal setzen ließ. Als nun A. F. R o 11 e 11 
die Schädeldecke nach Baden mitgenommen hatte, ent 
wickelte sich zwischen ihm und dem angeblichen Be 
vollmächtigten der Antonie W a g n e r um diese Reliquie 
ein Streit, in dessen Verlaufe R o 11 e 11 die Schädcldeckc 
f r e i w i 11 i g an das Kreisamt deponierte, worüber sämt 
liche Akten noch lückenlos vorhanden sind. Sie kam dann 
an Antonie Wagner, die sie jedoch im Grabe Rai 
mund s nicht beisetzen ließ, sondern man fand das 
Cranium nach ihrem Tode (1879) in ihrem Strohsacke. 
Es wurde nun von Regierungsrat Dr. Karl G1 o s s y, 
dem bekannten Raimundforscher, erworben und ist noch 
heute in seinem Besitze, A. F. R o 11 e 11 hatte sich von 
der Innen- und Außenfläche der Schädelkappe einen Ab 
guß für p'hrenologische Zwecke gemacht und dieser wird 
im städtischen R o 11 e 11 - Museum aufbewahrt. 
Was nun seit 1836 über diesen den Akten nach so 
einfach liegenden Fall gefabelt und an Märchen erzählt 
wurde, grenzt ans Unglaubliche, und da man sich nirgend 
wo anders übersichtlich und exakt Rats über die Geschichte 
der Schädeldecke R a i m u n d s erholen kann, so gebe 
ich im nachfolgenden eine chronologische Aufstellung der 
gesamten Literatur über Raimunds Tod, wie ich sie 
gesammelt habe. In verschiedenen Aufsätzen habe ich 
selbst Authentisches über Raimunds letzte Tage und 
über den Streit um die Schädeldecke publiziert und 
möchte nun mit diesen Quellennachweisen den richtigen 
Wegweiser für alle jene bieten, die sich für diese Frage 
interessieren sollten. Ich habe den einzelnen Quellen 
kurze, kritische Bemerkungen beigesetzt, um ihren Wert 
und ihre Glaubwürdigkeit zu charakterisieren. Daß sich 
sogar die Fälschung in frevelhafter Weise dieser nach 
den Akten längst klargestellten Angelegenheit bemächtigt 
hat, zeigt deutlich genug, wie wichtig es ist, nochmals 
eingehend darauf zurückzukommen. 
Ich will zu anderer Gelegenheit auch ein ähnliches 
Regest über die Schädel Mozarts, Haydns und 
Hamerlings veröffentlichen. 
* 
1. Constantin Wurzbachs Allgemein, biographisches 
Lexikon des Kaisertums Oesterreich (Bd. XXIV, S. 254 ft.) kann 
natürlich über Raimunds Tod nur bis ungefähr 1852 Nachrichten 
geben, ist demnach seither wesentlich überholt. 
2. Die Biographie Joh. Nep. Vogls in seiner Ausgabe von 
Raimunds sämtlichen Werken (Wien, 1837, Neuaufl. 1855) bringt 
den Bericht über Raimunds Tod und das Schicksal der Schädel 
decke nicht ganz richtig, ebenso wie die folgenden biographischen 
Abhandlungen Nr. 3 bis 14, in denen häufig Qutenstcin mit 
Rottenstein verwechselt wird (was sogar in den Lexicis der Fall 
ist); auch in der Ausgabe der Werke von Glossy und 
Sauer (Wien 1881) ist das Kapitel über Raimunds Tod nicht 
erschöpfend behandelt. 
3. F. R e i b e r s t o r f f e r: »Raimund, wie er war.« 
»Oesterr. Morgenblatt« 1841, Nr. 112, 113, 116, 117, 119, 120, 
121, 123, 125. 
4. Friedrich Schlögl: »Vom Wiener Volkstheater.« 
(Wien und Teschen, 1883.) 
5. Ferdinand Groß: »Zu Raimunds hundertstem Geburts 
tag« in Velhagen & Klasings »Neue Monatshefte«, IV, .Tahrg. 
1889/1890, II. Bd., S. 491. 
6. Konrad und Anna Grefe: »Gedenkbuch der hervor 
ragendsten Männer und Frauen vom Regierungsbeginne der 
habsburgischen Dynastie bis zur Gegenwart«. Wien, Selbst 
verlag der Verfasser, 1893. In der 2. Lieferung: »Ferdinand 
Raimund«, S. 96 ff. 
7. Adam Müller-Guttenbrunn: »Im Jahrhundert 
Grillparzers.« Literatur- und Lebensbilder. 3. unv. Aufl., Leipzig 
1895, S. 97 ff., »Ferdinand Raimund«. 
8. Nina Hoff mann: »Aus dem Leben Ferdinand Rai 
munds.« Zeitschrift »Wissen für alle«. Bd. I., S. 784 ff. 
9. Erich Schmidt: »Charakteristiken.« Erste Reihe. 
Berlin 1902, S. 363 ff. 
10. August Sauer: Gesammelte Reden und Aufsätze zur 
Geschichte der Literatur in Oesterreich und Deutschland. 
Bd. XXVII, S. 736 ff. Wien und Leipzig 1903, S. 240—274. 
11. Eduard Castle: Einführung in Ferdinand Raimunds 
Werke. Leipzig 1903, Max Hesscs Klassikerausgaben. Mit reicher 
Bibliographie, aber speziell über den Tod Raimunds lückenhaft. 
12. R. Fürst: Ferdinand Raimund; in »Bühne und Welt«, 
1903, Bd. VI, S. 89—100. 
13. R. Fürst: »Ferdinand Raimunds sämtliche Werke.« 
Stuttgart, in Bongs »Goldener Klassiker-Bibliothek«. Biogra 
phische Einleitung. 
14. Wilhelm Börner: »Ferdinand Raimund.« Leipzig 1905, 
bei Ph. Reclam. Ueber Raimunds Tod auf S. 94 fl. 
15. Ella Hruschka gibt im IV. Akte ihres Dramas 
»Ferdinand Raimund, Bilder aus einem Dichterleben« (Berlin 
1903) eine den Tatsachen nicht völlig entsprechende Dar 
stellung vom Tode des Poeten. 
15 b. Spezielles über Raimunds letzte Tage und Tod. 
16. Raimunds Sterbchaus, der Gasthof »zum goldenen 
Hirschen« in Pottenstein. Abbildung des Hauses mit allegori 
schen Figuren des Aschenmannes, des Tischlers Valentin und 
des alten Butterweibes im »Verschwender«. Stahlstich von C. 
Mahlknecht, o. J. 
17. Inschrift auf dem Grabsteine F. Raimunds im Friedhof 
am Fuße des Mariahilfberges in Gutenstein: 
FERDINAND RAIMUND 
dramatischer Dichter und Schauspieler 
Geb. am 1. Juny 1790 
Gest, am 5. September 1836 
Von seiner Freundin A. W. 
18. Das Original der Schädeldecke befindet sich im Be 
sitze des Herrn Reg.-Rates Dr. Karl Glossy. Gipsabgüsse der 
Außen- und Innenseite mit handschriftlichen Notizen Anton Franz 
R o 11 e 11 s im städt. Rollett-Museum, Baden bei Wien. 
19. Im Archiv der Herrschaft Schloß Gainfarn bei Vöslau, 
welcher im Jahre 1836 die Gerichtsbarkeit über Pottenstein 
unterstand, befinden sich laut Mitteilung des Herrn Barons 
Brenner vom Jahre 1907 an mich im Index zum politischen 
Einreichungsprotokoll 1836 folgende Eintragungen: 
Nr. 730. Raimund Ferdinand. Dessen Absterben zeigt 
Joseph Schönbichler aus Pottenstein an. Fasz. Nr. J/29. 
Nr. 749. Raimund Ferdinand. Dessen Beschauakten werden 
der h. Landesstelle vorgelegt. Fasz. Nr. J/29. 
Nr. 932. Raimund Ferdinand. Kreisamt erledigt die An 
zeige wegen dessen Todesfalles an einer Schußwunde. _ Fasz. 
Nr. J/29.
	        
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