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Internationale 
^ammler-Hßlfunfl 
Zentralblatt für Sammler, Liebhaber und Kunstfreunde. 
Herausgeber: Norbert Ehrlich. 
6. Jahrgang. Wien, 15. März 1914. Nr. 6. 
Johann Hieronymus Löschenkohl. 
Von Dr. Ignaz Schwarz (Wien). 
Die Popularisierung der Kunst, ich meine nicht die 
erst junge Bestrebung, die großen Werke der Kunst den 
breiten Volksmassen zugänglich zu machen und sie 
ihrem Verständnisse näher zu bringen, sondern die 
Tendenz, dem Volke von vornherein seinem Verständ 
nisse angepaßte Werke in die Hand zu geben, diese Be 
strebung geht auf die älteste Zeit der vervielfältigenden 
Kunst zurück. Was wir an frühesten Erzeugnissen der 
Reproduktionstechnik in ihren verschiedenen Abarten be 
sitzen, seien sie nun erbaulich-religiösen oder weltlichen 
Charakters, sie waren in erster Reihe für das minder ge 
bildete Volk bestimmt. Kein Geringerer als Sebastian 
Braut hat vor mehr als 400 Jahren dieser Tendenz Aus 
druck gegeben, wenn er sagt: »Dem gemeinen Mann gilt 
das Bild als Lektüre.« 
Ein verdienstvoller Popularisator der Kunst, wenn 
auch zu einer Zeit, wo diese Art von Kunstbestrebung 
fast schon als Anachronismus galt, war Johann Hierony 
mus L ö s c h e n k o h 1, dessen Leben und Tätigkeit ich 
hier in großen Zügen schildern will. Doch wäre cs ver 
fehlt, Löschenkohls Tätigkeit rein von diesem einseitigen 
Standpunkte zu beurteilen, wie es mir andererseits ferne 
hegt, zu behaupten, daß Löschenkohl in seiner Art ein 
großer Künstler gewesen ist. Was man aber an ihm, 
wenn man die Details seiner fast dreißigjährigen Tätig 
keit in Wien kennt, bewundern muß, das ist der 
industriöse Sinn und der Unternehmungsgeist, mit dem 
er eine ganze Reihe von künstlerischen und kunstgewerb 
lichen Geschäftszweigen, die für Wien bis dahin neu 
waren, geschaffen hat. 
Löschenkohl verdient schon deshalb unser be 
sonderes Interesse, weil er, was wohl bisher kaum be 
kannt sein dürfte, einer österreichischen Familie ent 
stammt. Ließ mich dies der spezifisch österreichisch 
klingende Name schon früher vermuten, so wurde es mir 
zur Gewißheit, als ich aut Grund der Daten im Testa 
mente eines 1683 in Wien verstorbenen Mitgliedes der 
Familie die Beziehungen zu Regensburg und indirekt zu j 
Oberösterreich kennen lernte. Die Familie stammt aus 
der Gegend von Steyr, wo einzelne Löschenkohls schon ! 
im 16. Jahrhundert das Messerer- und Schmiedehandwerk 
betrieben. Noch jetzt finden wir dort Löschenkohls, die 
dem altväterlichen Handwerk treu geblieben sind. Der , 
Zweig der Familie, dem unser Johann Hieronymus ent 
stammt, wanderte, aufgescheucht von den Stürmen der 
Gegenreformation und der- Religionsverfolgungen an 
fangs des 17. Jahrhunderts aus Oberösterreich aus und 
fand in Regensburg, an dieser österreichischen Exulanten 
stätte kat’ exochen eine zweite Heimat. Hier finden wir 
Löschenkohls Ururgroßvater Martin (1633) als Bürger 
und Handelsmann, seinen gleichnamigen, 1683 in Wien 
verstorbenen Urgroßvater und dessen Bruder Johann 
Christoph, gestorben als Regensburger Niederlagsver 
wandter in Wien am 2. August 1723, seinen Großvater 
Martin Christoph (t 1745) und seinen Vater Johann 
Hieronymus (geb. 1710). Die Geschichte der Familie 
Löschenkohl ist so reich an abwechslungsreichen Details, 
daß sie in mancher Beziehung an Theodor Manns 
Familienroman »Die Buddenbrooks« erinnert; da, wie 
dort das rapide Aufsteigen aus kleinbürgerlichen Ver 
hältnissen zu einer Höhe materiellen Wohlstandes, die 
zum Beispiel einem Mitgliede der Familie, das auch als 
Wechsler und Großhändler in Wien tätig war, den Namen 
eines »Regensburgischen Krösus« eintrug, dann der jähe 
Sturz, der 1743 mit einem aufsehenerregenden Konkurs 
des angesehenen Bankhauses endete, schließlich das 
nochmalige und letzte Aufflackern des Familienglanzes in 
der Person unseres Löschenkohl, mit dem, da er unver 
mählt starb, dieser Zweig der Familie erloschen ist. 
Diese familiengeschichtlichen Details bieten vielleicht 
die Erklärung, warum Löschenkohl gerade Wien zum 
Schauplatz seiner verdienstvollen Tätigkeit gewählt hat. 
Hiezu kam vielleicht noch die Familienerinnerung an 
einen aus derselben Familie stammenden Löschenkohl, 
der 1752 in den Freiherrnstand erhoben wurde und als 
Hofrat und Vizedirektor des Artilleriewesens starb. 
Johann Hieronymus Löschenkohl wurde in der Mitte 
des 18. Jahrhunderts in den Rheinlanden geboren. In 
seiner Jugend erlernte er das Silber- und Goldschmiede 
handwerk und ließ sich um 1779 in Wien als Graveur 
nieder. Die alten Beziehungen zwischen dem Handwerk 
der Silber- und Goldschmiede einerseits und dem der 
Graveure und Ziseleure andererseits — die alte Graphik 
verdankt bekanntlich diesen Wechselbeziehungen so 
manches schöne Werk — dürfte vielleicht Löschenkohl 
auch auf die Idee gebracht haben, sich in der. Kupfer-
	        
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