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Internationale Sammler-Zeitung.
Nr. 6
tinnen steigert. Die Suffragette Mary Richardson hat am
10. d. M. in der Nationalgalerie Velasquez- »Venus« durch
einen Schnitt mit einem kleinen Beil oder einem Messer
schwer beschädigt. Die Venus ist eine wunderbare, vom
Rücken gesehene, auf ihrer rechten Seite ruhende Gestalt, deren
Kopf nur in dem Spiegel erscheint, den Amor ihr vorhält. Be
sonders fein ist das leicht getönte Fleisch des schönen Körpers
gemalt. Das Gemälde ist auf 100.000 Pfund geschätzt.
(Ein neuer Tintorett o?) Der Pariser Stadtver
ordnete Methouard, der mit der Aufnahme eines Inventars
des Besitzes der Stadt Paris an Kunstwerken beschäftigt ist,
entdeckte in einem Speicher ein bis zur Unkenntlichkeit be
staubtes und beschmutztes Bild, das das Aufsichtspersonal als
gänzlich wertlos bezeichnet«. Er ließ es gleichwohl mit Wasser
und Schwamm reinigen und erkannte auf den ersten Blick
einen wertvollen Tintoretto, der früher einmal den Haupt
altar einer Kirche in Auteuil geschmückt hatte, jedoch seit
vielen Jahren verschwunden war. Das Speicherpersonal be
hauptet, es könne sich nur um eine Kopie handeln; Methouard
ist aber seiner Sache ganz sicher und forderte eine Unter
suchung zur Aufhellung der Geschichte.
(Das erste Ge m ä 1 d e Bernardino L u i n i s.) Der
bekannte Kunstgelehrte Luca B e 11 r a m i gibt, wie uns aus
Mailand geschrieben wird, in der »Perseveranza« von einer
bemerkenswerten Entdeckung Nachricht, die einen wichtigen
Beitrag zur Lebensgeschichte des vermeintlichen Leonardo
schülers liefert. Noch im Jahre 1872 war ein Madonnenbild,
das die Aufschrift trug: »Bernardin mediolaneus faciebat MDVII«
in der venezianischen Sammlung M a n f r i n vorhanden ge
wesen, dann aber spurlos verschwunden. Beltrami hat nun das
Bild in dem Pariser Museum Ja c q u e m a r t- A n d r e, das
erst jetzt dem Publikum zugänglich gemacht wurde, gefunden
und weist nach, daß es sich nur um die aus der venezianischen
Sammlung verschwundene Tafel handeln könne. Es unterliegt
keinem Zw r eifel. daß dieses Bild das erste Werk Luinis sei,
wie der Kunstgelehrte durch den Vergleich der Technik und des
Inhaltes feststellt. Die Anschauung, daß Luini schon in den
letzten Jahren des 15. Jahrhunderts gemalt habe und ein Schüler
Leonardos gewesen sei, wird also durch die Datierung dieses
unbestritten echten Gemäldes widerlegt.
(E i n e »Immaculata« M u r i 11 o s in B e r 1 i n.)
Ein großes Bild M u r i 11 o s, sein Lieblingsthema, die Darstellung
der unbefleckten Empfängnis Mariae, befindet sich in Berlin im
Besitze von Gaston v. Mallman n. und der Besitzer unter
nimmt es jetzt in der »Kunstchronik«, die Originalität des zweifel
los bedeutenden Werkes zu begründen. Es ist dieselbe Kompo
sition, die ein im Besitz des Königs von Rumänien auf
Schloß Pelesch befindliches Bild und eine Wiederholung offenbar
von Schülerhand im Museum von Sevilla zeigen. Mallmanns
Untersuchung will den Nachweis führen, daß sein Gemälde mehr
Anspruch auf eigenhändige Ausführung von der Hand Murillos
hat als das des Königs von Rumänien. Auf einer im Himmels
raume schwebenden Mondsichel steht die kaum erst den Kinder
jahren entwachsene Jungfrau. Der Blick geht ekstatisch nach
oben, die Hände beten.. Weißes Gewand, gelbliches Halstuch,
hellblauer Mantel umgeben die schlanke Gestalt in weitem
Schwünge. Unterhalb der Jungfrau schwebt eine Gruppe von
fünf unbekleideten Engelknaben mit Zweigen und Blumen. Das
Leinwandbild mißt mehr als zwei Meter in der Höhe. Diese
Engelsgruppe benützt Malimann, um gegenüber dem Pelescher
Gemälde das ,seinige als qualitativ höher stehend zu erweisen.
Das Gesicht Mariens mit seiner mäßig hohen Stirn und dem
Stumpfnäschen ist ein echt spanisches Modell, das der Meister
auch sonst verwendet hat. Da auch hier das Pelescher Gemälde
Abweichungen zeigt, die von der sonstigen Art des Meisters
wegführen, so nennt Mallmann dieses eine Schulwiederholung.
Heraldik.
(Das neue Wappen von London.) Während die
City von London bereits seit sieben Jahrhunderten ein eigenes
Wappen besitzt, hat die erst in neuester Zeit geschaffene Graf
schaft London, die im wesentlichen das umfaßt, was wir
unter dem Begriff der Stadt London verstehen, bisher kein
eigenes Wappen besessen. Um diesem Mangel abzuhelfen, reichte
sie bereits vor längerer Zeit den Entwurf eines derartigen
Wappens ein, dem das Heroldsamt mit einigen unwesentlichen
Aenderungen auch seine Genehmigung erteilt hat. Es sei dabei
eingeschaltet, daß in England weder ein Privatmann, noch auch
eine Körperschaft ein Wappen führen darf, das nicht von dem
im Jahre 1484 gegründeten Heroldsamt gutgeheißen worden ist.
Das Wappen der Grafschaft London besteht nun aus einem vier
gespaltenen Schild, in dessen erstem und viertem Felde der
Tower sich befindet, während in dem zweiten und dritten
römische Galeeren schwimmen. In der Mitte des Wappens ist
die von den Pranken eines Löwen gehaltene Kaiserkrone ange
bracht, und über dem Ganzen eine Mauerkrone, aus der ein
halber Löwe mit dem St. Georgsbanner emporragt. Als Wappen
halter steht auf der einen Seite ein römischer, auf der anderen
ein »sächsischer« Kriegsmann, um die Gründung Londons durch
die Römer, und seine Eroberung durch die Angelsachsen anzu
zeigen. Als Wappenspruch ist das angebliche Wort aus T a c i t u s
gewählt worden: »Loci dulcedo nos attinet«. Dieses W'appen
hat seines geschichtlichen Hintergrundes wegen in London viel
fachen Widerspruch erfahren, und wenn das Heroldsamt ihm
auch, wie gesagt, mit kleinen Abänderungen seine Zustimmung
erteilt hat, so ist es doch nicht ohne Interesse, die Gründe für
die ablehnende Haltung des modernen London kennen zu lernen.
Zunächst werden die be:den Galeeren beanstandet, weil sie zu
peinlichen Vergleichen der früheren Schiffahrt auf der Themse
mit der heutigen Veranlassung geben, weiterhin kann man nicht
recht einsehen, wie ein halber Löwe und zwei wilde Männer
aus vergangenen Zeiten eine Stadt wie London charakterisieren
sollen, deren geschäftliches Leben auch nicht das Geringste mehr
mit der Vergangenheit zu tun hat, und schließlich hält man den
Wappenspruch für völlig verfehlt, da die »Annehmlichkeiten«
der Stadt London heute derartige sind, daß sie die Menschen
nicht nur nicht anziehen, sondern eine mit jedem Jahr zu
nehmende Anzahl auf das Land hinaustreiben.
Numismatik.
(Berliner M ü n z a u k t i o n.) Am 23. März und den
folgenden Tagen versteigert Rudolf Kube in Berlin nicht
weniger als sechs verschiedene Partien Münzen. Erwähnens
wert ist namentlich die Medaiileiisarnmliing des kgl. Miinz-
medailleurs Otto Schultz t. die eine hübsche Uebersicht über
die Stempelschneidekunst der zweiten Hälfte des XIX. Jahr
hunderts in einer Auswahl der besten Werke insbesondere
Deutschlands und Englands gibt; auch sind da viele interessante
Probeabschläge und dergleichen. Dann gibt es eine stattliche
Reihe deutscher Reichsmünzen, einen Fund Kaiserdenare des
11. Jahrhunderts, Brandenburger, Polen u. s. w„ mit zahlreichen
besseren Stücken, wie zum Beispiel den Taler Wladislaws von
Böhmen mit thronendem König, den Breisacher Taler von 1553,
einen Emdener Dukaten auf ungarischen Schlag, schließlich noch
eine hübsche numismatische Bibliothek.
(Eine neue Kaiser Wilhelm- Pia kette.) Kaiser
V, i 1 h e 1 m hat die Stiftung einer Kaiser Wilhelm-Plakette ge
nehmigt. Die Stiftung erfolgte durch den deutschen Reic’ns-
ausschuß für Olympische Spiele. Die Plakette, die in der kgl.
Münze hergestellt wird, weist auf der Vorderseite das Brustbild
des Kaisers auf, auf der Rückseite trägt sie den Namen des
Stifters und die Widmung: »Dem Sieger im Olympiaprüfungs
kampf.«