Nr. 9
Internationale Sammler-Zeitung.
Seite 133
Kind wiegend, das in eine Falte ihres Mantels geschlagen
ist. Sie sieht es mit unbeschreiblicher Liebe an, während
das Kind ihr zulächelt und sie segnet.
Die französischen Elfenbeinschnitzereien sind durch
Statuetten von exquisiter Kunst vertreten. Unter den
Bronzen begegnen wir Namen, wie Bertoldo, Ricco,
Gia Bologne und Sansovino, unter den Gemälden der
primitiven Italiener Stücken von leuchtender Farben
schönheit neben den entzückendsten Miniaturen, liier sei
ein Manuskript aus dem Jahre 1.510 erwähnt, welches fin
den als Dichter und Schriftsteller gleich berühmten
Sultan Abd al Nozaffir Sam Mirza hergestellt
wurde. Die besten Miniaturisten seines Flofes haben die
Blätter ausgeführt, von denen jedes einzelne ein Kunst
werk ist. Fünf Miniaturen dieses Manuskriptes sind vom
Sultan Moham rn a d, von Scheik Z a h d e und von
Mirek signiert. Das 18. Jahrhundert ist durch eine
Kollektion, von Tieren aus Meißner Porzellan, und vor
allem durch zwei entzückende Pastelle von Liotard
vertreten, welche Graf und Gräfin Friese aus Wien
darstellen.
Drei sehr interessante Objekte der Sammlung können
wir unseren Lesern im Bilde vorführen.
Fig. 1 ist eine Götterdarstellung; sic zeigt auf der
linken Seite die Büste einer jungen Frau, an den Seiten
derselben Fragmente einer Inschrift. Das Basrelief, aus
rotem Granit aus der saitischen Epoche, ist 31 cm hoch,
28 cm lang und von einem Holzrahmen umgeben.
Fig. 2 bietet einen Torso, eine kopflose griechische
Statue aus dem 5. Jahrhundert v. Chr. Sie ist mit einem
zweigeteilten Chiton bekleidet, der in langen Falten her
abfällt; darunter sieht man die Aermel aus leichtem
Stoffe, gefällig gefaltet.
Diese bedeutende attische Skulptur in reinem Stile
diente als Karyatide an einer Tempelfassade.
Fig. 3, ein viereckiges Haut-relief aus weißem
Marmor, stellt die heilige Jungfrau, als Kniestück, mit
dem Heiligenschein dar. Sie ist mit einem Kleide und
einem Mantel angetan, in dessen Falten sie das Jesuskind
wiegt. Das letztere hat ein Hemdchen an, welches von
Fig. 3.
einem Bandgürtel gehalten wird, und macht eine
segnende Gebärde.
Das Haut-relief stammt aus dem 15. Jahrhundert und
wird Mino da F i e s o 1 e zugeschrieben.
Moderne Bilder.
Während sich die Sammeltätigkeit der Kunstkenner,
soweit sie sich auf Auktionskäufe erstreckte, bis vor
kurzem nur im Erwerben der Werke alter Meister
äußerte, die modernen Künstler aber unter dieser Hintan
setzung künstlerisch, moralisch und nicht zuletzt auch
materiell litten, hat sich die Vorliebe der Bildersammlcr
nun auch auf zeitgenössische Werke ausgedehnt, die
nicht mehr nur in Ateliers oder Ausstellungen gekauft,
sondern bei Besitzwcchscl auf Auktionen unter be
deutendem Zulauf mit Erfolg versteigert werden.
In dieser Beziehung hat sich namentlich die Firma
J. C. Wawra (Inhaber Alfred Wawra) in Wien
einen Ruf geschaffen. Das Kunsthaus betrachtet es als
seine Spezialität, hauptsächlich Wiener Meister zu
kultivieren, ohne jedoch darüber interessante Werke
auswärtiger Künstler zu vernachlässigen. Jede ihrer
Auktionen bietet eine Fülle des Sehenswerten, so daß
nicht nur die Kauflustigen, sondern auch jene, die nur
con amore die den Auktionen vorangehenden Aus
stellungen besuchen, auf ihre Rechnung kommen.
Ucber die neueste Auktion, die in den nächsten
Tagen stattfindet, liegt ein reizender Katalog vor.
welcher 155, durchwegs erlesene Nummern enthält.
Reim Durchblättern begegnen wir der Familie A11, die
durch alle drei Repräsentanten der Malerdynastie ver
treten ist: Vater Franz erscheint mit der »Wiener
Weltausstellung«, einer Ansicht der Wiener Rotunde und
des großen Platzes vor derselben, welcher mit Figuren
reich staffiert ist, und mehreren anderen Wiener
Veduten; von seinen beiden Söhnen sind wahre Pracht
stücke vorhanden. Rudolf, der Altmeister der öster
reichischen Aquarellmalerei, brilliert mit einigen fremd
ländischen Sujets. In Fig. 4 bringen wir seine zur Auktion
gelangende »Ansicht aus Rom«. Der Platz vor dem
Forum mit dem Senatorenpalast und der Kuppel der
Kirche S. Morne di Maria im Hintergründe, im Vorder
grund rechts schließt sich der Tempel des Antonius und
der Faustina sowie die Kirche S. S. Cosinas e Damian
an. Reiche Staffage gewährt dem Bilde, das signiert und
vom 22. Februar 1873, Rom, datiert ist, einen eigenen
Reiz. Unter den Bildern des erst jüngst verstorbenen
Jakob A 11 begegnen wir zweimal der »Cholerakapelle
in Baden«, deren eine (Fig. 5) die Ansicht der Kapelle
von der Straße im Helenental zeigt. Als Staffage dienen