Internationale
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Zentralblatt für Sammler, Liebhaber und Kunstfreunde.
Herausgeber: Norbert Ehrlich.
12. Jahrgang. Wien, 15. Dezember 1920. Nr. 24.
Beethoven-Ausstellung in Wien.
Die Stadt Wien konnte den 150. Geburtstag Beet
hovens, den in diesem Monat die musikalische Welt
allerorten zu feiern sich rüstet, nicht unbeachtet vor
übergehen lassen. Spielte doch die alte Musikstadt
an der Donau eine große Rolle im Leben des Tonheros,
ja gewiß noch eine größere als seine Vaterstadt Bonn.
Nach Wien sehnte sich schon der Jüngling. Da die
Erfüllung all seiner Künstlerträume erhoffend, wun
derte denn dter junge Beethoven bereits im Jahre
1787 nach Wien, um Mozarts Schüler zu werden.
Nicht lange dauerte dieser Aufenthalt; der Tod seines
Vaters nötigte ihn zur Rückkehr in die Heimat, wo
schwere Familienpflichten seine Anwesenheit dringend
forderten. Trotz der auf ihn einstürmenden Sorgen
verlor er aber sein Ziel nicht aus dem Auge. Fünf Jahre
später sehen w r ir Beethoven, wohlausgerüstet mit
Geleitbriefen hochmögender Gönner, zum zweiten
Male die Reise nach Wien unternehmen. Hier öffneten
sich dem jungen Künstler die vornehmsten Kreise,
in denen er als Klaviervirtuose großes Interesse er
weckte. Bald trat er als solcher mit Erfolg auch in
die Öffentlichkeit. Mit unbeugsamem Eifer ging er
auch sofort daran, sich in der Komposition weiter zu
bilden. Er wurde Schüler Haydns; als er aber zu be
merken glaubte, daß er von diesem nicht die erwartete
Förderung seiner künstlerischen Absichten erfahre,
nahm er insgeheim auch bei dem Komponisten des
„Dorfbarbier" und anderer damals beliebter Sing
spiele, Johann Schenk, Unterricht, um diesen dann,
als Haydn nach London reiste, bei Albrechtsberger
fortzusetzen. So verschaffte sich Beethoven Jas Rüst
zeug zur Verwirklichung seiner musikalischen Ideen.
Nicht lange dauerte es, bis seine ersten Kompo
sitionen in Wien im Druck erschienen. Und nun folgten
in den nächsten zwei Dezennien jene Kompositionen,
die heute noch, nach hundert Jahren, unerreichte
Wunderwerke bilden: seine Kammermusikwerke, seine
Klavierwerke, die neuen monumentalen Symphonien,
die „Missa soltemnis“, der „Fidelio", Lieder u. a.
Alles das schuf Beethoven in Wien. Hier fand er
gleich Haydn und Mozart — seine zweite Heimat,
hier lebte und vollendete er sein unendlich reiches
Leben, während dessen er dem. gesamten Musikleben
Wiens den Stempel seiner überragenden Persönlichkeit
aufgeprägt hatte.
Die Erinnerung an diese musikalische Glanzzeit
Wiens soll nun in der von der Gemeinde Wien ver
anstalteten Beethoven-Ausstellung wachgerufen werden.
Zunächst wird Beethovens Leben und Wirken in Wien
durch Bilder, Handschriften und erste Drucke dar
gestellt werden. Ncbstdem will diese Ausstellung
die Beziehungen Beethovens zu dem ausgedehnten
Kreise seiner Gönner, Freunde und der großen Zahl
der mit ihm in Verbindung getretenen Musiker sowie
überhaupt das damalige Musildeben Wiens illustrieren.
Bei der Feststellung dieses Programmes mußte
man sich von vornherein darüber klar sein, daß auf
die Heranziehung außerhalb Wiens befindlicher Beet
hoven-Reliquien wohl zum größten Teil verzichtet
werden müsse; die Kürze der für die Vorbereitungs
arbeiten zur Verfügung stehenden Zeit — etwa zehn
Wochen die Schwierigkeit und Unsicherheit des
Verkehrs sowie der Umstand, daß auch anderwärts
zur selben Zeit ähnliche Ausstellungen vorbereitet
wurden, nötigten die Ausstcllungsleitung, sich haupt
sächlich auf jene Objekte zu beschränken, die teils
im eigenen Besitze der Gemeinde, teils in anderen
Sammlungen Wiens sich befinden. Hier kamen in
erster Linie die reichhaltigen Sammlungen der Gesell
schaft der Musikfreunde, ferner die Nationalbibliothek,
die Fideikommißbibliothck und einige Privatsammlungen
in Betracht.
Allerdings veranstaltet die Gesellschaft der Musik
freunde, die Beethoven zu ihren Ehrenmitgliedern zählt,
ebenfalls eine Beethoven-Ausstellung. Dadurch ent
geht der Ausstellung der Stadt Wien eine Reihe wert
voller Objekte, unter anderem wird hier die kostbare
Handschrift der „Eroica“ fehlen. Die Gesellschaft
der Musikfreunde erklärte sich aber, da ihre eigene
Ausstellung sich auf unmittelbare Beethoven-Erinne
rungen beschränken soll, bereit, der Gemeinde jene
Objekte zu überlassen, die in den weiteren Rahmen
ihrer Ausstellung sich einfügen lassen. Die anderen
Institute stellten ebenfalls in liberalster Weise die an
gesprochenen Objekte zur Verfügung und auch bei
privaten Sammlern fand die Ausstellungsleitung großes
Entgegenkommen.
Lind so wird sich denn die Beethoven-Ausstellung,
wenn auch in bescheidenem Umfange, früheren ähn
lichen Veranstaltungen der Gemeinde — wir erinnern
an die Grillparzer-Ausstellung 1891, 'an die theater-
geschichtliche Ausstellung Wiens 1892 und an die
Schubert-Ausstellung 1897 — würdig anreihen. Sie 1
wird in den Räumen des Historischen Museums im
Neuen Rathause ein anschauliches Bild von Beet
hovens Leben und Schaffen in Wien und des Wiener
Musiklebens vor hundert Jahren bieten. Wir werden
da die Bildnisse Beethovens in verschiedenen Lebens-