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Tnfernafi'onate 
Zentralblatt für Sammler, Liebhaber und Kunstfreunde 
Herausgeber: Norbert Ehrlich. 
14. Jahrgang. Wien, 15. Februar 1922. Nr. 4c 
Graf fKans fjDtfczek ats Sammter. 
Einem der Besten, die unter uns gewandelt, hallt 
das dumpfe Requiescat nach. Graf Hans Wilczek sen., 
der am 28. Jänner seine müden Augen zum letzten 
Schlumnfer schloss, gehörte zu jenen immer seltener 
werdenden Menschen, die den Ring besitzen, von denen 
Lessings Nathan spricht, den Ring, der vor Gott und 
Menschen angenehm macht. An seiner Bahre musste 
die Lästerzunge verstummen : ein Gefühl beherrschte 
jedermann, das Gefühl der Trauer ob des grossen Ver 
lustes, den das Hinscheiden dieses Mannes für Kunst und 
Wissenschaft, für die Menschlichkeit bedeutet. An allem, 
was Wien seit 50 Jahren an Grossem und Schönem 
geschaffen, hatte Wilczek seinen hervorragenden Anteil, 
vieles und nicht gerade das Schlechteste, war aus seiner 
eigensten Initiative hervorgegangen. Er hat, um nur das 
Wichtigste zu nennen, den Ruhm seiner Vaterstadt ge 
mehrt, indem er die Nordpolexpedition unter Bayer und 
Weyprecht ausrüstete, ihm vorzugsweise dankt Wien 
die Errichtung der freiwilligen Rettungsgesellschaft, die 
mustergiltig für alle Institute dieser Art geworden ist, 
und Burg Kreuzenstein, seine persönlichste Schöpfung, 
wird noch in fernen Jahren Zeugnis geben von dem 
tiefen Verständnis, von dem künstlerischen Empfinden 
des Mannes, der diesen Bau geschaffen und mit den 
herrlichsten Schätzen gefüllt hat. 
Welchen Wert er dem Sammeln zumass, das hat 
Graf Wilczek selbst einmal in diesen Blättern ausge 
sprochen. In einem viel beachteten Artikel, der in einer 
der ersten Nummern der „Internationalen Sammler- 
Zeitung“ erschien,* erzählte er: 
Sammeln war von jeher meine Leidenschaft. Schon 
als Kind waren mir die Heldengestalten, vor allem 
Kaiser Maximilian 1., Herzensheilige und jeder Gegen 
stand, den sie, wie ich mir dachte, vielleicht gesehen, 
oder gar berührt haben konnten, war mir ebensosehr 
verehrungswürdig, wie eine heilige Reliquie. So begann 
ich schon vor mehr als einem halben Jahrhundert zu 
sammeln, ganz im Stillen, hinter dem Rücken meiner 
Eltern, ganz allein, ohne Anleitung, ohne Gedankenaus 
tausch, ohne Studium, das ich erst als gereifter Mann, 
von mannigfachen Geschäften in Anspruch genommen, 
nur nebensächlich betreiben konnte. 
* Aus den Erinnerungen eines Waffensamnilers von Hans 
Graf Wilczek. 1. Jahrg. Nr. 4. 
Wohlwollende Anerkennung und Aufmunterung 
fanden meine Bestrebungen in Freundeskreisen. Zu 
weit ging aber einer meiner liebenswürdigen Freunde, 
der gelegentlich in Kreuzenstein äusserte, er wundere 
sich nicht, so viele Schätze in der Burg angehäuft zu 
sehen, da ich sogar unter der afrikanischen Sonne und 
im Polareis, hoch oben im Luftballon und in den Tiefen 
des Meeres gesammelt habe. Ich bin allerdings viel 
herumgereist. Unter der afrikanischen Sonne versuchte 
ich mein Glück in Algier. Zweimal, 1868 und 1869, 
brachte ich den Winter im Atlas zu, um Löwen von 
der langmähnigen Art Nordafrikas zu schiessen, welche 
von der unter dem Aequator lebenden verschieden ist. 
Aber trotzdem ich fast jede Nacht am Anstande war, 
begegnete ich keinem; meine Freunde, die Löwenjäger 
C h a s a i n und B o rn b o n e 1 1, hatten sie schon 
selten gemacht. Ich nützte meinen Aufenthalt dahin 
aus, die herrlichen, damals fast noch unbekannten 
Ruinen zu besuchen, deren schönste Tebessa war. 
Professor Rokitansky hatte mich gebeten, 
ihm womöglich einige Schädel einer früh ausgestorbenen 
Semitenrasse mitzubringen. Da er mir die Lage der 
Begräbnisstätten sehr genau beschrieben hatte, fiel es 
mir nicht schwer, sie zu finden und ich ging eines 
Tages mit meinem Freunde und Begleiter, dem 1906 
verstorbenen Wiener Maler S c h r ö d 1, daran, sie z\\ 
öffnen. Mitten in der schwierigen Arbeit hörten wir 
eine Karawane kommen, die knapp an uns vorüber 
ziehen musste. Ein Entrinnen war unmöglich. Wir 
verbargen uns also in den geöffneten Gräbern mit dem 
Bewusstsein, dass uns die Araber totschlügen, falls sie 
uns beim Leichenraub erblickten. Zu unserm grossen 
Entsetzen lagerten sie eine Zeitlang ganz in unserer 
Nähe. Die Stunde, die wir in dieser Nachbarschaft 
zubrachten, war eine meiner aufgeregtesten, denn wenn 
wir auch unser Leben teuer verkauft hätten, wären wir 
doch der grossen Uebermacht erlegen. Endlich zogen 
sie weiter, ohne uns bemerkt zu haben. Als die Luft 
rein war, nahmen wir zwei Schädel als die schwer 
erkaufte kraneologische Beute mit uns und brachten 
sie glücklich nach Wien. 
Es ist auch wahr, dass ich einmal eine Fahrt tief 
unter der Oberfläche des Meeresspiegels unternahm in 
der Hoffnung, irgend ein interessantes Stück für meine 
Sammlung zu finden, wie es in jüngster Zeit den
	        
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